Konstrukteure des Terrors
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Politik und Medien lassen islamistische Dschihadisten wie Pilze aus dem Boden schießen –
Von SEBASTIAN RANGE, 27. Januar 2011 –
„Die deutschen Sicherheitsbehörden registrieren besorgt, dass sich die im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet agierenden „Deutschen Taliban Mudschahidin“ zurückmelden. Auf einer türkischsprachigen Internetseite wurde ein neuer Anführer der Gruppe ausgerufen, bald sollen neue Videos erscheinen“, meldete die taz am 18. Januar. (1)
Um die Deutschen Taliban Mudschahidin (DTM) war es still geworden, nachdem im April 2010 ihr mutmaßlicher Anführer, der in Salzgitter geborene türkische Staatsbürger Ahmet M., sowie der in Deutschland besser bekannte Eric Breininger bei einem Gefecht mit dem pakistanischen Militär an einem Checkpoint in der Region Nordwasiristan getötet worden sein sollen.
Erstmals aufgefallen waren die DTM durch ein gegen Deutschland gerichtetes Drohvideo, welches im Vorfeld der Bundestagswahlen 2009 veröffentlicht wurde. Offenbar handelt es sich bei den DTM um eine Abspaltung von der Islamischen Jihad Union (IJU), da sowohl Eric Breiniger als auch Ahmet M. zuvor in Videos der IJU auftraten. In einem hinterlassenen und im Internet veröffentlichten Tagebuch behauptet Breininger, die Taliban hätten ihm den Aufbau einer eigenen Untergruppe erlaubt – eben jenen DTM.
Die DTM verwenden auch in ihren Videos das Label „Islamische Emirate Afghanistan“, welches die offizielle Eigenbezeichnung der Taliban ist. Aber offenbar handelt es sich hier um Etikettenschwindel bzw. um eine Anmaßung seitens der deutschen Dschihadisten.
Denn die Taliban haben nie eine Zusammenarbeit mit den DTM oder der IJU erklärt. Im Gegenteil distanzierten sie sich zwei Wochen nach Erscheinen des ersten DTM-Drohvideos von Anschlägen im Ausland. „Wir haben und hatten keinen Plan, andere Länder in der Welt anzugreifen, die europäischen Staaten inbegriffen“, heißt es in einer Erklärung der Taliban vom Oktober 2009. (2) Die Taliban bezeichnen sich selbst als nationale Widerstandsbewegung – in Abgrenzung zum internationalen Terrorismus.
Das sind keine leeren Lippenbekenntnisse. In einem im April 2010 auf der Taliban-Webseite veröffentlichtem Kommentar unter dem Titel „Deutschland sollte nicht die historischen Beziehungen zu Afghanistan den Interessen der USA opfern“ heißt es: „Dies in einer Zeit, in der laut jüngsten Umfragen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen die Präsenz deutscher Truppen in Afghanistan ist und auf verschiedenen Demonstrationen dagegen protestiert wurde.“ (3)
Bei den Taliban verfolgt man die Verhältnisse in Deutschland und weiß daher, dass Anschläge die Stimmung zugunsten des Afghanistan-Einsatzes kippen könnten und somit einen Abzug deutscher Truppen unrealistischer machen würden. Auch aus diesem Grund haben die Taliban kein Interesse daran, Anschläge in Deutschland zu begehen, würden sie doch nur den Kriegsbefürwortern argumentative Munition liefern, die behaupten, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt. Dieses Argument würde nur dann überzeugen, wenn Deutschlands Sicherheit tatsächlich von am Hindukusch operierenden Terroristen bedroht wäre.
Ob die DTM überhaupt noch existieren, ist fraglich. Denn die von der taz in Umlauf gebrachte Meldung, wonach deutsche Sicherheitsbehörden über eine Rückkehr der DTM besorgt seien, beruht auf nur einer Quelle, welche nicht zu verifizieren ist.
Auf der türkischsprachigen Webseite cihadmedya.net wurde „Abdul Fettah Almani“ als neuer Anführer der DTM ausgerufen sowie angekündigt, dass neue Videobotschaften „sehr bald“ erscheinen würden. (4) Bislang bediente man sich bei der IJU bzw. bei Elif Medya, der „Medienabteilung“ der DTM, der türkischsprachigen Webseite sehadetzamani.com zur Veröffentlichung von Erklärungen.
Die jüngste DTM-Botschaft ist allerdings nicht mehr so jung. Sie wurde bereits am 15.Dezember 2010 ins Netz gestellt. Die Frage ist, warum die Meldung erst jetzt kursiert. Vielleicht nur, um den seit November bestehenden Terroralarm mit neuer Nahrung füttern zu können?
