Vor 75 Jahren brannte der Reichstag
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– Es ist ein immer noch aufzuklärendes Ereignis von historischer aber auch aktueller Bedeutung –
Von Dieter Deiseroth*, Februar 2008:
Das Reichsgericht, mit seinem imposanten historischen Gebäude (1) am Leipziger Simsonplatz, nimmt einen erstrangigen Platz in der deutschen Justizgeschichte ein. Merkwürdigerweise hat noch immer, 60 Jahre nach dem Ende des Gerichts, kein Rechtshistoriker die Zeit und Kraft zu einer umfassenden Darstellung seiner wechselvollen Geschichte gefunden (2).
Das letzte große Strafverfahren, das mit internationaler Beachtung in Leipzig vor dem Reichsgericht geführt wurde, war der Reichstagsbrand-Prozeß vom 21. September bis 23. Dezember 1933. Er endete mit dem am 23. Dezember 1933 verkündeten Todesurteil für den niederländischen Maurer Marinus van der Lubbe. Die vier anderen Angeklagten Torgler, Dimitroff, Taneff und Popoff wurden freigesprochen (3).
In unserem Buch „Der Reichstagsbrand und der Prozeß vor dem Reichsgericht“**, das aus den Beiträgen einer öffentlichen Veranstaltung hervorgegangen ist, die im Dezember 2003 zum Thema „Zum 70. Jahrestag des Reichstagsbrand-Prozesses” im historischen Sitzungssaal des früheren Reichsgerichts und heutigen Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig stattfand, wird der volle Wortlaut des Urteils des Reichsgerichts erstmals publiziert (4). Weder in der Amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt) noch in einer anderen Fachpublikation war der Text bisher zugänglich. Veröffentlicht war lediglich die mündliche Urteilsbegründung, und zwar in dem von Dr. Alfons Sack, dem Verteidiger des Angeklagten Ernst Torgler, herausgegebenen Buch „Der Reichstagsbrand-Prozeß” (5).
Die Urheberschaft für den Brand in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 gehört zu den umstrittensten Fragen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Kaum ein Ereignis des letzten Jahrhunderts hat die deutschen Historiker so intensiv und verbittert streiten lassen. Lange Zeit galt die Erkenntnis als relativ gesichert, die Nazis hätten das Reichstagsgebäude selbst in Brand gesetzt. Die von Nazi-Gegnern, vor allem aus dem Umfeld der KPD im Exil in Westeuropa, herausgegebenen „Braunbücher“ (6) sowie eine im Herbst 1933 in London tagende Internationale Juristenkommission (7) hatten bereits damals Indizien zusammengetragen, die auf eine Brandstiftung aus dem Verantwortungsbereich der Nazis hindeuteten. Dies prägte jahrzehntelang (8) die fast (9) unangefochtene Einschätzung im In- und Ausland.
Während in der DDR die „Nazitäter-Theorie“ bis 1989 unbestritten blieb (10), ereignete sich seit Anfang der 60er Jahre in der BRD und im westlichen Ausland eine große Wende. In einer Spiegel-Serie (11) und in einem nachfolgenden voluminösen Buch (12) entwickelte der niedersächsische Verfassungsschutzbeamte Fritz Tobias auf der Grundlage langjähriger Privatforschungen die These, Marinus van der Lubbe sei doch der alleinige Brandstifter im Reichstag gewesen und habe keine Mittäter gehabt. Er widersprach damit insbesondere den im Urteil des Reichsgerichts vom 23. Dezember 1933 getroffenen Feststellungen. Das Reichsgericht hatte zwar die Täterschaft Marinus van der Lubbes festgestellt, zugleich war es jedoch von der Existenz von Mittätern überzeugt.
Im Urteil heißt es dazu: „An der Vorbereitung und Anlegung dieses Brandes im Plenarsaal sind mindestens ein, wahrscheinlich mehrere Mittäter van der Lubbes beteiligt gewesen. Einer dieser Täter hat das Reichstagsgebäude kurz vor oder nach 21 Uhr durch das Südportal II, das von anderer Hand aufgeschlossen und aufgeriegelt und hinter ihm wieder ordnungsgemäß verschlossen wurde, verlassen und sich eiligen Laufs in Richtung Königsplatz entfernt.“ (13)
Das „Institut für Zeitgeschichte” (nachfolgend: IfZ genannt) (14) in München beauftragte Anfang der 60er Jahre zunächst den Historiker Hans Schneider mit der Erarbeitung einer Tobias-kritischen Studie. Noch vor Fertigstellung dieser Studie entzog das IfZ Hans Schneider 1962 jedoch mit fragwürdigen Begründungen diesen Auftrag wieder. Die – unvollendet gebliebene – Studie Hans Schneiders (Titel: „Neues vom Reichstagsbrand?”) ist erst vor kurzem publiziert worden. (15) Das IfZ übertrug nach der „Ausbootung” Hans Schneiders diese Aufgabe nunmehr Hans Mommsen, der damals als junger Zeithistoriker am IfZ tätig war. Zur großen Überraschung der Fachwelt und der Öffentlichkeit bestätigte Hans Mommsen die von Fritz Tobias entwickelte „Alleintäter-Theorie” und hielt sie für wissenschaftlich gut begründet und überzeugend (16).
