Iran-Atomabkommen

Die Heuchelei des Westens zum Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine

Moskaus äußerst effektiver Einsatz iranischer Drohnentechnologie in der Ukraine hat eine heftige Gegenreaktion Washingtons und seiner NATO-Verbündeten ausgelöst. Die Kritik an Teheran für die Lieferung von Drohnen und in Zukunft möglicherweise ballistischen Raketen an Russland zeugt jedoch von erstaunlicher westlicher Heuchelei.

Parade zum Tag der iranischen Armee in Teheran – hier wurden die neuesten Drohnen vorgeführt. 18. April 2022
Foto:Hamid Vakili, Lizenz: CC BY-SA, Mehr Infos

Die Forderungen nach einer Untersuchung des Einsatzes iranischer Drohnen in der Ukraine bis hin zu weiteren Sanktionen gegen Teheran sind in der westlichen Öffentlichkeit mittlerweile weit verbreitet. Sowohl Russland als auch Iran haben öffentlich bestritten, dass derartige Drohnentechnologie zum Einsatz kommt – Behauptungen, die Kiew und Washington empört haben. Sicher ist, dass Russland auf dem Schlachtfeld effektiv Drohnen einsetzt, und es ist bekannt, dass Moskau über kein eigenes Drohnenprogramm verfügt. Die Aufnahmen der eingesetzten Drohnen wurden von Experten analysiert, die alle zu dem Schluss kommen, dass es sich um Modelle aus dem iranischen Drohnenprogramm handelt.

Die Vereinigten Staaten beschuldigen nun Russland und den Iran, mit dem Einsatz iranischer Drohnen gegen internationales Recht zu verstoßen, und berufen sich dabei auf die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats, mit der das Iran-Atomabkommen als rechtmäßig bestätigt wurde. Die USA und ihre NATO-Verbündeten beschuldigen Moskau, die Drohnen für Angriffe auf das ukrainische Stromnetz und zivile Ziele einzusetzen. Es steht zwar außer Frage, dass die Drohnen bei der Zerstörung von etwa einem Drittel des ukrainischen Stromnetzes eine wichtige Rolle gespielt haben, doch gibt es noch keine Beweise dafür, ob auch Zivilisten mit iranischen Lenkwaffen angegriffen wurden.

Die westliche Heuchelei geht weiter …

Von der US-Regierung und dem US-Militär wird oft behauptet, der Krieg in der Ukraine sei der Schlüssel zum Überleben dessen, was sie als „regelbasierte internationale Ordnung“ oder „neue Weltordnung“ bezeichnen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden ist. Während die Behauptungen, die USA seien der Anführer der „freien“ und „zivilisierten“ Welt, in der Vergangenheit ausgiebig untersucht wurden, ist es jetzt, nach dem Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine, notwendig, sich mit neueren Anschuldigungen auseinanderzusetzen.

Der empörendste Ansatz, den wir in letzter Zeit aus dem Westen zu hören bekommen haben, sind die aktiven Forderungen, dass Iran für die Weitergabe von „Loitering Weapons“ (Kamikaze-Drohnen) an Moskau sanktioniert werden solle. Die Verrücktheit dieses Arguments rührt nicht von der Überlegung her, dass allein die Tatsache, dass Iran die Technologie an Russland liefert, mit Wirtschaftssanktionen geahndet werden sollte, sondern leitet sich vielmehr aus der Tatsache ab, dass das Atomabkommen von 2015 – das zwischen Iran und den USA unterzeichnet wurde – derzeit als rechtliche Begründung für solche Sanktionen angeführt wird. Nicht nur, dass das Atomabkommen von 2015 Iran die Möglichkeit einräumt, Gegenmaßnahmen gegen die USA zu ergreifen, wenn bestimmte Bestimmungen nicht eingehalten werden, sondern das Atomabkommen selbst ist seit Mai 2018 tot. Es waren die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich einseitig aus dem Atomabkommen zurückgezogen haben, nur um die Sanktionskampagne „maximaler Druck“ zu verhängen, die vom Internationalen Gerichtshof als illegal kritisiert wurde.

US-Präsident Joe Biden hat während seiner Wahlkampagne für das Jahr 2020 versprochen, das Abkommen wiederzubeleben, hat aber nur die Islamische Republik Iran weiter sanktioniert und keinen Kompromiss gefunden – auf Kosten von Washingtons NATO-Verbündeten. Die Behauptung, Teheran verstoße gegen ein Abkommen, das die USA ohne jeden sachlich gerechtfertigten Grund aufgekündigt haben, ist der Gipfel der Heuchelei und entspricht einmal mehr dem Ansatz der USA, „eine Regel für dich, aber nicht für mich“. Von allen Argumenten, die man gegen Iran wegen der Lieferung von Drohnentechnologie an Russland vorbringen könnte, ist diese Argumentation vielleicht die absurdeste und scheint leider dazu benutzt worden zu sein, die Argumentation der Biden-Administration zu untermauern, die es versäumt hat, das Wahlversprechen des Präsidenten einzuhalten.

