Abu Sayyaf

Letzter Affront gegen Aquino

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Im Kampf gegen die südphilippinische Terrorgruppe Abu Sayyaf hat die Regierung des scheidenden Präsidenten versagt. Droht nunmehr die Verhängung eines regionalen Kriegsrechts? –

Das hatte sich der am 30. Juni nach sechsjähriger Amtszeit aus dem Malacañang-Palast in Manila ausziehende Präsident Benigno S. Aquino III. ganz anders vorgestellt. In Ruhe wollte er seine letzten Tage genießen. Stattdessen überstürzen sich schlechte Botschaften aus dem Süden des Landes. Die Hinrichtung von Geiseln durch die international als terroristisch geächtete Abu Sayyaf-Gruppe hält an. Und seit dem Wochenende sorgt der designierte Generalstabschef der Streitkräfte der Philippinen (AFP) des neugewählten Präsidenten Rodrigo Duterte, Generalleutnant Ricardo Visaya, für Furore. Er will notfalls über die beiden besonders unruhigen Inseln Basilan und Jolo das Kriegsrecht verhängen. Eine Option, die Aquino und sein Militärstab bislang ablehnten, um das Leben weiterer Geiseln nicht zu gefährden.

Abu Raami, ein Sprecher der Abu Sayyaf, hatte sich am vergangenen Montag (13. Juni) telefonisch bei Lokalreportern zu Wort gemeldet und erklärt, man habe mit Robert Hall binnen weniger Wochen einen zweiten kanadischen Staatsbürger umgebracht. Bereits am 25. April war Halls Landsmann John Ridsdel von seinen Entführern ermordet worden. Beide Opfer wurden enthauptet. Deren abgeschlagenen Köpfe fanden staatliche Sicherheitskräfte Stunden später jeweils im Zentrum von Jolo City.

Ridsdel und Hall mussten sterben, weil ein von der Abu Sayyaf gefordertes Lösegeld in Höhe von mindestens 300 Millionen Peso (zirka sechs Mio. Euro) letztlich nicht bezahlt wurde. Beide Opfer waren zusammen mit dem norwegischen Staatsbürger Kjartan Sekkingstad und der Filipina Marites Flor am 21. September vergangenen Jahres von einem Urlaubsressort auf Samal in der südphilippinischen Provinz Davao del Norte entführt und mit einem Schnellboot auf die weiter südlich gelegene Insel Jolo verschleppt worden. Während Flor und Sekkingstad weiter in den Händen ihrer Entführer sind, gelang es zwischenzeitlich über einem Dutzend ebenfalls von Abu Sayyaf festgehaltenen Geiseln aus Indonesien und Malaysia auf freien Fuß zu gelangen. In diesen Fällen ist offensichtlich Lösegeld geflossen, wenngleich man sich in Manila, Jakarta und Kuala Lumpur bedeckt hält und darob striktes Stillschweigen wahrt.

Da das Geiseldrama auf Jolo der Regierung innen- wie außenpolitisch arg zusetzt, sah sich Aquino höchstpersönlich genötigt, direkt an den Ort des Geschehens zu jetten und dort eine außerplanmäßige Sicherheitsbesprechung durchzuführen. So landete der Präsident Mitte vergangener Woche (15. Juni) unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im Camp Teodulfo Bautista in Jolo City. Seine Regierung, erklärte der Präsident, werde alles daran setzen, dem „terroristischen Unwesen“ ein Ende zu setzen und die Täter zu ergreifen. Eine Botschaft, von der weder der Vizegouverneur der Provinz Sulu, Abdusakur M. Tan, noch Hussin U. Amin, Bürgermeister von Jolo City, angetan waren. Tan zeigte dem Präsidenten ostentativ die kalte Schulter und machte ihn verantwortlich für all die Probleme vor Ort. „Anstatt unseren Vorschlägen zu folgen“, so Tan verbittert, „und die Bevölkerung aktiv in Kampagnen gegen Abu Sayyaf einzubeziehen, schickt die Regierung immer nur mehr Soldaten und wechselt Polizeioffiziere durch solche aus, die noch weniger kompetent sind als ihre Vorgänger.“ „Wer soll überdies ernsthaft einem Präsidenten zuhören“, fügte Tan hinzu, „der gerade mal noch zwei Wochen im Amt ist?“

Unmittelbar nach der Aquino-Visite in Jolo City verlautete es aus Kreisen des für die Kriegführung in dieser Region zuständigen Western Mindanao Command in Zamboanga City, man werde Truppen sämtlicher Waffengattungen nach Jolo entsenden – Einheiten der Marine, der Luftwaffe sowie Spezialeinheiten und Scout Ranger-Verbände. Major Filemon Tan, jr., Sprecher des Western Mindanao Command, bestätigte am vergangenen Wochenende, dass gegenwärtig elf Bataillone – etwa 5 000 Mann – auf Jolo stationiert sind. Gleichzeitig betonte der Major, man werde alles tun, um von der Bevölkerung mehr Informationen über die Abu Sayyaf, ihre Operationsgebiete und Verstecke zu erfahren.

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Doch genau das bezweifelt Jolos Bürgermeister Hussin U. Amin. Er wirft der Regierung vor, Elemente der AFP paktierten mit Mitgliedern der Abu Sayyaf, um so von früher gezahlten Lösegeldern zu profitieren. Eine tatsächlich nicht unübliche Praxis, die der Autor auf Jolo wie auf Basilan vor und nach der Entführung der Göttinger Familie Wallert im Jahre 2000 persönlich selbst miterleben konnte.

Das nun verleitet den neuen AFP-Generalstabschef Visaya zu der Feststellung, dass es an der in der Region massierten Truppenstärke nicht mangele. „Wir werden die Entwicklungen vor Ort genau prüfen“, sagte der General und fügte hinzu: „Sollte sich tatsächlich heraustellen, dass die Regierung in Jolo und Basilan versagte, werden wir dem neuen Präsidenten die Verhängnung des Kriegsrechts empfehlen. So kann am ehesten gewährleistet werden, dass Sicherheit und Ordnung wieder gelten und den Kidnapping-Aktivitäten der Abu Sayyaf wirkungsvoll ein Riegel vorgeschoben wird.”

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