Die „Alleintäter-Theorie” wiederum rief andere Zeithistoriker auf den Plan, die Tobias und Mommsen heftig angriffen. Namentlich trat dabei unter maßgeblicher Beteiligung des bekannten Schweizer Historikers Prof. Walther Hofer das so genannte „Luxemburger Komitee“ (17) mit seinem damaligen Generalsekretär E. Calic in Erscheinung. Es trug zahlreiche Belege und Indizien zusammen, die gegen die Thesen von Tobias und Mommsen sprachen. In mehreren Publikationen gelangten Walther Hofer und seine Co-Autoren zum Ergebnis: Die Nazis waren’s (18).
Die Tagungen und Publikationen des „Luxemburg-Komitees”, das in der Anfangsphase von prominenten Wissenschaftlern (19) und Politikern (20) unterstützt wurde, riefen wiederum heftige Gegenattacken der Vertreter der „Alleintäter-Theorie” hervor, die unter anderem auch im Vorwurf bewußter Quellenmanipulationen und Fälschungen gipfelten (21).
Die als Fälscher inkriminierten Historiker um Prof. Walther Hofer wehrten sich ebenso heftig. Sie räumten zwar einige kleinere Ungenauigkeiten in ihren bisherigen Publikationen ein, hielten jedoch an ihrer zentralen These fest und ziehen ihre Kontrahenten ihrerseits der bewußten Manipulation und Mißachtung wichtiger Quellen (22). Unterstützt wurden die „Luxemburger” unter anderem auch von Rechtsanwalt Robert M.W. Kempner, der bis zur Brandnacht Ende Februar 1933 im preußischen Innenministerium gearbeitet hatte, unmittelbar darauf emigrierte, und der nach 1945 als hochrangiger Ermittler in der Anklagebehörde bei der Vorbereitung der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse tätig war (23). Für Kempner, der in den 70er und 80er Jahren im Auftrag von Jan van der Lubbe, des Bruders des hingerichteten Marinus van der Lubbe, mehrere Wiederaufnahme-Verfahren vor Berliner Gerichten und dem Bundesgerichtshof initiierte, war sein damaliger Vorgesetzter, der kommissarische preußische Innenminister Hermann Göring (NSDAP), der Organisator des Reichstagsbrandes (24). Ungeachtet dessen fand die „Alleintäter-Theorie” im In- und Ausland immer mehr Anhänger. Der in unserem Buch abgedruckte Beitrag von Reinhard Stachwitz belegt, daß sie gerade auch in der Schulbuchliteratur nicht ohne Wirkung blieb.
Hermann Graml vom Institut für Zeitgeschichte in München zeichnet in unserem Buch „Der Reichstagsbrand und der Prozeß vor dem Reichsgericht“ in knappen Sätzen diese wechselvolle Debatte der Fachhistoriker um die Täterfrage in Sachen Reichstagsbrand nach und distanziert sich in deutlichen Worten vor allem von Tonfall und Stil vieler Beiträge. Eine künftige Klärung der Täterfrage schätzt er sehr skeptisch ein. Er macht jedoch keinen Hehl daraus, daß nach seiner Einschätzung die Nazis wohl tatsächlich nicht den Brand vom 27. Februar 1933 gelegt oder inszeniert hätten. Dabei stützt er sich maßgeblich auf Tagebucheintragungen von Joseph Goebbels.
Seit einigen Jahren stehen wir vor einer neuen Runde der Debatte (25). Diese stützt sich vor allem auf die nunmehr der Forschung frei zugänglichen Verfahrensakten des Reichsgerichts und des Oberreichsanwalts. Diese Akten waren nach dem 2. Weltkrieg zu einem großen Teil von der sowjetischen Besatzungsmacht im Reichsgericht in Leipzig beschlagnahmt und nach Moskau verbracht worden. Aufgrund einer am 7.4.1982 zwischen dem Direktor des in Moskau ansässigen „Instituts für Marxismus-Leninismus“ beim Zentralkomitee (ZK) der KPdSU, A. G. Jegorow, und dem Direktor des „Instituts für Marxismus-Leninismus“ (IML) beim ZK der SED, G. Heyden, geschlossenen schriftlichen Vereinbarung wurde ein wesentlicher Teil dieser Dokumente – der Vollständigkeitsgrad ist bisher nicht hinreichend festgestellt – im Umfang von 207 Akten mit 50.494 Seiten an das IML beim ZK der SED übergeben und zunächst im Zentralen Parteiarchiv in Berlin aufbewahrt. 1992 wurden sie dann dem Bundesarchiv übergeben (26). Auf dieser neu zugänglichen Quellen-Grundlage haben Zeit-Historiker in den letzten Jahren Schritt für Schritt wichtige Elemente der „Alleintäter-Theorie“ ins Wanken gebracht. Das Münchener IfZ distanzierte sich zwischenzeitlich auch offiziell von einigen Umständen bei der erwähnten – Anfang der 60er Jahre erfolgten – Entbindung Hans Schneiders von seinem Tobias-kritischen Forschungsauftrag (27), vermeidet jedoch bislang weitere Stellungnahmen in der Sache. Die Debatte darüber dauert an (28).
