Bosnien: Demonstranten fordern Revolution

(10.02.2014/dpa/hg)

Nach den schweren Gewaltausbrüchen in Bosnien-Herzegowina sind auch am Wochenende wieder Tausende Menschen auf die Straße gegangen. In Sarajevo und Bihac forderten die Demonstranten eine „politische Revolution“ sowie die Rücktritte von korrupten Politikern, die aus ihrer Sicht an der Misere schuld sind.

Bei den Protesten waren zuvor mehr als 200 Menschen verletzt worden. Zahlreiche Rathäuser und Parteizentralen gingen ebenso in Flammen auf wie Regierungsgebäude und Polizeifahrzeuge. Die Schäden gehen nach ersten Schätzungen in die Millionenhöhe.Die Demonstranten erzielten mit ihren Forderungen bereits erste Erfolge: Drei der elf regionalen Regierungschefs traten zurück, ein vierter setzte sich ins benachbarte Kroatien ab. Am Sonntag forderten die Protestierer auf Transparenten die Abschaffung der teuren, korrupten und schwerfälligen Bürokratie in den elf Kantonen und den Rücktritt weiterer Politiker.

Der internationale Bosnien-Beauftragte, der österreichische Diplomat Valentin Inzko, unterstützte diese Forderung indirekt mit dem Hinweis, allein in der von Muslimen und Kroaten kontrollierten Landeshälfte gebe es 150 Minister. Auch der frühere kroatische Präsident Stjepan Mesic nannte den Friedensvertrag von 1995 als einen Hauptgrund für die bosnische Misere, weil damit praktisch eine lebensunfähige Verwaltungsstruktur geschaffen worden sei.

Eine weitere zentrale Forderung ist die Angleichung der Politiker-Einkommen an die äußerst niedrigen Durchschnittslöhne, die nach offiziellen Angaben umgerechnet 423 Euro betragen. Doppelt so viel wäre für das Existenzminimum notwendig, teilte der Verband der Konsumentenschützer mit.

„Der Staat steckt in vollständigem Chaos, das System zerfällt“, beschrieb der Kommentator Enver Kazaz in der größten Zeitung des Landes, Dnevni Avaz, die Lage. Er schlug daher den Rücktritt aller regionalen elf Kantonsregierungen und vorgezogene Wahlen vor. Der EU-Beauftragte Inzko ging gegenüber der Wiener Zeitung Kurier noch einen Schritt weiter: „Österreich wird seine Truppen in Bosnien aufstocken. Wenn die Lage eskaliert, werden wir eventuell an EU-Truppen denken müssen.“

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