Die Rache der Besiegten: Strafe für die Erinnerung an die Sieger
Die hierzulande grassierende Russophobie feiert fröhliche Urständ und zeitigt absurde Folgen. Nicht nur, dass am 9. Mai, dem russischen „Tag des Sieges“, russische und sowjetische Fahnen an sowjetischen Ehrenmälern in der deutschen Hauptstadt verboten waren. Jetzt hat auch die Ehefrau des Alt-Kanzlers Konsequenzen zu spüren bekommen.
Polizisten machten an den Gedenkstätten in Horden Jagd auf jene, die es wagten, eine der verbotenen Fahnen zu zeigen. Und so bestimmen die Verlierer und deren Nachkommen, wie die Sieger und deren Nachkommen der für den Sieg über den Faschismus Gefallenen gedenken dürfen.
Wer sich an diesem Gedenken, an der Erinnerung an die 27 Millionen Sowjetmenschen beteiligt, die Opfer des deutschen faschistischen Vernichtungskrieges wurden, der muss dafür büßen. Dabei machen jene, die wegen des Geschehens in der Ukraine alle Verbindungen zu Russland kappen, sowie ihre Mitläufer auch nicht Halt vor einem ehemaligen Kanzler und dessen Frau: So wurde Alt-Kanzler Gerhard Schröder wegen seiner Verbindung zu Russland das ihm eigentlich zustehende Bundestagsbüro samt Mitarbeitern gekündigt. Ihn gar aus der SPD rauszuwerfen, scheiterte. Und weil er gemeinsam mit seiner Frau Soyeon Schröder-Kim am 9. Mai in der russischen Botschaft an der feierlichen Gedenkveranstaltung zum „Tag des Sieges“ teilnahm, wurde Schröder-Kim nun ihren Job los.
Den hatte sie als Repräsentantin ihres Heimatlandes Südkorea bei der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „NRW GlobalBusiness“ in Nordrhein-Westfalen. Ihre Teilnahme an der Veranstaltung am 9. Mai in Russlands Botschaft reichte aus, ihren Vertrag fristlos zu kündigen, wie es in Medienberichten heißt. Sie sei zuvor darauf hingewiesen worden, dass sie sich nicht „bei politisch sensiblen Themen, insbesondere bezüglich des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine“, äußern dürfe. Das hat Schröders Gattin am 9. Mai in Berlin auch gar nicht getan. Doch allein ihre Teilnahme wurde als „Äußerung“ gewertet und habe so zur Kündigung geführt, wird berichtet.
Nun trifft es sicher keine arme Frau. Andere mussten schon deutlichere Strafen in Kauf nehmen, weil sie angeblich einen Krieg verherrlichen, indem sie an den sowjetischen Sieg über den Faschismus erinnerten. Aber das Geschehen ist nicht ernsthaft und vernünftig zu rechtfertigen. Und es zeigt: Diejenigen, die für solches Treiben verantwortlich sind, und jene, die die Vorgaben umsetzen, machen vor nichts und niemand halt. Es wirkt fast wie die späte Rache der Verlierer an den Siegern, was da geschieht. Dazu gehört, dass alles, was einst zur sogenannten Ostpolitik zählte und dem Ziel der Entspannung und des Friedens gewidmet war, auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt werden soll.
Eine kleine Ironie der Geschichte gibt es bei dem Vorgang: Gerhard Schröder hat als Bundeskanzler selbst den Grundsatz in Erfahrung des Zweiten Weltkriegs missachtet, dass nie wieder von deutschem Boden Krieg ausgehen darf. Er stimmte dem ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach 1945 zu, als die NATO völkerrechtswidrig Jugoslawien angriff. Russische Politiker warnten damals schon vor den weitreichenden Folgen. Das sollte nicht vergessen werden. Doch auch das ist keine Rechtfertigung für den derzeitigen Umgang mit einem Politiker, der sich für etwas einsetzte im Verhältnis zu Russland, für das mancher seiner Vorgänger schon eintrat: friedliche Koexistenz mit Verständigung und Zusammenarbeit. Wäre das nicht aufgegeben worden, wäre der Krieg nicht in die Ukraine getragen worden.
Nun wird anscheinend auch die Erinnerung daran bestraft, nebst der an die Tatsache, dass der bisher letzte Versuch, „Russland zu ruinieren“, mit Tod und Zerstörung auch für jene endete, die ihn unternahmen. All diese Vorgänge müssen als das bezeichnet werden, was sie mit Blick auf die deutsche Geschichte sind: eine Schande. Eines Tages werden die dafür Verantwortlichen hoffentlich zur Verantwortung gezogen.