EU-Gesetz für Digitale Dienste in Kraft
Kritiker fürchten Zensur durch große Internet-Plattformen und EU-Kommission. Deutsches Gesetz zur Umsetzung wird derzeit beraten.
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)
Seit Sonnabend (17. Februar) gilt der Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union, mit dem laut Bundesregierung „illegale Inhalte schneller entfernt werden“ können. Die EU-Kommission überwacht auf Grundlage des DSA große Online-Suchmaschinen und Plattformen, die von mehr als 45 Millionen EU-Bürgern genutzt werden, darunter Google, Facebook, Instagram, TikTok, LinkedIn, Wikipedia, Apple, Microsoft und Amazon. Das Gesetz für digitale Dienste soll nach Darstellung der EU „das Online-Umfeld sicherer“ machen. Es sieht Pflichten für Online-Plattformen und soziale Medien vor, insbesondere beim „Umgang mit rechtswidrigen Inhalten“ sowie „Hetze und Desinformation“. Kritiker prangern ungenaue Rechtsbegriffe im Gesetz an und sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr.
Der Deutsche Bundestag berät derzeit flankierend das Digitale-Dienste-Gesetz, das die Zuständigkeiten für Deutschland regelt. Diesen Mittwoch (21. Februar) findet eine Expertenanhörung im Ausschuss für Digitales des Bundestages statt. Vorgesehen ist, die Bundesnetzagentur zur Aufsichtsbehörde über die Anbieter in Deutschland zu machen. Dort bereitet sich derzeit ein 20-köpfiger Aufbaustab auf die neuen Aufgaben vor.
Der deutsche EU-Abgeordnete der Piratenpartei Patrik Breyer, der bei der Gesetzgebung mitgewirkt hat, kritisiert, dass das Gesetz die „allgegenwärtige Online-Überwachung“ durch große Unternehmen nicht überwinde. Es seien keine Alternativen zu den „toxischen Algorithmen“ der Plattformen geschaffen worden, durch die die „kontroversesten und extremsten Inhalte“ bevorzugt angezeigt würden. Auch habe man es nicht geschafft, legale Inhalte, darunter Medienberichte, „davor zu schützen, dass sie durch fehleranfällige Upload-Filter oder willkürlich festgelegte Plattformregeln unterdrückt werden“.
Für den Richter im Ruhestand Manfred Kölsch ist der DSA ein „Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung“. Das Gesetz eröffne die Möglichkeit, auch nicht rechtswidrige Beiträge als löschungspflichtig zu deklarieren, schrieb er in einem Beitrag für die Berliner Zeitung. Mit dem Gesetz werde eine europaweite „Kommunikationsüberwachungsbürokratie“ installiert, die dem grundgesetzlich verankerten Föderalismus widerspräche: „Bisher war die Medienaufsicht Ländersache.“ Kölsch spricht von „indirekter Zensur“.
In Deutschland knüpft der DSA an das seit 2017 bestehende Netzwerkdurchsetzungsgesetz an, welches laut Medienrechts-Professor Wolfgang Schulz von mehreren autoritären Regierungen weltweit „kopiert“ wurde, um regierungskritische Äußerungen leichter löschen zu können. Was „Fehlinformationen“ sind, entscheide dort, so Schulz, „im Zweifel die Regierung“.