Angeblicher Chemiewaffeneinsatz in Syrien: Kriegsgefahr steigt

(26.04.2013/dpa/hg)

Washington und andere Westmächte haben ihre Warnungen vor einem Chemiewaffeneinsatz durch die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad noch einmal verschärft. US-Geheimdienste behaupten, konkrete Hinweise auf einen derartigen Einsatz seitens der Regierung in Damaskus zu haben. Es könne mit „unterschiedlichen Graden der Sicherheit“ gesagt werden, dass das Gift „in einem kleinen Maßstab“ zur Verwendung gekommen sei, heißt es in einem Brief des Weißen Hauses an den Kongress in Washington, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Es handele sich dabei wahrscheinlich um das Nervengift Sarin. US-Außenminister John Kerry sprach konkret von zwei Fällen, ohne nähere Details zu nennen.

Allerdings sei nicht absolut sicher, dass Machthaber Baschar al-Assad tatsächlich Gift gegen die Rebellen eingesetzt habe. Auch sei nicht klar, unter welchen Bedingungen dies geschehen sein könnte. „Wir glauben, dass jeder Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wahrscheinlich vom Assad-Regime ausging“, heißt es zwar in dem Brief aus dem Weißen Haus. Ein Regierungsbeamter betonte aber, es müssten zunächst eindeutige Beweise dafür vorliegen. „Da die Situation sehr ernst ist, reichen Geheimdiensteinschätzungen allein nicht aus“, sagte er.

Auch die britische Regierung hat nach eigenen Angaben „begrenzte, aber überzeugende Informationen“, dass in Syrien chemische Waffe zum Einsatz gekommen seien. Bereits am Dienstag hatte die israelische Armee von Beweisen für eine Verwendung solcher Stoffe durch die Regierungstruppen gesprochen.

Besondere Bedeutung bekommt diese Debatte, da US-Präsident Barack Obama im August 2012 den Einsatz von Chemiewaffen als jene „rote Linie“ bezeichnet hatte, deren Überschreiten eine militärische Intervention in Syrien notwendig mache. Insofern könnten die nun veröffentlichten Geheimdienstinformationen den Auftakt für ein direktes Eingreifen der Vereinigten Staaten im Verbund mit anderen westlichen Staaten bedeuten.

Gleichwohl geben sich sowohl das Weiße Haus wie auch der britische Premier David Cameron zunächst zurückhaltend: Aus Washington hieß es, dass zwar alle Optionen auf dem Tisch lägen, aber ein Militäreinsatz nicht unmittelbar bevorstehe. Geheimdiensteinschätzungen dürften nicht mit einer politischen Entscheidung verwechselt werden. Auch Cameron sagte in einem Gespräch mit der britischen BBC, er sei dagegen, Truppen seines Landes nach Syrien zu schicken und dergleichen stehe auch nicht bevor.  

Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass der behauptete Chemiewaffeneinsatz in zwei Punkten zu einem verstärkten Engagement des Westens in Syrien führen könnte. Zum einen gewinnt die von der syrischen Opposition seit langem geforderte „Flugverbotszone“ Fürsprecher. Zum anderen könnte eine Aufweichung der bisher skeptischen Haltung einiger europäischer Länder zu Waffenlieferungen an die Rebellen folgen. Vor allem Großbritannien und Frankreich hatten sich in den vergangenen Monaten dafür stark gemacht, den Anti-Assad-Kräften modernes Kriegsgerät zukommen zu lassen, mehrere EU-Staaten, darunter Österreich und Deutschland, sprachen sich dagegen aus. 

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Syrien erneut auf, die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen in das Bürgerkriegsland zu lassen und ihnen «vollen und uneingeschränkten Zugang» zu gewähren.

Indessen bleibt unklar, ob überhaupt ein Chemiewaffeneinsatz stattgefunden hat und sollte das der Fall sein, welche der beiden Seiten sein Urheber war. Die Geheimdienstinformationen bleiben vage, Cameron selbst sagte der BBC, dass es „begrenzte Beweise“ für einen solchen Einsatz gebe, und dieser „vermutlich“ vom Regime ausging. Der russische Uno-Botschafter Vitali Tschurkin äußerte Ria Novosti zufolge am Donnerstag, die entstehende Situation erinnere an das „Irak-Szenario“.

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