Gibt es neue Fakten, neue Umstände, die die Alleintäter-Theorie gänzlich zu erschüttern oder gar Licht auf die wirklichen Täter und Hintermänner zu werfen vermögen? Zwei Haupt-Protagonisten aus dem Kreis der neuen Kritiker der Alleintäter-Theorie sind Hersch Fischler (29) und Alexander Bahar (30). Beide haben in den letzten Jahren zum einen zahlreiche gravierende Argumentations- und Beweis-Defizite in den Publikationen von Fritz Tobias und Hans Mommsen im Detail herausgearbeitet (31). Zum anderen haben sie die verfügbaren Quellen daraufhin ausgewertet und untersucht, ob sich die Frage nach den Brandstiftern nicht doch beantworten läßt. Hersch Fischler und Alexander Bahar gelangen in ihren neuesten in unserem Buch abgedruckten Beiträgen ungeachtet aller Schwierigkeiten, die mit einer nachträglichen Rekonstruktion eines mehr als 70 Jahre zurückliegenden Geschehens notwendigerweise verbunden sind, ihrerseits zu dem Ergebnis, die Indizienlage spreche relativ eindeutig dafür, daß es tatsächlich die Nazis (so Bahar), gegebenenfalls im Verbund mit deutsch-nationalen Aktivisten (so Fischler), gewesen seien, die an jenem Rosenmontag des 27. Februar 1933 den Reichstagsbrand als politisches Fanal inszeniert hätten.
Es wäre reizvoll gewesen, wenn Fritz Tobias und Hans Mommsen als Hauptprotagonisten der „Alleintäter-Theorie” unmittelbar auf diese Beiträge repliziert hätten. Der Versuch, einen solchen öffentlichen Dialog zustande zu bringen, ist anläßlich der eingangs erwähnten Veranstaltung am 9. Dezember 2003 an historischer Stätte im Großen Sitzungssaal des früheren Reichsgerichts in Leipzig unternommen worden, freilich erfolglos. Sowohl Fritz Tobias als auch Hans Mommsen haben nach längerem Überlegen und gründlicher interner Beratung erklärt, sie würden zwar sehr gerne an einer solchen öffentlichen Diskussion teilnehmen, jedoch keinesfalls, wenn Hersch Fischler zugegen sei und daran mitwirke. Dabei ist es geblieben. Dies ist sehr bedauerlich, illustriert jedoch die Heftigkeit und die Erbitterung, mit der über diesen Fragenkomplex weiterhin gestritten wird.
Die Nachkriegskontroversen um die „Alleintäter-Theorie” eröffnen – über die „kriminalistische“ Dimension der Frage nach den Mittätern, neben’ oder ‚hinter‘ Marinus van der Lubbe hinaus – noch weitere interessante Perspektiven. Anhand der Debatten über den Reichstagsbrand lassen sich in wissenschaftskritischer Hinsicht interessante Antworten auf die Frage herausarbeiten, wie Produkte zeitgeschichtlicher Forschung zustande oder auch nicht zustande kommen können. Der zuvor erwähnte Fall des vom „Institut für Zeitgeschichte“ in München Anfang der 60er Jahre mit einer kritischen Studie zur „Alleintäter-Theorie“ beauftragten und dann „aus allgemeinpolitischen Gründen“ von diesem Forschungsauftrag wieder entbundenen Historikers Hans Schneider (32) ist dafür ein plastisches Beispiel. Denn es ist offenkundig eine Fiktion, „daß das Bewußtsein des Historikers als ein neutraler Spiegel fungieren könne, in welchem die durch das Medium der Daten strömende Vergangenheit so gespiegelt werde, ‚wie es eigentlich gewesen‘ (ist).“ (33) Wissenschaftliches „Erkenntnishandeln” (Max Weber) ist ein sozialer Vorgang und Prozeß. Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkenntnisinteressen, die „erkenntnisleitenden Gefühle”, die Entwicklung der Fragestellungen, die mit dem Forschungsprojekt verbundenen Ziel- und Zwecksetzungen sowie die Auswahl der Erkenntnispfade an (34).
