Bulgarien: Progrome gegen Roma
(28.09.2011/dpa)
Seit Tagen organisieren nationalistische Gruppen in Bulgarien im Internet Proteste gegen die Minderheitengruppe der Roma. Anlass war der Tod eines Jugendlichen bei einem Verkehrsunfall, an dem Roma beteiligt waren. Der Fahrer des Minibusses gehört zum Kreis des Roma-Bosses „Zar Kiro“ (König Kiro). Aufgebrachte Dorfbewohner hatten dessen drei Häuser in Katuniza bei Plowdiw niedergebrannt.
In rund 20 Städten, darunter Plowdiw und Burgas am Schwarzen Meer, ist es zu Aktionen gekommen, die in der Regel nicht von den Behörden genehmigt wurden. Der rassistische Mob fordert die „Vertreibung der Roma aus Bulgarien“ und skandiert Parolen wie „Zigeuner zu Seife!“.
Am Kulturpalast der Hauptstadt Sofia hatten sich am Dienstag mehrere Hundert nationalistisch und rassistisch gesinnter Demonstranten versammelt, um zum Parlament zu marschieren. Auch in der Schwarzmeerstadt Warna gab es einen Protestmarsch – vor allem aus Jugendlichen. Das Polizeiaufgebot am Parlament in Sofia sowie im Zentrum von Warna war sehr massiv. Mehrere Hundert Menschen sind festgenommen worden.
Auch knapp fünf Jahre dem EU-Beitritt gehören die Roma zur ärmsten Bevölkerungsschicht in Bulgarien. Ihre geringen Chancen, einen Job zu finden, sind Folge einer schlechten oder gar fehlenden Ausbildung. In der Krise stieg die Kriminalität auch unter den Vertretern dieser Minderheit. „Die Roma werden für alles beschuldigt2, klagt die Moderatorin der TV-Sendung „Die Welt der Roma“, Kremena Budinowa. Dazu kommt nun die Angst vor den Nationalisten. „Die Roma schlafen nicht mehr und lassen ihre Kinder nicht zur Schule gehen“, sagt Budinowa.
Die Anti-Roma-Proteste überschatteten nun auch den Auftakt des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahl am 23. Oktober. Staatspräsident Parwanow warnte vor der Versuchung, den Wahlkampf „ethnisch zu prägen“. Doch für die extrem nationalistische Ataka-Partei kam der neu entflammte Konflikt mit der Roma-Minderheit sehr gelegen. Die in der Volksversammlung in Sofia und auch im EU-Parlament vertretene Ataka forderte die Wiedereinführung der Todesstrafe als Maßnahme gegen die „Roma-Kriminalität“.