Absturz einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer löst Besorgnis aus
Mit dem Absturz einer US-Drohne des Typs Reaper über dem Schwarzen Meer in der Nähe der Halbinsel Krim ist es zum ersten Direktkontakt zwischen russischen und US-amerikanischen Flugzeugen gekommen. Während beide Seiten betonen, die direkte Konfrontation unbedingt vermeiden zu wollen, unterscheiden sich die Narrative über den Vorfall und die Seiten geben sich gegenseitig die Schuld.
Am Dienstag ist über dem Schwarzen Meer vor der Küste der Halbinsel Krim eine US-amerikanische Drohne des Typs Reaper abgestürzt. Das unbemannte Flugzeug ist von den auf der Krim stationierten russischen Streitkräften zuvor bemerkt worden, woraufhin sie zwei Flugzeuge des Typs SU-27 entsandten, die die Drohne abfingen. Nachdem sie diese eine Weile begleitet hatten, stürzte die Drohne ins Meer. Soweit der Hergang der Geschehnisse, wie ihn beide Seiten bestätigen.
Was konkret zum Absturz der US-Drohne geführt hatte – da beginnen die Narrative zu divergieren. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums hat es weder einen Einsatz von Waffen, noch sonstigen direkten Kontakt zwischen den russischen Flugzeugen und der US-Drohne gegeben. Die Drohne habe ihre Lenkfähigkeit verloren und sei im Ergebnis von abruptem Manövrieren abgestürzt. Die US-Version dessen, was am Dienstagmorgen um 9 Uhr MEZ zum Absturz der Reaper geführt hatte, liest sich freilich anders. So erklärte das regionale Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart, die russischen Kampfjets hätten die US-Drohne 30 bis 40 Minuten begleitet und zunächst Treibstoff auf sie abgelassen. Dann habe ein russischer Flieger die Drohne berührt, wodurch ein Propeller des unbemannten Fluggeräts beschädigt worden und dieses anschließend abgestürzt sei. „Unser MQ-9-Fluggerät führte Routineoperationen im internationalen Luftraum aus, als es von einem russischen Flugzeug abgefangen und gerammt wurde“, sagte US-Luftwaffengeneral James Hacker. „Das führte zu einem Absturz und kompletten Verlust der MQ-9“.
Später räumte die US-Seite ein, dass sie ihre Drohne selbst zum Absturz gebracht habe, als diese unkontrollierbar geworden sei. Die Schuld an dem Vorfall sieht die US-Seite bei Russland. Das Verhalten der russischen Piloten sei unprofessionell, gefährlich und potentiell unökologisch gewesen. Das US-Außenministerium bestellte umgehend den russischen Botschafter Anatolij Antonow ein, um seinen „starken Widerspruch gegen dieses gefährliche, unprofessionelle Abfangen“ der Drohne zum Ausdruck zu bringen. Zuvor hatte US-Botschafterin Lynne Tracy dem russischen Außenministerium in Moskau eine „starke Botschaft“ übermittelt. 1 Nach dem Gespräch mit Karen Donfried, Assistant Secretary of State, die ihm die US-Protestnote überreicht hatte, sagte der russische Botschafter in den USA, man habe „Bemerkungen zu dieser Frage ausgetauscht“ und es habe „einige Meinungsverschiedenheiten“ gegeben. „Ich glaube, es war ein konstruktives Gespräch“, so Antonow gegenüber Journalisten. „Ich habe ihre Bemerkungen gehört und hoffe, dass sie verstanden hat, was ich gesagt habe.“ Die russische Seite habe die USA darüber informiert, dass der Luftraum, in dem der Vorfall geschehen sei, „als Zone der Spezialoperation festgelegt wurde“, bei der Russland deutlich gemacht habe, dass man nicht in sie eindringen dürfe. Bezüglich des Vorfalls selbst sagte der Diplomat, in Russland bewerte man ihn als Provokation. Das unzulässige Agieren der US-Streitkräfte in unmittelbarer Nähe der russischen Grenzen rufe Besorgnis hervor. „Wir verstehen sehr gut, mit welchem Ziel solche unbemannten Kundschafterdrohnen eingesetzt werden. Sie sammeln Informationen, die dann durch das Kiewer Regime verwendet werden, um Schläge gegen unsere Streitkräfte und unser Territorium auszuführen“, so Antonow. Zudem stellte er die Frage in den Raum, was denn die US-amerikanische Reaktion gewesen wäre, wenn eine solche Drohne in der Nähe von New York oder San Francisco aufgetaucht wäre. „Vor allem aber denke ich, dass amerikanische Flugzeuge und Schiffe in der Nähe der russischen Grenzen nichts verloren haben.“ Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums flog die Reaper-Drohne in Richtung Russlands und hatte dabei ihren Transponder nicht eingeschaltet. 2