Die alten und neuen Auseinandersetzungen um den Reichstagsbrand können auch noch in weiterer Hinsicht zeitgeschichtliche und politische Erkenntnisgewinne erschließen helfen. Dabei geht es vor allem um folgende Fragen:
(1) Welche reale Bedeutung hatte der Reichstagsbrand für die Etablierung des NS-Regimes? Wurde er durch die Nazis „lediglich“ – wie einige im Anschluß an Hans Mommsen meinen – zur Festigung ihrer Herrschaft politisch genutzt und funktionalisiert oder handelte es sich tatsächlich um ein – verdecktes – Verbrechen der Nazis, die ihn als Rechtfertigung für die Aufhebung aller wesentlichen Grundrechte, für eine systematische Verhaftungs- und Repressionswelle sowie als Mobilisierungsmittel in der Endphase des Reichstagswahlkampfes brauchten? Welche Relevanz hat die Klärung dieser Kontroverse?
(2) Lassen sich aus den geschichtlichen Vorgängen um den und nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 – abstrahierend über das konkrete historische Einzelgeschehen hinaus – auch Erkenntnisse für die Analyse der politischen und publizistischen Nutzbarmachung und Funktionalisierung vergleichbarer spektakulärer Ereignisse als Negativ-Symbole in der Politik ableiten, die auch künftig von aktueller Bedeutung sein können? Historische Vorfälle dieser Art bieten dafür Parallelen. Zu denken ist etwa an die – inzwischen nachweisbare – politische Funktionalisierung (und Inszenierung?) terroristischer Attentate auf prominente Politiker vor 1914 (35), von Schlüsselereignissen wie dem japanischen Angriff auf die US-Marine in Pearl Harbor im Jahre 1941 (36), des 1983 erfolgten Abschusses einer koreanischen Passagiermaschine über sowjetischem Territorium (37) und die inszenierten Berichte über „Morde” irakischer Soldaten an kuwaitischen Babys (38) im unmittelbaren Vorfeld des Golfkrieges von 1991. Zu welchen (kriminellen) Täuschungen der Öffentlichkeit auch Institutionen demokratischer Regierungssysteme unter bestimmten Umständen bereit sein können, zeigen etwa die jüngst bekannt gewordenen Planspiele des US-Generalstabes („Operation Northwoods“) aus den 60er Jahren über die Inszenierung von Flugzeugabschüssen zur Rechtfertigung von Militärschlägen gegen Kuba (39), aber auch die Enthüllungen zum Vietnam-Krieg in den „Pentagon-Papers“, die Daniel Ellsberg Anfang der 70er Jahre publik machte (40).
(3) Die fortdauernden Kontroversen um den Reichstagsbrand legen des Weiteren die justizgeschichtliche und justizkritische Frage nahe, welche Konsequenzen sich daraus für die Beurteilung des rechtsstaatlichen Charakters des Ermittlungsverfahrens und der Hauptverhandlung vor dem IV. Strafsenat des Reichsgerichts ergeben. Das Reichsgericht war wegen der Art seiner Prozeßführung von Anfang an heftig gescholten worden, und zwar sowohl von Seiten der Nazis als auch von den Nazigegnern. Bert Brecht hat von „gekauften oder eingeschüchterten höchsten Richtern” gesprochen (41). Demgegenüber ist nach wie vor die Meinung weit verbreitet, das Reichsgericht habe – im Rahmen des ihm Möglichen – „die Fahne des Rechtsstaats” gerade im Reichstagsbrand-Prozeß hochgehalten und seine Unabhängigkeit bis zum Prozeß-Ende mit Erfolg verteidigt (42) Im Zentrum der Kritik am IV. Strafsenat stehen vor allem fünf Problemkreise:
a) Das Gericht hatte die von den Angeklagten vorgeschlagenen (ausländischen) Rechtsanwälte als Verteidiger ihres Vertrauens nicht zugelassen (43).
b) Die Verteidigungsrechte der Angeklagten – vor allem Dimitroffs – wurden in der Hauptverhandlung wiederholt gravierend eingeschränkt, Fragen an Zeugen vom Gerichtsvorsitzenden abgeschnitten, nicht zugelassen oder sonst beeinträchtigt.
c) Die Verhandlungsführung offenbarte einen geradezu servilen Umgang der Richter vor allem mit den prominenten Prozeß-Zeugen Hermann Göring und Dr. Joseph Goebbels.
d) Offenkundig war das Bemühen des Gerichts, Mittäter oder Hintermänner van der Lubbes allein im „kommunistischen Lager” aufzuspüren, jedem Verdacht auf eine mögliche Tatverstrickung der Nazis jedoch von vornherein entgegenzutreten, ohne den entsprechenden Verdachtsmomenten in hinreichendem Maße nachzugehen.
e) Die Verhängung des Todesurteils gegen Marinus van der Lubbe auf der Grundlage eines von der Nazi-Regierung rückwirkend erlassenen Gesetzes wirft schließlich die Frage auf, ob das Gericht damit geltendes Recht mißachtete oder sich (noch) im Rahmen des damaligen juristischen Diskurses bewegte.
