Europäische Regierungen boykottieren Weltkriegsgedenken in Moskau
(24.03.2015/dpa)
Gut sechs Wochen vor den Feiern zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes am 9. Mai in Moskau haben angesichts der Ukraine-Krise bislang nur sehr wenige Politiker aus Europa ihr Kommen zugesagt. Neben dem linksgerichteten tschechischen Präsidenten Milos Zeman wollen der linke griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, Zyperns konservativer Präsident Nikos Anastasiades und der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic zu den Gedenkfeiern nach Moskau reisen. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico überlegt noch.
Nachdem US-Präsident Barack Obama einer Einladung eine Absage erteilt hatte, wollen auch die meisten europäischen Spitzenpolitiker der geplanten großen Militärparade zur Erinnerung an den Sieg über Nazi-Deutschland fernbleiben. Einige EU-Mitgliedsländer halten sich die Entscheidung noch offen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte ihre Teilnahme an der Militärparade auf dem Roten Platz ab. Allerdings will sie am 10. Mai gemeinsam mit Kremlchef Wladimir Putin am Grabmal des Unbekannten Soldaten einen Kranz niederlegen und sich vor den Opfern des Faschismus verneigen. Kein Land hat mit rund 27 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg solche Verluste erlitten wie die Sowjetunion. „Mit Blick auf das russische Vorgehen auf der Krim und in der Ostukraine erscheint die Teilnahme an einer Militärparade als nicht angemessen“, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert zur Begründung erklärt.
Für Moskau ist das Fernbleiben insbesondere der einstigen Verbündeten ein beispielloser Affront von einschneidender Bedeutung. Die Absagen seien eine „unangenehme Kampagne“, die europäischen Politikern keine Ehre mache, meint der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow. „Das beleidigt das Andenken der sowjetischen Soldaten und der eigenen Landsleute, die im Kampf gegen den Faschismus gefallen sind. Aber das müssen sie mit ihrem Gewissen ausmachen“, sagte Tschischow.
Auch Präsident Wladimir Putin machte seiner Verärgerung öffentlich Luft: „Wir sehen heute nicht nur Versuche, die Ereignisse des Krieges umzudeuten, zu verzerren, sondern eine zynische und völlig unverhohlene Lügerei, die dreiste Verleumdung einer ganzen Generation Menschen, die Frieden auf der Welt geschaffen haben.“ Ziel sei es, „die Stärke und moralische Autorität Russlands zu unterhöhlen, ihm den Status als Siegermacht abzusprechen“, erklärte der Kremlchef. Er warnt davor, Geschichte für „geopolitische Machtspiele“ zu missbrauchen – etwa, wenn die Ukraine vorschlägt, Russland den Status als Vetomacht im Weltsicherheitsrat zu entziehen.
Auf die insgesamt 68 versendeten Einladungen zum 9. Mai gibt es bisher 26 Zusagen, wie das Außenministerium in Moskau mitteilte. Ihr Kommen bestätigt hätten unter anderem die Staatenführer aus China, Indien, Südafrika, aus Kuba und Vietnam.