Abhörskandal: Paris bestellt US-Botschafterin ein

(24.06.2015/dpa)

Paris lässt nach Enthüllungen über das Abhören mehrerer französischer Präsidenten durch die USA seine diplomatischen Muskeln spielen. Das Land werde keine Machenschaften dulden, die seine Sicherheit infrage stellen, erklärte der Verteidigungsrat am Mittwoch in Paris. Außenminister Laurent Fabius bestellte die US-amerikanische Botschafterin ein. Zudem werde der französische Geheimdienst-Koordinator in die USA reisen, kündigte Regierungssprecher Stéphane Le Foll an.

Nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks hat der US-Geheimdienst NSA die letzten drei französischen Präsidenten abgehört. Neben den Staatschefs Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande sei auch die Kommunikation ranghoher Regierungsvertreter überwacht worden. Wikileaks berief sich auf geheime NSA-Unterlagen. Die US-Regierung lehnte eine konkrete Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.

Der nach den Enthüllungen eilends einberufene französische Verteidigungsrat um Präsident Hollande verurteilte die Spähaktionen der Amerikaner als „inakzeptabel“.

In den von Wikileaks veröffentlichten Dokumenten findet sich unter anderem eine Notiz über ein geplantes Treffen französischer Spitzenpolitiker mit der SPD-Führung in Paris, das die Franzosen aber geheim halten wollten. Dem NSA-Bericht zufolge hatte sich Hollande zuvor über ein Treffen mit Merkel in der Vorwoche beschwert. Es sei reine Show gewesen, substanziell sei nichts erreicht worden.

Frankreichs Premierminister Manuel Valls kritisierte die US-Abhöraktionen als sehr schweren Vertrauensbruch. „Diese Praktiken sind anormal zwischen demokratischen Staaten, die seit langer Zeit Verbündete sind“, sagte er am Mittwoch in der Nationalversammlung in Paris. „Nein, es ist nicht legitim, im Namen der nationalen Interessen die politische Kommunikation seiner engen Verbündeten und ihrer Mitarbeiter zu überwachen.“

Er berichtete von „Emotion und Wut“ unter französischen Spitzenpolitikern. Staatschef François Hollande werde in Kürze mit US-Präsident Barack Obama telefonieren.

Der Verteidigungsrat in Paris verwies darauf, dass die Spähaktionen der NSA schon nach ersten Enthüllungen 2013 zwischen den beiden Regierungen thematisiert wurden. Die USA seien damals Verpflichtungen eingegangen, die respektiert werden müssten. Regierungssprecher Le Foll versicherte am Morgen im Sender iTélé, das Thema nicht überspitzen zu wollen. „Was passiert ist, ist nicht akzeptabel, aber das heißt trotzdem nicht, dass wir in eine Krise kommen.“

Drucken

Drucken

Teilen