Darauf wird in unserem Buch in den Beiträgen des Herausgebers und von Ingo Müller näher eingegangen. Beide Autoren gelangen zu dem Ergebnis: Marinus van der Lubbe, den das Reichsgericht „wegen Hochverrats in Tateinheit mit aufrührerischer Brandstiftung und versuchter einfacher Brandstiftung” zum Tode verurteilte und der wenige Tage später am 10. Januar 1934 im Hof des Leipziger Landgerichts guillotiniert wurde (44), ist das Opfer eines rechtsstaatswidrigen Fehlurteils geworden. Die Mitglieder des IV. Strafsenats sind ihrer dem Rechtsstaat verpflichteten richterlichen Aufgabe nicht gerecht geworden.
Quellen und Anmerkungen:
* Dr. Dieter Deiseroth ist seit 2001 Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
** Das Buch „Der Reichstagsbrand und der Prozeß vor dem Reichsgericht“ ist in der Verlagsgesellschaft Tischler erschienen, ISBN 3-922-654-65-7, 1. Auflage, Berlin 2006, 380 Seiten, Preis: 24 Euro
(1) Zur Baugeschichte und Architektur vgl. u. a. Volkmar Müller, Das Reichsgericht zu Leipzig, Berlin 1895 (Nachdruck 1995); Steffen-Peter Müller, Architektur als Repräsentation der Rechtspflege. Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, 2002, S. 6 ff.
(2) Eine Gesamtdarstellung fehlt. Von der von dem Ostberliner Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul auf vier Bände projektierten ”Geschichte des Reichsgerichts” ist lediglich Band IV (1933 – 1945) fertig gestellt und publiziert worden (Verlag Detlev Auvermann, Glashütten/Taunus 1971). Daneben gibt es eine Reihe von Einzeluntersuchungen zur Rechtsprechung des Reichsgerichts; vgl. u. a. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968; Pauli, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen zwischen 1933 und 1945 und ihre Fortwirkung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 1992; Grimm, Das Reichsgericht in Wendezeiten, Leipziger Universitätsverlag 1997.
(3) Ernst Torgler war bis zu deren Verbot Fraktionsvorsitzender der KPD im Deutschen Reichstag. Der bulgarische Staatsangehörige Georgi Dimitroff, von Beruf Schriftsteller, war Leiter des westeuropäischen Büros der ”Kommunistischen Internationalen” (”Komintern”), vgl. dazu Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Band IV, 1933 – 1945, Glashütten 1971, S. 87; der Schuhmacher Wassil Konstantinoff Hadji Taneff und der Student Blagoi Siminow Popoff waren ebenfalls bulgarische Staatsangehörige. Vgl. zu Dimitroff u.a. dessen Tagebücher 1933 – 1943, 2 Bände (hrsg. von Bernhard H. Bayerlein/W.Hedeler), Berlin 2000; zum Erscheinen der Tagebücher Hansgert Kalbe, Streit um Georgi Dimitroff, Leipzig 2001.
(4) Urteil vom 23.12.1933 – Az.: 15 J 86/33 / XII H 42/33 –. Der vollständige Urteilstext ist in der Faksimile-Fassung (”Abschrift”), die sich in den Beständen des Bundesarchivs befindet (R 3003, Fond 551, Sign. 34 und 108), im Anhang dieses Buches abgedruckt.
(5) Alfons Sack, Der Reichstagsbrand-Prozeß, Berlin 1934, S. 325 – 342; vgl. ferner Leopold Reed, The Burning of The Reichstag, London 1935 (dt.: “Brand im Reichstag”, 1934, vgl. die Kopie im Bundesarchiv, R 3003, Fond 551, Sign. 242); Einzeldarstellungen des Prozesses finden sich – außer bei Sack und Reed – u.a. bei Curt Riess, Prozesse, die unsere Welt bewegten, 1992/2004, S. 380 – 413; Marie Sagenschreier/Ulrike Braun, 50 Klassiker Prozesse, 2002, S. 178 – 183; Ralph C. Busser, Political Report: The Riddle of the Revolution. Political Aspects of the Reichstag Fire Trial (April 1934), erstmals teilweise veröffentlicht in: Osteuropa in Tradition und Wandel. Leipziger Jahrbücher Bd. 3 (1) 2001, S. 249 ff; vgl. dazu Ernstgert Kalbe, Zum Bericht des Leipziger US-amerikanischen Konsuls Ralph C. Busser über den Reichstagsbrand-Prozess 1933, ebd. S. 217 ff.
(6) Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, Basel 1933 (Reprint Frankfurt/Main 1978) und das Braunbuch II. Dimitroff contra Göring. Enthüllungen der wahren Brandstifter, Paris 1934 (Reprint Köln, Frankfurt/Main 1981); vgl. dazu u.a. Klaus Sohl, Entstehung und Verbreitung des Braunbuches über Reichstagsbrand und Hitlerterror 1933/34, in: Jahrbuch für Geschichte 21 (1980), S. 289 – 327.
