Bulgarien: Rückzug der Regierung nach Massenprotesten

(20.02.2013/dpa)

Massenproteste haben in Bulgarien den Rückzug der bürgerlichen Regierung erzwungen. Nach neuen schweren Ausschreitungen reichte Ministerpräsident Boiko Borissow am Mittwoch seinen Rücktritt und die Demission des gesamten Kabinetts ein. „Es möge das Volk entscheiden“, erklärte der 53-Jährige im Parlament. „Ich werde nicht an einer Regierung teilnehmen, wenn die Polizei sich mit den Leuten schlagen muss.“

Bei Protesten in der Hauptstadt Sofia war es am Dienstagabend erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen. Mehrere Menschen wurden verletzt, die Polizei nahm Demonstranten fest, die Rauchbomben, Knallkörper und leere Flaschen auf die Sicherheitskräfte warfen. Die Proteste, die das Land seit Tagen in Atem halten, richteten sich zunächst gegen die hohen Strompreise, wandten sich dann aber immer stärker gegen die Regierung.

Borissow hatte sein Amt im Juli 2009 mit den Versprechen übernommen, das ärmste EU-Land zu modernisieren, die Einkommen auf mitteleuropäisches Niveau anzuheben und die Korruption wirksamer zu bekämpfen. Wie es nach dem Rückzug der Regierung nun weitergeht, ist offen. Borissow erklärte, dass seine bürgerliche GERB-Partei nicht an einer Interimsregierung teilnehmen werde. Die regulären Parlamentswahlen wären im Juli. Nun ist von vorgezogenen Wahlen Ende April die Rede.

Ursprünglich hatte das Parlament in Sofia am Mittwoch über eine Kabinettsumbildung abstimmen wollen. Auf Druck zehntausender Demonstranten war Finanzminister Simeon Djankow bereits am Montag zurückgetreten. Das hatte den Regierungsgegnern und der Opposition jedoch nicht ausgereicht; sie forderten den geschlossenen Rücktritt der bürgerlichen Regierung, weil sie diese für die Missstände im Lande verantwortlich machen.

Die Parteien begrüßten Borissows Rücktritt mit Erleichterung, verwiesen aber auch auf die zahlreichen ungelösten Probleme. Denn viele Probleme wie die geringen Einkommen, die schlechte Gesundheitsversorgung sowie die Korruption und hohe Arbeitslosigkeit, bleiben weiterhin ungelöst.
Soziologen warnten, dass der Druck der Straße unberechenbar sei. Sollten sich die Menschen nicht integriert fühlen, werde es weitere Proteste geben, warnte der angesehene Soziologe Haralan Aleksandrow im Staatsradio.

Unklar blieb zunächst, bis wann Borissows Regierung als geschäftsführendes Kabinett im Amt bleiben soll und ob andere Parteien mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Sollten diese verzichten, muss Staatspräsident Rossen Plewneliew eine Interimsregierung einstellen.

Drucken

Drucken

Teilen