Baden-Württemberg: Mehrheit gegen Stuttgart 21
(25.02.2013/dpa)
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn empfiehlt dem Unternehmen laut einem Focus-Bericht, neue Mehrkosten für das Großprojekt Stuttgart 21 notfalls von Vertragspartnern wie dem Land und der Stadt einzuklagen. Der Bahnvorstand solle „vertragliche Ansprüche zur Finanzierung aller Mehrkosten oberhalb des Finanzierungsrahmens von 4,526 Milliarden Euro gegenüber den Projektpartnern“ geltend machen, heißt es dem Magazin zufolge in einer vertraulichen Vorlage für die Sitzung des Aufsichtsrats am 5. März. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte gesagt: „Wenn die Bahn von uns mehr Geld will, muss sie klagen.“
Die Bahn will nach Überschreiten des Finanzierungsrahmens von 4,5 Milliarden Euro über zusätzliche Kosten und Risiken von bis zu 2,3 Milliarden Euro verhandeln. Sie hat dazu die sogenannte Sprechklausel gezogen, die Gespräche der Vertragspartner erzwingt.
Die bei einem Ausstieg fälligen Kosten von zwei Milliarden Euro würden laut Focus unter Berufung auf interne Unterlagen der Bahn die Gesamtschulden des Konzerns von heute 16,8 auf bis zu 19,2 Milliarden Euro erhöhen. Ein Weiterbau führe dagegen nur zu einem maximalen Schuldenstand von 17,9 Milliarden Euro.
Zudem sei der Bau des unterirdischen Bahnhofs dem Bericht zufolge mit 3,7 Milliarden Euro Eigenkapital immer noch günstiger als der Ausstieg: Nach Abzug der Kosten dafür blieben der Bahn 1,7 Milliarden Euro, mit denen jedoch kein oberirdischer Bahnhof gebaut werden könne, der leistungsfähiger als heute sei. Hinzu kämen neue Planungskosten, steigende Baupreise, Zeitverzögerungen sowie 1,3 Milliarden Euro für die Sanierung des Gleisvorfeldes.
Die Mehrheit der Baden-Württemberger ist laut einer Umfrage gegen Stuttgart 21. 54 Prozent lehnen das Milliardenvorhaben ab, nur noch 39 Prozent befürworten es, berichteten die tageszeitung (taz) und das Internetmedium Kontext:Wochenzeitung am Sonntag auf Basis einer von ihnen bei TNS Emnid in Auftrag gegebenen Umfrage. Bei der Volksabstimmung über Stuttgart 21 im November 2011 hatten noch 58,8 Prozent für das Projekt votiert.
Am Samstag demonstrierten erneut Tausende für den Ausstieg aus S 21 und äußerten mit „Merkel weg“-Rufen ihren Unmut über die Bundeskanzlerin, die sich jüngst für den Weiterbau ausgesprochen hatte.
„Das hätten sich die Verantwortlichen von Stuttgart 21 wohl nicht träumen lassen“, kommentierte die Heilbronner Stimme: „Nicht nur bei der Landtagswahl 2011 war das Milliardenprojekt ein Schlüsselthema, es wird bei der Bundestagswahl im September erneut eine wichtige Rolle spielen.“ Die Zeitung bezeichnete es als „kühn“, „wie weit sich Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble in Sachen Stuttgart 21 in die Offensive wagen“.
Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 erklärt sich die „Kühnheit“ folgendermaßen: „Sie wollen uns schlicht zeigen, wer der Herr im Haus ist, wer die Herrin in der Bundesrepublik ist.“ Stuttgart 21 ist nur noch ein Symbol für Merkels Durchsetzungskraft.