Ex-Geheimdienstchef: Palästinenser vergiftete Arafat

(10.07.2012/dpa)

Ein Palästinenser hat nach Ansicht eines palästinensischen Ex-Geheimdienstchefs im Auftrag Israels den ehemaligen Präsidenten Jassir Arafat ermordet. Taufik Tirawi sagte dem palästinensischen Rundfunk am Dienstag: „Eine Person, die von Israel benutzt wurde, hat Arafat das Gift gegeben.“ Man suche jetzt nach einem palästinensischen Verräter. Tirawi steht an der Spitze eines Komitees, das die Todesumstände des im November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris gestorbenen Palästinenserführers klären soll.

Ein Labor in der Schweiz hatte bei der Untersuchung von persönlichen Gegenständen Arafats – vor allem in der Unterhose – erhöhte Werte des radioaktiven Stoffes Polonium-210 gefunden. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob Arafat wirklich gezielt vergiftet wurde. Der zuständige Forscher betonte vergangene Woche, nur die Untersuchung der sterblichen Überreste Arafats könnte Gewissheit bringen. Die Todesursache des ehemaligen PLO-Chefs wurde nie vollständig geklärt.

Die palästinensische Autonomiebehörde hatte einer Exhumierung Arafats grundsätzlich zugestimmt. Sie hat nach Medienberichten den Direktor eines jordanischen Krankenhauses, Abdallah al-Baschir, mit der medizinischen Untersuchung von Arafats Tod beauftragt. Er werde in den nächsten Tagen nach Ramallah kommen und auch in Kontakt mit dem „Institut de radiophysique“ in Lausanne treten, hieß es.

Im Alter von 75 Jahren war Arafat im November 2004 in einem Militärkrankenhaus im französischen Clamart gestorben. Zwei Jahre später sorgte Polonium-210 weltweit für Schlagzeilen: Der russische ehemalige KGB-Agent und späterer Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko starb nach wochenlangem Todeskampf an den Folgen der Verabreichung des radioaktiven Stoffes, der ihm wahrscheinlich in den Tee gemischt wurde. Eine Vergiftung durch Polonium ist an sich nur schwer festzustellen. Im Fall Litwinenkos wurde allerdings eine so hohe Dosis verabreicht, so dass der Nachweis nicht schwer zu erbringen war. Der Spiegel schrieb damals: „Die Substanz ist (…) äußerst schwierig zu beschaffen – da sie Experten zufolge nur in staatlichen Hightech-Labors produziert wird.“ (3)

Wer hinter der Mordtat steckt, ließ sich nie aufklären. Wurde im Fall Litwinenkos von Vertretern des Westens – insbesondere Großbritanniens – der russische Geheimdienst beschuldigt, so im Fall Arafats die israelische Regierung seitens der Palästinenser.

Aber nicht nur die Palästinenser hegen den Verdacht gegenüber Israel. Die Tagesschau zitiert den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Philip Alston: „Der naheliegende Verdacht wäre in diesem Fall, dass Israel daran beteiligt war, wobei niemand eine direkte Anschuldigung äußerte. Israel besitzt große, nukleare Kapazitäten und vermutlich die Möglichkeit, Polonium herzustellen. Man kann nur hoffen, dass Israel daher ein Interesse an der Durchführung einer Ermittlung haben wird.“ (2)

Doch der Vizechef des israelischen Inlandsgeheimdienstes, Israel Chasson, „winkt ab“. Seiner Meinung nach sei die Veröffentlichung „ein Märchen“. (3) Ob Märchen aus Tausendundeiner Nacht oder realer Mordanschlag – das wird wohl nur die Exhumierung zeigen können.


Anmerkungen

(1) http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/polonium-210-der-strahlende-killer-a-451726.html

(2) http://www.tagesschau.de/ausland/arafat156.html

(3) ebd.

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