EU: Schulden wachsen in den Peripherieländern, Konjunktur weiter schwach

(23.04.2013/dpa)

Trotz massiver Austeritätsprogramme zu Lasten der Bevölkerung bekommen mehrere südeuropäische Krisenländer ihre Neuverschuldung nicht in den Griff. Zuwächse um zehn Prozent oder mehr gab es im vergangenen Jahr in Griechenland und in Spanien, auch in Portugal stieg das Haushaltsdefizit kräftig, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Montag in Luxemburg mitteilte. Die Werte fielen teilweise wesentlich höher aus als von der EU-Kommission erwartet.

Damit driftet die Euro-Zone weiter auseinander, denn Musterschüler Deutschland erzielte sogar einen Überschuss von 0,2 Prozent nach einem Defizit von 0,8 Prozent im Jahr zuvor. Als besorgniserregend bezeichnete die EU-Kommission das Anwachsen der Staatsschulden insgesamt. In drei Viertel der EU-Staaten gibt es höhere Schuldenberge als zuvor. „Die Schulden müssen vermindert werden“, sagte ein Sprecher der Behörde.

Europa bleibt zudem mit seiner unverändert schwachen Konjunktur das Sorgenkind der Weltwirtschaft. „Das Wachstum muss sich in der Euro-Zone insgesamt erst noch verwirklichen“, hatte der Lenkungsausschuss des Internationalen Währungsfonds (IWF) vergangenen Samstag zum Abschluss seiner Frühjahrstagung in Washington kritisiert. Er forderte eine weitere Reparatur des Finanzsektors, Reformen für mehr Jobwachstum und Produktivität sowie eine effektive Bankenunion. „Eine stärkere Nachfrage in Europa ist wichtig für das globale Wachstum“, meinte US-Finanzminister Jack Lew. Der Amerikaner begrüßte die Debatte der Europäer, ihre Konjunktur „durch eine angemessene Mischung volkswirtschaftlicher Werkzeuge“ anzukurbeln. Vor allem die starken Staaten sollten in Wachstum investieren, um die „anstrengenden“ Sparmaßnahmen der Krisenländer abzufedern.

„Erholung mit drei Geschwindigkeiten“

Während die Weltwirtschaft in diesem Jahr nach IWF-Berechnung um 3,3 Prozent wachsen soll, schrumpft die Konjunktur in der Euro-Zone um 0,3 Prozent. Auch im kommenden Jahr soll sie mit 1,1 Prozent Wachstum im Vergleich eher schwach dastehen. Die Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde warnte, dass Europa zunehmend hinter den USA und den Schwellenländern zurückbleibe. Diese „Erholung mit drei Geschwindigkeiten“ sei nicht gut für Entwicklung der Weltwirtschaft.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entgegnete, dass Europa in den kommenden Jahren kein starker Konjunkturmotor für die Weltwirtschaft werde. Es wäre völlig unrealistisch, hier große Wachstumsraten zu erwarten, sagte er in Washington. Wer mehr erwarte, laufe Gefahr, nicht die eigenen Problem zu lösen. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonte, Europa müsse immer mit niedrigeren Zuwachsraten rechnen als andere Regionen.

Hintergrund des Augenmerks auf die Euro-Zone sind Sorgen um die Weltkonjunktur. „Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind noch immer zu schwach“, heißt es im Papier des Lenkungsausschusses. „Wir müssen entschlossen handeln, um die Widerstandskraft der Weltökonomie wiederherzustellen.“ Singapurs Minister Tharman Shanmugaratnam, der Vorsitzende des Komitees, betonte, dass dafür eine Mischung verschiedener Maßnahmen notwendig sei. „Es gibt nicht eine einzige Waffe.“

Weidmann meinte zu den Wachstumserwartungen an Europa, dass die Bewältigung der Krise eher ein Jahrzehnt als ein Jahr dauern werde. Es könne nicht der Versuch unternommen werden, mit mehr Schulden an die Wachstumsraten vor der Krise anzuknüpfen. Auch seien die hohen Wachstumsraten der Schwellenländer nicht der Maßstab. Schäuble verwies darauf, dass Einigkeit darin bestehe, dass der Defizitabbau fortgesetzt werden müsse. Bei der Vereinbarung neuer Zielvorgaben der führenden Wirtschaftsmächte G20 müsse man sich aber noch ein Stück weit Zeit lassen.

Barroso fordert Neuausrichtung

Angesichts der sich verschlechternden Daten meldete sich  auch der Präsident der EU-Kommission José Manuel Barroso zu Wort. „Wir haben nicht alles richtig gemacht“, sagte er am Montag in Brüssel. Der derzeitige Kurs stoße an seine Grenzen, weil er ein „Minimum an politischer und gesellschaftlicher Zustimmung“ benötige. Außerdem stellte er Anpassungen für den Zeitrahmen, in dem bestimmte Länder ihre haushaltspolitischen Ziele zu erreichen haben, in Aussicht.

Mit dem Kurswechsel Barrosos bekommen jene Unterstützung, die seit längerem bemängeln, dass die vor allem seitens der deutschen Bundesregierung forcierte einseitige Ausrichtung auf Sparmaßnahmen nicht zu einer Verbesserung der ökonomischen Lage in der Euro-Zone führen kann. So hatte am Sonntag auch Spaniens Finanzminister Luis de Guindos erklärt, sein Land werde künftig den Fokus stärker auf wirtschaftliches Wachstum legen und weniger auf weitere Einsparungen. „Was wir jetzt vorhaben, ist eine bessere Balance zwischen der Senkung des Haushaltsdefizits und wirtschaftlichem Wachstum”, wird de Guindos im Wall Street Journal zitiert (1).


Anmerkungen

(1) http://www.wallstreetjournal.de/article/SB10001424127887324235304578438642919723794.html

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