Hinzu kommt die Verurteilung Teherans wegen der Unterstützung der russischen Kriegsanstrengungen, die in den westlichen Medien häufig mit der Beteiligung Irans an terroristischen Handlungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung gleichgesetzt wird. Auch hier könnte die Ironie nicht größer sein, denn der Westen hat der Ukraine immer wieder militärische Unterstützung in zweistelliger Milliardenhöhe geliefert, die von der Ukraine – die von führenden Menschenrechtsorganisationen der Ermordung von Zivilisten beschuldigt wurde – eingesetzt wird. Solange die Ereignisse des Krieges in der Ukraine nicht von offizieller Seite untersucht worden sind, lässt sich nur schwer feststellen, welche Waffen für welche Verbrechen von welcher Seite eingesetzt wurden, aber es steht fest, dass die NATO die ukrainischen Streitkräfte, die Angriffe verüben, bei denen Zivilisten getötet werden, ausgebildet und ausgerüstet hat. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit die NATO und ihre Verbündeten faschistische Gruppierungen ausgebildet, bewaffnet und herangezogen haben, die inzwischen die ukrainischen Streitkräfte beherrschen.

Da die US-Regierung aktiv anti-iranische Terrorgruppen wie die Mudschaheddin e-Khalq (MEK/MKO) unterstützt und seit Jahrzehnten daran arbeitet, Unruhen in Iran zu schüren, sind Behauptungen über eine iranische Einmischung in auswärtige Angelegenheiten schwache Argumente, die von den USA kommen. Da die USA ihre eigene illegale Besetzung eines Drittels des syrischen Territoriums fortsetzen, Waffen an skrupellose Regime wie Israel und Saudi-Arabien verkaufen und liefern und darüber hinaus seit jeher mit Al-Qaida verbundene Organisationen im gesamten Nahen Osten unterstützen, besitzt Washington nicht die moralische Autorität, mit dem Finger auf Iran zu zeigen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, nicht um ein „Dummschwätzer“-Argument zur Verteidigung Teherans vorzubringen, sondern um ein Argument dafür zu liefern, warum die Berichterstattung der westlichen Medien zu diesem Thema und die Dämonisierung Irans unaufrichtig ist.

Während des gesamten Krieges in der Ukraine haben die mit den NATO-Staaten verbündeten Medien unkritisch westliche Militärgeneräle und Politiker interviewt, und zwar in einer Art und Weise, die nur dann als kritisch bezeichnet werden kann, wenn die Journalisten oder Nachrichtensprecher selbst eher pro-ukrainisch und kriegsbefürwortend sind als die Vertreter ihrer Regierung und ihres Militärs selbst. Ständig ist von russischer und iranischer „Desinformation“, „Propaganda“ und „Fake News“ die Rede, doch sowohl russische als auch iranische Medien sind in der gesamten westlichen Welt verboten, in Europa am stärksten zensiert, und es wird nie versucht, eine auch nur annähernd ausgewogene Berichterstattung über Themen zu präsentieren, die Teheran oder Moskau betreffen. Politiker und Militärs sollten von den Medien hinterfragt werden, doch wenn diese vermeintlichen Journalisten sich unhinterfragt auf die Seite eben jener Politiker stellen, die sie eigentlich zur Rechenschaft ziehen sollen, dann ist klar, dass sie eine Form von Propaganda betreiben.

Das Problem ist nicht die Propaganda an sich, sondern die Tatsache, dass die westlichen Medien die meiste Zeit damit verbringen, so zu tun, als sei es keine Propaganda, und dieser unaufrichtige Ansatz ist es, der ihr jegliche Authentizität raubt. Ein Blick auf die Propaganda kann uns viel darüber verraten, was eine der beiden Seiten in einem Konflikt als Methodik, Ideologie und/oder Rechtfertigung für ihr Vorgehen gegen den Feind angibt, daher ist Propaganda für den kritischen Beobachter nützlich. Die Berichterstattung der westlichen Medien ist jedoch in den meisten Fällen nicht von solchem Nutzen. Die westlichen Medien haben die journalistische Landschaft erneuert, indem sie Propaganda mit fiktiven multimedialen Darbietungen verschmolzen haben, indem sie Erzählungen produzieren, die in eine Art Mittelweg zwischen den Erzählungen beider Seiten fallen, und indem sie stattdessen eine konstruierte Geschichte erfanden, die auf Halbwahrheiten zurückgreift, um eine Seite zum Helden und die andere zum Bösewicht zu machen. In diesem von ihnen geschaffenen Paralleluniversum haben sie das erfunden, was ich den „westlichen Filter“ nenne, d. h., anstatt dem Konsumenten den wahren Grund für die Seite zu nennen, den er einnehmen soll, gelingt es ihnen, eine Propaganda-Version der Realität zu erfinden, die die Darstellung der einen Seite leichter glaubwürdig macht. Das Problem ist, dass es sich dabei um eine fiktive Geschichte handelt, nicht um Nachrichten, und dass sie für den Massenkonsum nicht ernst genommen werden sollte.

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Dieser Artikel erschien zuerst am 26. Oktober 2022 bei The Last American Vagabond unter dem Titel

The Hypocrisy Of The West On Iranian Drone Usage In Ukraine

Übersetzung: Hintergrund

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