Ex-ARD-Mitarbeiter: Tagesschau ist regierungsnah und politisch einseitig
Alexander Teske in Cicero-Interview: Chefs vom Dienst ohne jede Rechenschaftspflicht / Kritik an Corona-Impfung wurde in Tagesschau „eher unterdrückt“ / Keine Vielfalt in Tagesschau-Redaktion
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Der ehemalige Tagesschau-Planungsredakteur Alexander Teske erhebt in einem Interview (26. Februar) mit dem Magazin „Cicero“ schwere Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber. Die Berichterstattung der ARD-Tagesschau sei zu regierungsnah und politisch einseitig. Ebenso kritisierte er die Macht der Chefs vom Dienst (CvD) und die Homogenität in den Redaktionen. Teske hat sechs Jahre lang für die „Tagesschau“ gearbeitet und im Januar ein Buch über seine Erfahrungen dieser Zeit veröffentlicht.
Teske macht die aus seiner Sicht zu große Regierungsnähe der „Tagesschau“ unter anderem daran fest, dass Termine der Bundesregierung in der Planung eine „sehr hohe Priorität genießen“. Die jeweilige Relevanz dieser Termine werde kaum hinterfragt. Zudem stehe man der Regierung nicht kritisch-distanziert gegenüber, sondern „tendenziell eher auf ihrer Seite“. Als Beispiel führt Teske die Coronazeit an. Die Redaktion habe die Menschen darüber informieren wollen, wie die Regierung die Krise oder das Virus handhaben möchte. Kritik an der Impfung sei hingegen „eher unterdrückt“ worden, „weil man die Impfmüdigkeit nicht befeuern wollte“. Die „Tagesschau“ verstehe sich – zugespitzt – als „Regierungssender“ und nicht als „Oppositionssender“. Insbesondere im Hauptstadtstudio würden sich manche Journalisten als „Teil der Regierungsblase“ und „als Akteur missverstehen“.
Zum Umgang mit der AfD habe es schon zu Beginn seiner Zeit bei der „Tagesschau“ im Jahr 2018 Diskussionen gegeben, erzählt Teske. Der damalige Chefredakteur Kai Gniffke kritisierte demnach, dass die AfD zu selten im Programm vorkomme. Die Redaktion habe ihm widersprochen. Gniffke habe jedoch Strichlisten im Hauptstadtstudio erwähnt, die das belegt hätten. Teske wertete laut eigener Aussage für das erste Halbjahr 2024 alle Sendungen aus. Unter den „Top 10“ der Politiker befinde sich seiner Zählung zufolge kein AfD-Politiker und die Regierungsparteien seien deutlich überrepräsentiert. Die Grünen würden insgesamt bevorzugt. Auch wenn sie nicht an der Regierung beteiligt seien, entscheide man sich „überproportional für die Grünen“ als Stimme der Opposition, „weil sie in den Augen der Redakteure etwas Kluges sagen“. Kritik an den Grünen werde hingegen oftmals klein gehalten.
Innerhalb der Redaktion verfügten die Cvds über die „größte Macht“, berichtet Teske. Dieser kleine Kreis von etwa zehn Kollegen habe „mehr Einfluss auf das Programm als die Chefredaktion“. Zugleich seien die Tagesschau-CvDs der Öffentlichkeit nicht bekannt „weder mit dem Namen noch mit dem Gesicht“. Teske kritisiert, dass sich diese Verantwortlichen nie öffentlich für ihre Entscheidungen rechtfertigen müssten. Auch bemängelt er die Stellenbesetzung: Die Stellen würden nicht ausgeschrieben, man könne sich nicht von außen als CvD bei der „Tagesschau“ bewerben. Zugleich blieben die Posten über einen sehr langen Zeitraum von den gleichen Personen besetzt. Die Diskussionskultur sei insgesamt nicht sehr ausgeprägt, es sei in der Redaktion kaum möglich, die Berichterstattung offen zu kritisieren, wenn man Karriere machen wolle.
Teske beanstandet außerdem eine mangelnde Vielfalt innerhalb der Redaktion. Das betreffe nicht nur die politische „Einseitigkeit“. Zwar halte die Nachrichtensendung „anderen moralisch gerne den Spiegel vor“, bestimmte Gruppen seien jedoch auch dort „völlig unterrepräsentiert“. Menschen mit Migrationshintergrund seien bei der „Tagesschau“ nur „sehr selten“ tätig – und wenn dann eher als Moderatoren und nicht in Entscheidungspositionen. „Diejenigen, die etwas zu sagen haben, sind keine Ostdeutschen, keine Migranten, keine Schwerbehinderten“, sagt Teske. Ähnliches gelte für Menschen aus armen oder prekären Verhältnissen und für Menschen ohne Universitätsabschluss: „Ohne ein abgeschlossenes Hochschulstudium bekommt man keinen Volontärsplatz mehr bei den ARD-Anstalten. Das war früher mal anders“ betont Teske und erinnert an seinen ersten Chefredakteur beim MDR: „Der hatte noch nicht einmal Abitur, war aber ein guter Journalist.“
Vertrauen wiederherstellen könne die „Tagesschau“ aus Sicht von Teske durch eine Rückbesinnung auf das „eigene Credo“. Dazu gehöre eine neutrale Berichterstattung, „sachlich, kühl und als objektiver Beobachter der Welt und nicht als jemand, der die Leute erziehen will“. Die Redaktion müsse sich diverser aufstellen und eine Diskussionskultur entwickeln, in der auch „konservative Stimmen eine Chance haben“. Auch eine Ausschreibung und Befristung der CvD-Stellen hält Teske für sinnvoll, damit „andere Einflüsse zum Zug kommen.“ Die ersten Reaktionen ehemaliger Kollegen auf sein Buch seien „sehr negativ“ ausgefallen, die „Kernthesen“ seines Buches habe jedoch „niemand bestritten“.
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hatte im Januar angekündigt, rechtliche Schritte gegen den ehemaligen Mitarbeiter zu prüfen und Teskes Vorwürfe als einseitige, „subjektive Erinnerungen eines einzelnen, ehemaligen Mitarbeiters“ bezeichnet. Wie das „Medienmagazin“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete (15. Februar), hat der NDR inzwischen „entschieden, die möglichen Rechtsverletzungen nicht weiter zu verfolgen.“