Terrorismus

Weltweit gesucht: Das Bin-Laden-Phantom

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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von Elke Groß, Ekkehard Sieker, 16. Juli 2007:

Der El-Kaida-Chef Osama Bin Laden wird von der US-amerikanischen Bundespolizei FBI als einer der meistgesuchten Terroristen geführt. Nach jahrelanger, aber dennoch vergeblicher Suche hat der US-Senat am 13. Juli 2007 eine Gesetzesänderung beschlossen, mit der das Kopfgeld auf Bin Laden verdoppelt wird – auf 50 Millionen US-Dollar, das sind etwa 36 Millionen Euro. Die Summe soll für die Gefangennahme oder alle Informationen, die zur Gefangennahme führen, gezahlt werden. Der Senat legte weiterhin fest, daß das US-Außen- und das Verteidigungsministerium in Abstimmung mit dem nationalen Geheimdienstdirektor alle drei Monate einen Bericht über den Stand der Suche nach Top-Terroristen vorlegen müssen. Berichtet werden soll auch, ob und wie dabei andere Länder mit den USA kooperieren.

Bin Laden gilt den US-Behörden als Drahtzieher zahlreicher terroristischer Anschläge weltweit. So soll er für den ersten Anschlag auf das New Yorker World Trade Center im Jahr 1993 ebenso verantwortlich sein wie für die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania am 7. August 1998, bei denen mehr als 200 Menschen starben. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington wurde Osama Bin Laden für die Amerikaner endgültig zum Staatsfeind Nummer Eins. Präsident George W. Bush und andere Regierungsmitglieder bezeichneten Osama Bin Laden als Hauptverdächtigen. Der El-Kaida-Chef wird seither für die Terroranschläge verantwortlich gemacht, auch wenn ihm eine direkte Beteiligung an der Planung und Durchführung bisher nicht nachgewiesen werden konnte.

Es sei sogar „unwahrscheinlich, daß er Attentate selber plant und organisiert“, heißt es über Bin Laden in der noch im Jahr 2001 im Bertelsmann Verlag erschienen „Chronik aktuell. Der 11. September 2001“. Das habe mit dem „System Bin Laden“ zu tun, erklärt ein nicht mit Namen genannter Verfassungsschützer in derselben Chronik. Denn El-Kaida gleiche „einem Franchiseunternehmen wie McDonald’s: Es gibt eine gut organisierte Zentrale, die alle Mitarbeiter auf die generelle Geschäftsidee einschwört und sie für die Unternehmensziele ausbildet. Aber später könnten die Leute in den Filialen weit gehend selbstständig arbeiten, auf eigenes Risiko Aktionen planen und durchführen. Bei Bedarf bekämen sie logistische und finanzielle Unterstützung von der Zentrale.“ Osama Bin Laden sei „der geistige Brandstifter, der aus der Distanz zusieht und sich freut, wenn die Flammen lodern“.

Daß der El-Kaida-Chef keineswegs nur von weitem zugeschaut habe, sondern vielmehr unmittelbar an den Anschlägen vom 11. September beteiligt war, wußte später das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL zu berichten. Nach Angaben von „amerikanischen und deutschen Sicherheitsexperten“ hätten Bin Laden und seine Leute bereits 1996 überlegt, mit Flugzeugen US-Ziele anzugreifen. Den ursprünglichen Plan, mit Sprengstoff beladene Kleinflugzeuge zu verwenden, habe Bin Laden mit dem Satz „Warum gebrauchst Du eine Axt, wenn Du einen Bulldozer einsetzen kannst“ abgeändert. Das sei nach Überzeugung der Sicherheitsexperten das Startsignal für die Idee, Passagierflugzeuge zu entführen. Außerdem habe Bin Laden persönlich drei der Piloten ausgesucht, und er habe auch die Ziele genannt, die attackiert werden sollten. (DER SPIEGEL, 25. Oktober 2003)

