Zensur und Meinungsfreiheit

Disziplinarstrafe für kritischen Professor

Landesanwaltschaft Bayern kürzt Michael Meyen das Gehalt / Grund: Mitherausgeberschaft bei Zeitung, der vom Verfassungsschutz „Delegitimierung des Staates“ vorgeworfen wird

Hauptgebäude der Ludwig Maximilians Universität München (Archivfoto von 2017)
Foto: Wikiolo, Lizenz: CC BY-SA, Mehr Infos

11.5.2024: Lesen Sie zum Thema jetzt auch Michael Meyens eigene Stellungnahme

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Die dem Bayerischen Innenministerium nachgeordnete Landesanwaltschaft hat nach knapp einem Jahr Ermittlungen entschieden, die Bezüge von Prof. Michael Meyen für 15 Monate um zehn Prozent zu kürzen. Meyen ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Vorgeworfen wird ihm eine 11.000-Euro-Spende von 2019 an die Rote Hilfe – die vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ beobachtet wird – sowie die Unterstützung der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand. Das Blatt, das die Corona-Politik scharf kritisierte, hatte ihn im Frühjahr 2023 in zwei Ausgaben als Mitherausgeber geführt.

Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz bewertete die Zeitung im Sommer 2023 als „zentralen Akteur“ im Spektrum der „verfassungsschutzrelevanten Staatsdelegitimierung“. Sie sei das „wichtigste Sprachrohr“ für die Verbreitung von „Verschwörungserzählungen und demokratiefeindlicher Propaganda“. Die Süddeutsche Zeitung hatte bereits zuvor, am 31. März 2023, getitelt, Meyen werde „ein Fall für den Verfassungsschutz“. Die Universität hatte daraufhin zunächst beim Landesamt für Verfassungsschutz nachgefragt und anschließend die Disziplinarbehörde eingeschaltet.

Laut der nun erlassenen Disziplinarverfügung wird Meyen vor allem in Haftung genommen für drastische Formulierungen der Zeitungsmacher Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp („Ballweg in Folterhaft gehalten“, „in diesem Land regieren Mörder (…) mit übergroßem Terrorapparat“). Meyen selbst vertrete die These, in Deutschland herrsche eine nur eingeschränkte Meinungsfreiheit und habe „die Legitimation des Staates zumindest in Frage gestellt“, womit er die Verfassungstreue verletze. Die Landesanwaltschaft zitiert dazu unter anderem aus einem Multipolar-Beitrag Meyens aus dem Jahr 2021: „Journalismus und Politik können inzwischen auf ein ganzes Arsenal an Waffen zurückgreifen, wenn ihr Wahrheitsregime angegriffen wird. (…) Die Bundesregierung und ihre Propagandisten sorgen sich allerdings nicht um uns oder um unsere Liebsten, sondern um ihr Wahrheitsregime.“

„Wie frei sind die Gedanken?“ und „Setzt sich die Regierung über die Verfassung hinweg?“, fragte in diesem Zusammenhang jüngst das ZDF und ließ den Verfassungsrechtler Prof. Franz Lindner von der Universität Augsburg zu Wort kommen. Der vom Verfassungsschutz eingeführte Begriff der Delegitimierung des Staates sei, so Lindner, „natürlich in einer Weise unbestimmt“ und „schwammig“, dass die Gefahr bestehe, „dass bereits pointierte, vielleicht auch überspitzte Kritik an Politik, Staat und Regierung als Delegitimierung begriffen würde und damit möglicherweise unzulässig wäre oder ein Fall für den Verfassungsschutz“. Dem Staat und der Regierung komme „keine Deutungshoheit über den Begriff zu.“

Die nun erlassene Disziplinarverfügung ist Ergebnis eines nichtöffentlichen Verfahrens, in dessen Rahmen sich Meyen im August 2023 bei einer Anhörung äußerte und außerdem zwei schriftliche Stellungnahmen einreichte. Auf Multipolar-Nachfrage wollte sich Meyen nicht zur Sache äußern. Gegen die Verfügung kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden.

 

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