Durchbruch: Erstes Treffen der Präsidenten Chinas und Taiwans

(03.11.2015/dpa)

Zum ersten Mal seit mehr als sechs Jahrzehnten wollen sich die höchsten Führer Chinas und Taiwans treffen. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Taiwans Präsident Ma Ying-jeou werden am Samstag in Singapur zusammenkommen. Das Treffen gilt als historischer Durchbruch in den angespannten Beziehungen, die seit einem halben Jahrhundert die Nachkriegsordnung in Asien und das komplizierte Verhältnis zwischen den USA und China bestimmt haben.

Es ist das erste Treffen der Führer seit der Machtübernahme der Kommunisten 1949 in Peking und der Flucht der nationalchinesischen Truppen auf die Insel. Die Einladung an Taiwans Präsidenten ist eine Kehrtwende der Führung in Peking, die ein solches Treffen bisher verweigert hatte, um die Regierung der „Republik China“, wie sich Taiwan bis heute offiziell nennt, nicht zu legitimieren. Seit dem Ende des Bürgerkrieges betrachtet Peking die Inselrepublik als abtrünnige Provinz. Die kommunistische Führung will die Wiedervereinigung und droht mit einer gewaltsamen Rückeroberung, sollte sich Taiwan formal für unabhängig erklären.

Die Präsidentengespräche erfolgen nur zwei Monate vor der Wahl am 16. Januar in Taiwan und könnten deren Ausgang beeinflussen. Präsident Ma Ying-jeou kann allerdings nicht für eine dritte Amtszeit antreten. Unter ihm kam es zu einer Annäherung zwischen beiden Seiten, wodurch Handel und Tourismus anstiegen.

Doch diese Politik ist unter den 23 Millionen Taiwanesen stark umstritten, die Kuomintang-Partei des Präsidenten liegt in Umfragen weit hinter der oppositionellen Fortschrittspartei DPP. Der Widerstand eskalierte im vergangenen Jahr in Massenprotesten und einer Besetzung des Parlaments.

Angesichts der schlechten Wahlaussichten hatte die Kuomintang Mitte Oktober ihre erfolglose bisherige Spitzenkandidatin Hung Hsiu-chu durch Parteichef Eric Chu ersetzt. Peking fürchtet einen Sieg der Herausforderin Tsai Ing-wen von der Fortschrittspartei, die ihre Wurzeln in der Unabhängigkeitsbewegung hat. Sie tritt für eine stärkere Eigenständigkeit Taiwans an, während die Kuomintang ebenso wie Peking an einer Wiedervereinigung der beiden Chinas festhalten – wenngleich unter anderen politischen Vorzeichen.

In einer Reaktion auf das erste Präsidententreffen sprach sich Tsai Ing-wen grundsätzlich für einen Dialog mit Peking aus, warnte aber vor einem „geheimen Entscheidungsprozess“. „Die Leute so hastig über ein solch großes Ereignis zu informieren, schadet Taiwans Demokratie“, kritisierte Tsai Ing-wen den Präsidenten.

Beamte des Präsidentenbüros in Taipeh versicherten, es würden bei dem Treffen keine Vereinbarungen unterzeichnet. Auch werde es keine gemeinsame Erklärung geben. Beide Führer wollten sich über die Konsolidierung des Friedens und den Status Quo austauschen.

Die USA, die sich als militärische Schutzmacht Taiwans begreifen, reagierten verhalten auf das geplante Treffen der Präsidenten und begrüßten es vorsichtig in der Hoffnung auf einen „konstruktiven Dialog“.

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