Corona-Aufarbeitung

Brandenburger Regierungsparteien planen Enquete-Kommission

Gremium soll Verhältnismäßigkeit und Effektivität von Corona-Maßnahmen überprüfen / BSW: Opfer der Maßnahmen-Politik werden zu Wort kommen / AfD: Antrag geht nicht weit genug

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Die brandenburgischen Landtagsfraktionen von SPD und BSW wollen eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Krise einsetzen. Das Gremium soll den Titel: „Lehren aus der Coronapandemie zur Analyse und Aufarbeitung staatlicher Maßnahmen sowie zur Stärkung der Krisenresilienz des Landes Brandenburg“ tragen. Der entsprechende Antrag zur Einsetzung soll vom Parlament in Potsdam in der Sitzung am 23. Januar beschlossen werden. Aufgabe der Kommission ist laut Antrag unter anderem die Bewertung der Verhältnismäßigkeit und Effektivität von Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Schul- und Geschäftsschließungen, G-Regeln, Ausgangsbeschränkungen sowie der Impfkampagne und der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Auch die damaligen staatlichen Eingriffe in Freiheitsrechte und ein mögliches „Corona-Amnestie-Gesetz“ für Brandenburg sollen bewertet werden.

Der BSW-Landtagsabgeordnete Christian Dorst sagte gegenüber Multipolar, Ziel der Kommissionsarbeit sei es auch, zum Thema Corona wieder Frieden in die Gesellschaft zu bringen. Außerdem sollen Menschen in den Anhörungen Gehör finden, die unter Corona-Maßnahmen und deren Nachwirkungen teils bis heute leiden, deren Leid öffentlich bislang aber kaum wahrgenommen wurde. Ein weiterer wesentlicher Punkt sei die Aufklärung der extremen Datenmangellage in jedem Bereich des Corona-Themas. Nach der Heinsberg-Studie im Frühling 2020 unter der Leitung des Bonner Virologen Hendrick Streeck habe es faktisch keinen Versuch mehr der Bundesregierung gegeben, belastbare Daten zum Coronavirus zu erlangen, kritisierte Dorst. Zudem soll es um die Frage gehen, warum der vorhandene nationale Pandemieplan nicht zur Anwendung kam.

Die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung war eine zentrale Forderung des BSW in den Koalitionsverhandlungen und wurde schließlich im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die Gespräche mit der SPD hierzu seien bislang konstruktiv gewesen, erläuterte Dorst. „In der Brandenburger SPD wächst das Verständnis dafür, dass man um eine Aufarbeitung nicht herumkommt“, erklärte der BSW-Politiker aus Königs Wusterhausen. Gleichwohl sei die parlamentarische Aufarbeitung der Corona-Zeit auch auf Bundesebene nötig.

Alle Sitzungen der Enquete-Kommission werden öffentlich sein, kündigt Dorst an. Jeder Termin werde per Livestream übertragen, was allen Interessierten einen „herrschaftsfreien Diskurs“ ohne Abhängigkeit von der Berichterstattung durch Leitmedien ermögliche. Auch die Tatsache, dass die Kommission nun von der Fraktion der Regierungspartei SPD beantragt wird, werde es den etablierten Medien erschweren, die Arbeit des Gremiums zu ignorieren. Er hofft, dass die Enquete-Kommission noch vor der Sommerpause mit ihrer Arbeit beginnen kann.

Sie werde neun Mitglieder entsprechend der Zahlenverhältnisse im Landtag haben: jeweils drei Abgeordnete von SPD und AfD, einer von der CDU und zwei vom BSW. Dorst werde eines der beiden BSW-Mitglieder sein. Jede Fraktion könne sich in der Kommission zusätzlich von einem nicht-stimmberechtigten Sachverständigen unterstützen lassen. Alle vier Landtagsfraktionen haben das Recht, Menschen zur Anhörung einzuladen, erklärte der 54-jährige Bauunternehmer. Im Gegensatz zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss fänden die Anhörungen aber nicht unter Eid statt und die Eingeladenen seien nicht verpflichtet, zu erscheinen.

Im Brandenburger Landtag gab es bereits zwei Untersuchungsausschüsse zum Thema Corona. Beide waren von der AfD initiiert worden. Unter anderem mussten am 1. September 2023 der damalige Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler und die Abteilungsleiterin für Arzneimittelsicherheit am Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Brigitte Keller-Stanislawski zur Aussage vor dem Ausschuss erscheinen.

Lars Hünich, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag, sagte Multipolar, seine Partei habe in beiden Ausschüssen feststellen können, dass die Regierung während der Corona-Krise ein nicht erklärbares, „riesiges Problem“ bei der Erfassung von medizinischen Daten hatte. Bei der AfD vermute man, die Regierung wollte die Daten nicht erheben, weil sie wusste, dass sich die deklarierte pandemische Lage in den tatsächlichen Daten nicht abbilden ließ. Die Corona-Maßnahmen seien weder erforderlich noch angemessen gewesen.

Hinsichtlich der angestrebten Enquete-Kommission ist sich die AfD-Fraktion Hünich zufolge noch unschlüssig. Die formulierten Aufgaben der Kommission seien „der fünfte Schritt vor dem ersten“. Zuvor müssten die „politischen Verwerfungen“ der Jahre 2020 bis 2022 geklärt werden, sagt er. Allerdings biete die angestrebte Kommission auch die Option etwas „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Bei den zu diskutierenden Themen würden die AfD das Thema „Impfung“ priorisieren. Wichtig sei seiner Partei, erklärt Hünich, dass Politiker zukünftig keinen Einfluss auf evidenzbasierte medizinische Erkenntnisse haben. Dies müsse im Pandemie- und Katastrophenschutzplan verankert werden. Die AfD plane einen Änderungsantrag, da ihr der Antrag von BSW und SPD nicht weit genug gehe. „Uns fehlen hier explizit Kinder und Jugendliche. Genauso fehlen explizit die Senioren, wenn wir an die Situation in den Altenheimen 2020-2021 denken. Auch die Polizeigewalt muss nochmal auf den Tisch.“

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