Während die New York Times von einem ranghohen Pentagon-Mitarbeiter erfahren haben will, dass die Drohne keinerlei Waffen an Bord gehabt hatte, hätte das aber durchaus sein können. Die MQ-9 Reaper kann Waffen von bis zu 1700 Kilogramm tragen. Das können bis zu acht kleinkalibrige Raketen oder zwei schwere Bomben und vier Raketen sein. Ihre maximale Geschwindigkeit beträgt 400 Stundenkilometer und sie kann bis zu 27 Stunden in der Luft bleiben. Sie kann sowohl für den Abschuss feindlicher Flugzeuge als auch im Angriff eingesetzt werden. Eingesetzt wurde die Drohne seit 2007 unter anderem in Afghanistan und im Irak. Dass sie neben der Spionagetätigkeit auch als Waffe dienen kann, lässt die russische Entscheidung, sie abzufangen, bevor sie russisches Territorium erreicht, nachvollziehbar erscheinen. 3
Nach Dafürhalten des Duma-Abgeordneten Aleksej Tschepa erhöht der Vorfall die Spannungen und kann Folgen für die russisch-amerikanischen Beziehungen haben. „Wenn Kampfhandlungen stattfinden, können jegliche Provokationen, jegliche unbedachten Handlungen ernsthafte Folgen nach sich ziehen, das kann man niemals ausschließen. Eine derartige Eskalation birgt immer gewisse Risiken.“ Die USA würden seit Beginn der Spezialoperation mit allen technisch verfügbaren Mitteln russische Stellungen auskundschaften, die Bewegungen der ukrainischen Streitkräfte koordinieren und sie mit allen möglichen Informationen versorgen, so der Abgeordnete. „Derartige Provokationen entlang der russischen Grenzen sind Beleg für die Einmischung des nordatlantischen Bündnisses in und die Teilnahme an diesem Konflikt.“ 4
Trotz der Gefahr einer Verschärfung der Spannungen zwischen Russland und den USA hat Washington nicht vor, von derartigen Spionageflügen zukünftig abzusehen. Das machte John Kirby, Sprecher des Weißen Hauses, deutlich. Das Schwarze Meer gehöre nicht einer bestimmten Nation und die USA würden auch weiterhin tun, was sie im Interesse ihrer nationalen Sicherheit in diesem Teil der Welt täten, so Kirby. Bezüglich des russischen Abfangmanövers sagte der Vertreter des Weißen Hauses: „Wenn das Signal zum Ziel hatte, uns von Flügen über das Schwarze Meer abzuhalten oder es uns auszureden, dann wird es keinen Erfolg haben, denn das wird nicht passieren.“ 5
Es sei nicht das erste Mal, dass unbemannte US-Drohnen an den russischen Grenzen patrouillierten, bestätigt der russische Politologe Konstantin Schadrow. „Unsere Antwort war lange überfällig. Das ist ein Schritt, der den Gegner in Gestalt der NATO weiter von den Grenzen der Russischen Föderation wegschiebt.“ Er sei ein Signal, das der Westen zur Kenntnis nehmen müsse, so Schadrow. Für Russland sei dieser Schritt auch deswegen wichtig gewesen, weil große Zusammenstöße mit der ukrainischen Armee bevorstünden und diese vom Westen bewaffnet werde. Vor diesem Hintergrund habe man die Möglichkeiten des Feindes einschränken müssen, Spionagedaten zu bekommen. „Es wurde doch bereits festgestellt, dass alle Angriffe mit unbemannten Drohnen auf die Krim und die südlichen Gebiete durch Spionageflüge der NATO begleitet werden. Deshalb war es wichtig, sie von unseren Grenzen zu vertreiben. Man kann diesen Vorfall natürlich nicht gleich als Tendenz interpretieren. Aber ich möchte daran glauben, dass der Westen so darauf reagiert, dass er sich von den russischen Grenzen entfernt“, resümiert Schadrow. 6
Die abgestürzte Drohne wollen die USA bergen, sofern das möglich ist. Niemand anders solle das amerikanische Fluggerät in die Hände bekommen, machte Washington deutlich. Wegen der großen Tiefe an der Absturzstelle sei jedoch nicht gesichert, dass eine Bergung durchgeführt werden kann, sagte John Kirby gegenüber CNN. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das machen können. Wir versuchen einzuschätzen, ob wir es bergen können. Eine solche Möglichkeit könnte es auch nicht geben.“ 7 Dass den US-Amerikanern offenbar so viel daran gelegen ist, dass ihre MQ-9 nicht in falsche Hände gerät, lässt nur vermuten, welche sensiblen Informationen oder Waffen möglicherweise an Bord gefunden werden könnten.
Quellen
1 https://taz.de/US-Drohne-und-russischer-Kampfjet/!5922277/
2 https://www.gazeta.ru/army/2023/03/15/16398643.shtml?updated
3 https://iz.ru/1483295/aleksei-ramm-bogdan-stepovoi-roman-kretcul/chto-poseiali-kak-amerikanskii-bpla-zhnetc-okazalsia-na-dne-chernogo-moria
4 https://lenta.ru/news/2023/03/15/stolknovenie/
5 https://iz.ru/1483295/aleksei-ramm-bogdan-stepovoi-roman-kretcul/chto-poseiali-kak-amerikanskii-bpla-zhnetc-okazalsia-na-dne-chernogo-moria
6 https://sevastopol.su/news/kak-rossiyskie-letchiki-dali-po-nosu-bespilotniku-i-dokazali-chto-oni-asy
7 https://www.pnp.ru/in-world/ssha-ne-dostali-oblomki-drona-iz-chernogo-morya-i-vryad-li-smogut.html