(7) Bereits vor Eröffnung des Reichstagsbrand-Prozesses am 21.9.1933 hatte diese Juristen-Kommission einen vorläufigen Bericht (”The Burning of the Reichstag. Official Findings of the Legal Commission of Inquiry”, London, September 1933) vorgelegt, in dem sie in der Art einer Anklageschrift als Ergebnis ihrer Ermittlungen formulierte, ”daß van der Lubbe das Verbrechen nicht allein begangen haben kann; … gewichtige Grundlagen für den Verdacht bestehen, daß der Reichstag durch führende Persönlichkeiten der nationalsozialistischen Partei oder in ihrem Auftrag in Brand gesetzt wurde”; vgl. dazu auch den späteren Bericht des Vorsitzenden der Juristenkommission, des britischen Rechtsanwalts Denis Noel Pritt, Der Reichstagsbrand. Die Arbeit des Londoner Untersuchungsausschusses. Berlin (Ost), 1959.
(8) Vgl. dazu u. a. Ernst Fischer, Das Fanal, Der Kampf Dimitroffs gegen die Kriegsbrandstifter. Wien 1946, Verlag Neues Österreich; Richard Wolff, Der Reichstagsbrand 1933; in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung ”Das Parlament”. B 3/1956, S. 25 – 52; Hans Bernd Gisevius, Bis zum bitteren Ende. Vom Reichstagsbrand bis zum 20. Juli 1944, 1946 S. 11 – 80; Gisevius hatte im Auftrag des Gestapo-Chefs Diels im November und Dezember 1933 als Beobachter am Reichstagsbrand-Prozeß in Leipzig teilgenommen (vgl. ebd., S. 44).
(9) Vgl. dagegen die Memoiren-Darstellung des Gestapo-Chefs Rudolf Diels, Lucifer ante portas, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, 1950.
(10) Vgl. u.a. Georgi Dimitroff, Reichstagsbrand-Prozess: Dokumente, Briefe u. Aufzeichnungen, Berlin (Ost), 6. Aufl., 1978; Ernstgert Kalbe, Freiheit für Dimitroff. Der internationale Kampf gegen die provokatorische Reichstagsbrandstiftung und den Leipziger Prozeß, Berlin 1963; Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED u.a. (Hrsg.), Der Reichstagsbrand-Prozeß und Georgi Dimitroff, Band 1 (Berlin 1982) und Band 2 (Berlin 1989).
(11) ”Stehen Sie auf, van der Lubbe”. Der Reichstagsbrand 1933 – Geschichte einer Legende. Nach einem Manuskript von Fritz Tobias. Spiegel-Serie, Heft 43/1959 bis Heft 1-2/1960.
(12)Fritz Tobias, Der Reichstagsbrand, Rastatt 1962.
(13)Vgl. S. 20 im Urteilsumdruck.
(14)Vgl. dazu u.a. Helmut Krausnick, Das Institut für Zeitgeschichte in München, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 86 vom 8.5.1953, S 735; Hellmut Auerbach, Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VjZ) 18 (1970), S. 529 ff; zu den Kontroversen in der Frühgeschichte des IfZ vgl. u.a. Nicolas Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003, S. 270 ff; zur heutigen Struktur des IfZ vgl. u.a. den Evaluierungsbericht des Senats der Leibniz-Gesellschaft vom 20.11.2003 – ”Stellungnahme zum Institut für Zeitgeschichte”.
(15)Hans Schneider, Neues vom Reichstagsbrand? Dokumentation. Ein Versäumnis der deutschen Geschichtsschreibung. Mit einem Geleitwort von Iring Fetscher und Beiträgen von Dieter Deiseroth, Hersch Fischler und Wolf-Dieter Narr. Berliner Wissenschaftsverlag. Berlin 2004.
(16)Hans Mommsen, Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1964, S. 351 – 413.
(17)Benannt nach dem Gründungsort Luxemburg. Das von dem damaligen Außenminister Luxemburgs Pierre Grégoire, dem deutschen Bundesaußenminister Willy Brandt und Prof. Golo Mann unterzeichnete Gründungsprotokoll vom 18.1.1968 ist abgedruckt in: Uwe Backes/Karl-Heinz Janßen/Jesse/Köhler/Hans Mommsen. Der Reichstagsbrand. Aufklärung einer historischen Legende. München 1986, S. 302.
(18)Walther Hofer/Edouard Calic/Christoph Graf/Friedrich Zipfel (Hrsg.), Der Reichstagsbrand. Eine wissenschaftliche Dokumentation, Bd. 1, Berlin 1972 und Bd. 2, Berlin 1978; Internationales Komitee Luxemburg zur wissenschaftlichen Erforschung der Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkriegs (Hrsg.), Der Reichstagsbrand. Die Provokation des 20. Jahrhunderts, Luxemburg 1978.
