Britische Regierung wusste seit März 2020 von möglichem Laborursprung des Coronavirus
Ex-Direktor des MI6 informierte Regierung frühzeitig / Geheimdienstchef vermutete Absprachen, um Diskussion über Corona-Ursprung zu verhindern / Informeller Austausch zwischen Robert Koch-Institut und Bundesnachrichtendienst bereits im Dezember 2019
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Die britische Regierung wusste bereits im März 2020 von einer möglichen Laborherkunft des Virus SARS-CoV-2. Richard Dearlove, bis 2004 Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, hatte laut eines Berichts der Tageszeitung „Daily Mail“ (16. März) dem damaligen Premierminister Boris Johnson ein geheimes Dossier gesendet. Demnach bestehe „kein vernünftiger Zweifel“ daran, dass das Virus aus einem Biowaffen-Labor im chinesischen Wuhan stamme. Die Theorie eines natürlichen Ursprungs bezeichneten die Verfasser darin als chinesisches Manöver, „um die Schuld von sich zu weisen“.
Dearlove äußerte demnach gegenüber dem britischen Innenministerium die Vermutung, dass die „wissenschaftlichen Einrichtungen in den USA und im Vereinigten Königreich sich abgesprochen haben, um eine Diskussion über den Ursprung der Covid-Pandemie zu verhindern“. Laut einem von der „Daily Mail“ namentlich nicht genannten Mitarbeiter Johnsons soll der damalige Wissenschaftsminister Patrick Vallance, ein erklärter Gegner der Laborthese, die Ergebnisse des Dossiers in Abrede gestellt haben. Als Grund dafür vermutet die anonyme Quelle eine Loyalität gegenüber der US-Regierung. Diese hatte sich über Anthony Fauci, dem medizinischen Chefberater von US-Präsident Joe Biden, in Wuhan finanziell an der Gain-of-Function-Forschung beteiligt, bei der unter anderem die Infektiösität von Erregern künstlich gesteigert wird.
Der deutsche Philosoph Michael Andrick wies in einem Artikel für das Online-Magazin „Nius“ (19. März) darauf hin, dass seit mehr als drei Jahren öffentlich bekannt sei, dass ein „US-finanziertes Forscherkartell“ seit Anfang 2020 versuche, die Öffentlichkeit über die Herkunft des Virus „in die Irre zu führen“. In den USA freigeklagte E-Mails belegten, dass Anthony Fauci, Christian Drosten und weitere internationale Virologen sich absprachen, um wider besseren Wissens die Laborherkunft öffentlich als „Verschwörungstheorie“ zu diskreditieren. Die Berichte aus London decken sich zudem mit einer Veröffentlichung des US-Journalisten Seymour Hersh (30. Januar), wonach der Auslandsgeheimdienst CIA nicht erst seit Anfang 2024 von einem Laborunfall ausgeht, sondern bereits Ende 2019 vor einem solchen gewarnt worden sein soll.
Der Beitrag in der „Daily Mail“ erschien vier Tage, nachdem deutsche Medien einen vergleichbaren Hinweis des Bundesnachrichtendienstes (BND) aus dem Jahr 2020 publik gemacht hatten. Im Bericht von „Süddeutscher Zeitung“ und „Zeit“ wird jedoch nicht eindeutig datiert, in welchem Monat der deutsche Geheimdienst die Bundesregierung informiert habe. Die Volksrepublik China hat den BND-Bericht zurückgewiesen und ihn als „politisches Manöver“ bezeichnet.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags hat die Bundesregierung zuletzt aufgefordert, alle vorliegenden Erkenntnisse zum Corona-Ursprung zu veröffentlichen. Die Einschätzung des BND könnte auch für die im März 2020 geänderte Risikobewertung von SARS-CoV-2 eine entscheidende Rolle spielen. Multipolar hatte in diesem Zusammenhang bereits auf die informellen Kontakte verwiesen, die zwischen dem damaligen Leiter des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und dem Präsidenten des BND, Bruno Kahl bestehen. Wie der Journalist Georg Mascolo in seinem Buch „Ausbruch – Innenansichten einer Pandemie“ schreibt, soll Wieler den BND-Chef bereits zum Jahreswechsel 2019/2020 gebeten haben, „die Sache mit China im Blick“ zu behalten. Die „Frankfurter Allgemeine“ berichtete kürzlich, die beiden hätten sich Ende Dezember 2019 „über Wuhan unterhalten“. Wieler habe sich in der Vergangenheit „stets sehr zurückhaltend dazu geäußert“, sagte der Zeitung jetzt aber: „Die Laborthese halte ich mit dem aktuellen Wissensstand für wahrscheinlicher.“
Auf Nachfrage von Multipolar zum BND-Bericht heißt es vom Bundesgesundheitsministerium, man kenne „den Inhalt der berichteten Untersuchungen nicht, war in den Vorgang und die Entscheidungen nicht einbezogen und kann sie daher auch nicht kommentieren.“ In der Antwort auf eine kleine Anfrage vom Oktober 2022 hatte das Ministerium festgehalten, dass am RKI, am Friedrich-Löffler-Institut und am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin keine Gain-of-Function-Forschung mit dem Ziel durchgeführt werde, „Erregern der Risikogruppe 4 zusätzliche oder erweiterte Fähigkeiten zu verleihen, die für den Menschen oder die Umwelt eine Gefahr darstellen könnten.“ Dennoch nannte das Ministerium eine „solche risikobehaftete Forschung sinnvoll, wenn sie der einzige Weg ist, um zum Beispiel Frühwarnsignale für sich entwickelnde Pathogene mit pandemischem Potential zu identifizieren“.
Der Verein „Gesellschaft für Virologie“ (GfV), in dessen Beirat Christian Drosten tätig ist, hält in einer aktualisierten Stellungnahme auf seiner Website aus demselben Grund an der Notwendigkeit der Gain-of-Function-Forschung fest. Eine „ganzheitliche Aufschlüsselung der komplexen Pathogenitätsmechanismen“ sei „nur durch Experimente mit infektiösen Viren“ möglich. Die Forschung sei daher „entscheidend bei der internationalen Vorbereitung auf zukünftige Pandemien (‚Pandemic preparedness’)“. Laut der Gesellschaft führten Gain-of-Function-Experimente „in der Regel nicht“ zu einer erhöhten Pathogenität. Die „sicherheitsrelevante Forschung“, bei der das doch der Fall sei, sei entsprechend „zusätzlich reguliert“. Auf Anfrage von Multipolar verweist die GfV auf eine weitere Stellungnahme, darin heißt es: Die GfV könne „anhand der derzeitigen Berichterstattung keine weitere Einschätzung darüber abgeben, wie wahrscheinlich ein nicht natürlicher Ursprung von SARS-CoV-2 ist“.