Drohende Staatspleite: Athen fordert EU-Sondergipfel

(27.04.2016/dpa)

Nach dem vorläufigen Scheitern der Gespräche über das griechische Kürzungsprogramm will Regierungschef Alexis Tsipras bei EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel der Euroland-Staaten beantragen. Dies bestätigte ein Sprecher der Regierung in Athen der Deutschen Presse-Agentur. „Das Gespräch mit Tusk wird am Nachmittag stattfinden“, hieß es aus Regierungskreisen dazu. Unklar blieb, ob und wann ein Sondergipfel stattfinden soll. Tusk äußerte sich zunächst nicht zu den Spekulationen.

Die Sozialisten im Europaparlament unterstützten die Forderung nach einem Treffen auf höchster Ebene. Vor dem britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft am 23. Juni müsse eine neue Krise in Griechenland verhindert werden, forderte Fraktionschef Gianni Pittella in Brüssel.

Die Bundesregierung sieht hingegen keinen Anlass für einen EU-Sondergipfel. Auf die Frage, ob jetzt wieder die Staats- und Regierungschefs eine Lösung aushandeln müssten, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Mittwoch in Berlin: „Die Antwort lautet Nein.“ Er verwies auf die Zuständigkeit der Eurogruppe: „Mir ist nichts anderes bekannt.“

Auch Kanzlerin Angela Merkel sieht keine Notwendigkeit für einen EU-Sondergipfel, wie Regierungssprecher Steffen Seibert klar machte: Es gebe ein bewährtes Verfahren mit einer konkret festgelegten Rolle der Eurogruppe. „Daran halten wir fest.“

Die Geldgeberinstitutionen seien in den Gesprächen nicht so weit gekommen, weshalb Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem kein Sondertreffen für diesen Donnerstag angesetzt habe, sagte Schäuble weiter. „Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wird eine Sitzung einberufen werden“. Seine Sprecherin betonte, es sei offen, wann die Gespräche abgeschlossen werden könnten. Die Eurogruppe sei das beschließende Gremium.

„2015 wirft seinen Schatten über die Verhandlungen“, titelte die konservative griechische Tageszeitung Kathimerini nach dem vorläufigen Ende der Verhandlungen. Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia forderte im TV-Sender ERT den Rücktritt von Tsipras: „Das Land kann es sich nicht leisten, den vorigen Sommer nochmal zu erleben“, sagte Mitsotakis. In Athen wird spekuliert, der Regierungschef könnte Neuwahlen ausrufen.

Die Euro-Finanzminister waren zuletzt mit ihrem Vorhaben gescheitert, eine rasche Einigung auf weitreichende Kürzungen des griechischen Staatshaushaltes zu erzwingen.

In Athen herrscht Empörung darüber, dass die Gläubiger auf Betreiben des Internationalen Währungsfonds (IWF) darauf beharren, Griechenland solle neben den im vergangenen Juli vereinbarten Reform- und Sparmaßnahmen im Umfang von 5,4 Milliarden Euro weitere Maßnahmen für rund 3,6 Milliarden Euro treffen. Dieses zweite Paket soll „auf Vorrat“ beschlossen werden und in Kraft treten, falls Athen bis 2018 das gesetzte Ziel nicht erreicht, einen Überschuss von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor Abzug der Kreditzinsen zu erzielen.

Dieses Ziel könne Tsipras’ Regierung politisch nicht schaffen, heißt es aus Regierungskreisen in Athen. Und es passe nicht zu dem, was mit den Europäern im Sommer vereinbart wurde. Athen schlägt eine Art „automatischen fiskalischen Stabilisator“ vor: Verfehle das Land sein Ziel beispielsweise um zehn Prozent, sollten demnach alle Staatsausgaben um zehn Prozent gekürzt werden. Die Gläubiger lehnen das ab und fordern weitergehende Maßnahmen. „Sackgasse“, titelt die linke Zeitung Efimerida ton Syntakton.

Ohne eine Einigung auf das Spar- und Reformpaket können keine neuen Kredite des Eurorettungsschirms ESM nach Athen fließen. Die Staatskasse ist bald wieder leer, allein im Juli muss das krisengeschüttelte Land 2,7 Milliarden Euro zurückzahlen, die es zurzeit nicht hat.

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