(19)Zunächst wurde das Komitee außer von Prof. Golo Mann unter anderem von Prof. Eugen Kogon, Prof. Dr. Karl Dietrich Bracher, Prof. Ernst Fraenkel, Prof. Fritz Eberhard, Prof. Hilde Kaufmann, Prof. Helmut Krausnick, Prof. Hans Mommsen unterstützt, vgl. Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen, Der Reichstagsbrand, S. 306 ff.
(20)Neben Willy Brandt und Pierre Grégoire unter anderem von dem französischen Kulturminister André Malraux, Bundesminister Prof. Horst Ehmke, Bundesinnenminister Ernst Benda, Parl. Staatsminister im Bundeskanzleramt Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister Prof. Carlo Schmid ebd., S. 306 ff.
(21)Vgl. dazu vor allem die Beiträge von Jesse, Backes, Tobias, Köhler und Janßen, in: Uwe Backes/Karl-Heinz Janßen/Jesse/Köhler/Hans Mommsen, Der Reichstagsbrand, S. 58 ff, 88 ff, 115 ff,167 ff und 216 ff; vgl. auch Eckhard Jesse, Informationen aus dem Fälschernetz?, in: FAZ v. 6.1.1988.
(22)Vgl. u. a. Walther Hofer/E. Calic/C. Graf/Fr. Zipfel (Hrsg.), Der Reichstagsbrand. Eine wissenschaftliche Dokumentation. 3. Auflage, bearbeitet und neu herausgegeben von Alexander Bahar, Freiburg 1992.
(23)Vgl. dazu die Lebenserinnerungen von Robert W. Kempner, Ankläger einer Epoche, 1983, S. 103 ff.
(24)Vgl. Robert M.W. Kempner: Hermann Göring als Organisator des Reichstagsbrandes, in: Klaus Wasserburg/Wilhelm Waddenhorst (Hrsg.), Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren. Festgabe für Karl Peters aus Anlaß seines 80. Geburtstages, 1984, S. 365 – 374.
(25)Ein wesentlicher Teil dieser jüngsten Debatte wird dokumentiert in: Reichstagsbrandforum der Landesbibliothek Berlin (http://www. zlb.de/projekte/kulturbox-archiv/brand); vgl. ferner u. a. Christian Semler, Reichstagsbrand 1933, mehr als ein Kriminalfall, in: taz-Magazin Nr. 6306 vom 25.11.2000, S. III; Joachim Günther, Fragen an Rudolf Augstein, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 287 vom 8.12.2000; Hersch Fischler, FAZ v. 9.4.2001; Frhr. von Bismarck, FAZ v. 25.4.2001; NET-Zeitung.de v. 27.2.2001; Der Spiegel Nr. 15/2001, S. 38 – 58; SWR-Fernsehdokumentation ”Neues vom Reichstagsbrand” vom 26.2.2003 (Wiederholung im Fernsehsender Phoenix am 6.9.2003); SWR-Hörspiel von Anna Langhoff ”Brandrodung Berlin” vom 27.2.2003.
(26)Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde (R 3003, Fond 551).
(27)Vgl. VjZ 49 (2001) Heft 3.
(28)Vgl. dazu u.a. die Beiträge von Deiseroth, Hersch Fischler und Wolf-Dieter Narr, in: Hans Schneider, a.a.O.
(29)Vgl. u.a. Hersch Fischler, Das falsche Urteil zum Reichstagsbrand, in: Rheinischer Merkur Nr. 59/10.12.1993; ders., Die verflixten Namensschilder. Über eine verheimlichte Spur zu Brandstiftern des Reichstages, in: Junge Welt v. 28.2.1998; Hersch Fischler/Gerhard Brack, Zur Kontroverse um den Reichstagsbrand, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft April 2002.
(30)Vgl. J. Schmädeke/A. Bahar/W. Kugel, Der Reichstagsbrand in neuem Licht, in: Historische Zeitschrift, Bd. 269, Heft 3/1999; A. Bahar/W. Kugel, Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Edition Q. Berlin 2001.
(31)Vgl. u.a. Hersch Fischler, Fehlerliste zu Hans Mommsen: Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, in: Reichstagsbrandforum der Landesbibliothek Berlin; (http://www.zlb.de/projekte/kulturbox-archiv/brand); Alexander Bahar/W. Kugel, Der Reichstagsbrand, a.a.O.
(32)Vgl. dazu die Beiträge von Deiseroth, Fischler und Narr im Band „Hans Schneider, Neues zum Reichstagsbrand?“, S. 15 ff.
(33)Vgl. dazu kritisch u. a. Karl Acham, Grundlagenprobleme der Geschichtswissenschaft, in: Acham u.a., Methoden der Geschichtswissenschaft und der Archäologie (10. Lieferung der Enzyklopädie der geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden, 1974, S. 3 ff).