Der El-Kaida-Chef selbst hatte sich einen Tag nach den Attentaten mit einem angeblich authentischen Schreiben an ausgewählte Journalisten zu Wort gemeldet und zunächst jegliche Verantwortung zurückgewiesen. Später tauchten dann weitere Erklärungen und Videobotschaften auf, in denen sich Bin Laden angeblich zu seiner führenden Rolle bei den Anschlägen bekannte. Bin Laden machte auch kein Hehl daraus, daß er die Anschläge für gut heißt. So hat er die Terroranschläge wohl zur „beispiellosen und großartigen Heldentat“ erklärt, wie sich US-Präsident Bush empört. Bush hat seine Rede zum 5. Jahrestag der Anschläge im September 2006 mit zahlreichen Bin Laden-Zitaten gespickt, so als wolle er noch einmal die offizielle Lesart der Ereignisse bekräftigen: El-Kaida hat die Attentate vom 11. September verübt, und Osama Bin Laden – als Chef dieses Terrornetzwerks – ist somit selbstredend der Drahtzieher.

Angesichts der Vehemenz, mit der offizielle Stellen und auch viele Medien bis heute die Verantwortlichkeit von Osama Bin Laden für die Terroranschläge am 11. September 2001 behaupten, verwundert ein Blick in den Fahndungsaufruf des FBI erheblich. Der Chef des El-Kaida-Netzwerks zählt dort zwar zu den meistgesuchten Terroristen. Gesucht wird er jedoch ausdrücklich wegen der beiden Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Außerdem sucht ihn die Bundespolizei als Verdächtigen in weltweit anderen Anschlägen. Die Attentate vom 11. September sind mit keiner Silbe erwähnt. Und das vermutlich aus gutem Grund, denn tatsächlich konnte bis heute kein überzeugender und gerichtsfester Beweis für Bin Ladens Täterschaft vorgelegt werden. Von Zeit zu Zeit taucht in den internationalen Medien auch die Frage auf, ob Osama Bin Laden denn überhaupt noch lebt.

Aber gerade in diesen Tagen sind Bin Laden und seine El-Kaida wieder besonders lebendig, wenn man den US-Geheimdiensten Glauben schenkt. Demnach gibt es ein neues Video vom Terrorchef. Und: Seine Gruppe hat sich – trotz weltweiter Verfolgung durch die US-Truppen – wieder neu organisiert und ist angeblich so stark wie nach den Anschlägen vom 11. September. El-Kaida würde daher glatt den Irak übernehmen, wenn sich die USA jetzt zurückzögen, warnt Präsident Bush und reagiert damit auf das Votum des Repräsentantenhauses, das sich kürzlich erneut für ein Ende der US-Truppenpräsenz im Zweistromland ausgesprochen hatte.

Ja, wenn der Präsident Bin Laden und Co. nicht gehabt hätte, hätte er sie wohl erfinden müssen, um seinen „Krieg gegen den Terror“ überhaupt führen zu können. Ist Osama Bin Laden, noch immer – wie damals im Kampf gegen die Ungläubigen aus der Sowjetunion – auf der Gehaltsliste der CIA und das Netzwerk des Terrors ein entsprechendes Geheimdienst-Konstrukt?

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Anscheinend werden solche gewagten Thesen inzwischen nicht mehr nur von einigen Verschwörungstheoretikern vertreten; das Mißtrauen gegenüber der Bush-Regierung reicht inzwischen bis tief in bürgerliche Kreise im In- und Ausland hinein. So heißt es über Bin Laden in der deutschen Online-Ausgabe des renommierten biographischen Lexikons WHO’S WHO: „Indes gibt es keinerlei Beweise weder für die terroristische Täterschaft Bin Ladens noch für sein Überleben. Statt dessen weisen zahlreiche Vorwürfe darauf hin, daß Bin Laden und die Anhänger der Terrorgruppe El-Kaida ein Produkt geheimdienstlicher Tätigkeiten der USA selbst sind.“
Was sicherlich noch zu beweisen wäre!

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