(34)Vgl. dazu näher Deiseroth, Zum Umgang mit Dissens in der Wissenschaft, in: Schneider (Hrsg.), Neues vom Reichstagsbrand?, S. 15 ff.
(35)Vgl. zum Beispiel die jeweilige politische Funktionalisierung der Attentate auf Bismarck (1878) und den französischen Präsidenten (1894), u.a. Iring Fetscher, Terrorismus und Reaktion, 1977, S. 8 f sowie August Bebel, Attentate und Sozialdemokratie (1898), in: Fetscher, S. 123 ff.
(36)Zu den bis heute aktuellen Kontroversen um die Frage, ob die US-Regierung unter Präsident Roosevelt 1941 das mit Hitler-Deutschland verbündete Militärregime Japans zum desaströsen Angriff auf die US-Marine in Pearl Harbor provozierte, um dadurch den Widerstand der Mehrheit der US-Bevölkerung und des Kongresses gegen einen Kriegseintritt der USA zu überwinden, vgl. u. a. die Studie von Robert B. Stinnett „Wie die US-Regierung den Angriff provozierte und 2.476 US-Bürger sterben ließ. Pearl Harbor“. Deutsche Erstausgabe 2002. Deutsch von Karl H. Siber; vgl. ferner die Materialien in: www.geocities.com/Pentagon/6315/pearl.html – 65k.
(37)Vgl. dazu u.a. A. Snyder, Die Wahrheit über Flug KAL 007, in: Die Zeit v. 4.10.1996.
(38)Vgl. dazu u.a. Frankfurter Rundschau v. 1.4.1992; Sendemanuskript des Westdt. Rundfunks. Red. Monitor v. 30.3.1992; J. R. MacArthur, Die Schlacht der Lügen, 1993, S. 46 ff.
(39)Vgl. „Report by the Department of Defense and Joint Chiefs of Staff Representative on the Caribbean Survey Group“ („Cuba Project“), 9 March 1962, als Faksimile abgedruckt in: Gerhard Wisnewski, Operation 9/11, 2003, S. 374 ff.
(40)Vgl. dazu u. a. Deiseroth, Whistleblowing in der Sicherheitspolitik, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 4/2004, S. 479 m. w. N.; Deiseroth/Falter, Whistleblower-Preis 2003, Berliner Wissenschaftsverlag 2004.
(41)„Unter den Bajonetten und Stahlruten der Nazis, vor den gekauften oder eingeschüchterten höchsten Richtern der gestürzten Republik, mit halbtot geprügelten Zeugen, enthüllte sich plötzlich zum Entsetzen der Welt das wahre Bild: Ein großes und zivilisiertes Volk war unter Ausnützung demokratischer Freiheiten von bewaffneten Banden, gedungen von intrigierenden Industrialisten und Militärs, aller seiner Freiheiten beraubt und zu Boden geschlagen worden. Die Angeklagten des Prozesses verwandelten sich in Ankläger, und der große Kämpfer Dimitroff wurde zum Sprecher des deutschen Volkes, das seiner Sprache beraubt worden war.” Vgl. Bert Brecht, Der Reichstagsbrandprozeß (1943), in: Ders., Schriften zur Politik und Gesellschaft, Gesammelte Werke Bd. 20, Suhrkamp Ausgabe 1967, S. 292.
(42)So heißt es etwa im Beschluß des Kammergerichts Berlin vom 17.5.1968 (Az.: 1 Ws 367/67): „Das Reichsgericht hat im Gegenteil in einer sehr schwierigen Situation seine Unabhängigkeit bewahrt und mit seiner Entscheidung die damaligen Machthaber in erhebliche Verlegenheit gebracht. Es hat in seinem Urteil vom 23.12.1933 noch einmal daran erinnert, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgehe und von den verfassungsmäßig berufenen Organen ausgeübt werde und daß alle Deutschen vor dem Gesetz gleich seien und hat dazu die betreffenden Artikel der Weimarer Verfassung zitiert. Die damaligen Machthaber haben ihrer Verärgerung über das Urteil unverhohlen Ausdruck gegeben.”
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(43)Der IV. Strafsenat des RG lehnte die Zulassung u. a. folgender Anwälte als Verteidiger ab: Detscheff aus Bulgarien, Dr. Sekanina aus der Tschechoslowakei, Dr. Walter Sender und Eduard Lehmann aus Saarbrücken, Clifton, Lawson, Dr. Nord und Pritt aus London, Romain Rolland aus Frankreich und Georg Branting aus Schweden, vgl. BArch, BRep, R 3003, 192, Bl., 2.
(44)Das amtliche Hinrichtungs-Protokoll des Oberreichsanwalts wird als Faksimile-Dokument im Anhang unseres Buches erstmals publiziert.