Bei Abdul Fettah Almani soll es sich laut Informationen der taz um den deutschen Staatsangehörigen Fatih T. aus Berlin handeln. Fatih T. wurde im August vergangenen Jahres von der Bundesanwaltschaft zusammen mit dem 21-jährigen Alican T. und der 28-jährigen Filiz Gelowicz, Ehefrau des zur Sauerland-Gruppe gehörenden Fritz Gelowicz, angeklagt, die terroristischen Vereinigungen IJU und DTM mit Geldern bzw. durch Videoveröffentlichungen unterstützt zu haben.
Filiz Gelowicz räumte die ihr vorgeworfenen Taten ein und bereut diese. Sie sei „über ihre Dschihad-Parolen von früher erschrocken“, sagte sie im gegenwärtig noch laufenden Gerichtsverfahren. (5)
Der geheimdienstliche Hintergrund der IJU spielt in dem Verfahren gegen Filiz Gelowicz und Alican T. aber keine Rolle – ebenso wie schon im Verfahren gegen die Sauerland-Gruppe werden Widersprüchlichkeiten ausgeblendet.
2004 wurde die Islamische Jihad Union (IJU) durch Anschläge im usbekischen Taschkent erstmals bekannt. Sie gilt als Abspaltung der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU), einer in den 1990er Jahren gegründeten Organisation, die in enger Verbindung zum Netzwerk um Osama bin Laden stand. Allerdings besteht der begründete Verdacht, dass es sich bei der IJU tatsächlich um eine Gründung des usbekischen Geheimdienstes handelt.
Zweifel an der Authentizität der IJU äußerte der damalige britische Botschafter Craig Murray, in jener Zeit Kenner der Vorgänge in Taschkent, gegenüber der ARD-Sendung Monitor. „Es gibt keinen wirklichen Beweis dafür, dass die Islamische Jihad Union existiert. Zum ersten Mal haben wir den Namen gehört, als die usbekische Regierung sie für Bombenanschläge in Taschkent verantwortlich machte. Ich war da, ich habe die Beweise selbst gesehen. Minuten nach der angeblichen Explosion. Und da waren keine Bomben. Das waren meiner Meinung nach Erschießungen von Dissidenten. (…) Ich persönlich glaube, dass die Islamische Jihad Union höchstwahrscheinlich von den usbekischen Geheimdiensten erschaffen wurde. Entweder dadurch, dass sie Anschläge wie in Taschkent selbst inszeniert haben oder indem Agent provocateurs naive Menschen dazu verleitet haben, Terroranschläge zu verüben.“ (6)
Die bekannte usbekische Journalistin Galima Bukharbaeva berichtete ähnliches. Sie schrieb: „Die IJU ist ganz eindeutig eine Erfindung des usbekischen Geheimdienstes. (…) Ich war bei den Anschlägen (in Taschkent 2004) vor Ort und habe mit den Ermittlern der Polizei gesprochen. Sie haben gelacht über die IJU, jeder wusste damals, dass es eine Erfindung war. (…) Ich war im Gericht, niemand hat etwas ausgesagt, selbst die Anwälte der Beschuldigten wurden von der Regierung bezahlt und sprachen kein Wort mit Journalisten. Das ganze ist ein großer Fake. Erst als in Deutschland die Sauerland-Terroristen auftauchten, wurde die IJU plötzlich wieder herangezogen. (…) Deutschland geht Karimovs Strategie auf dem Leim. Und es ist eine große Schande, dass ein Staat wie Deutschland sich auf Aussagen dieses verbrecherischen Geheimdienstes beruft.“ (7)
Bestätigt wurden diese Vermutungen durch die Aussagen des ehemaligen Offiziers des usbekischen Geheimdienstes, Ikrom Yakubov, der in Großbritannien Asyl gefunden hat. In einem Interview mit Monitor sagte er im September 2008: „Auch die Islamische Jihad Union ist vom usbekischen Geheimdienst ins Leben gerufen worden.“ Die meisten Mitglieder der Gruppe seien ahnungslose Mitläufer gewesen und hätten die wirklichen Auftraggeber nicht gekannt. „Die Mitglieder, die eine führende Rolle spielten, kamen vom usbekischen Geheimdienst. Aber die Leute um sie herum waren einfache Muslime. Der usbekische Geheimdienst hat diese Organisationen mit Geld versorgt, einfach mit allem.“ (8)
In einer kritischen Aufarbeitung der mit der Sauerland-Gruppe einhergehenden Widersprüche schrieb Paul Schreyer: „Für das Sauerland-Verfahren blieben diese Informationen allesamt irrelevant. Der vom Gericht bestellte Gutachter zur Beurteilung der ‚Islamischen Jihad Union’ hieß Guido Steinberg und hatte eine klare Meinung. Als Mitarbeiter der regierungsnahen Denkfabrik ‚Stiftung Wissenschaft und Politik’ und ehemaliger Terrorismus-Referent im Kanzleramt hatte er zudem an seiner eigenen Kompetenz keine Zweifel und stellte fest: die Anschläge in Taschkent waren echt. Zu den Aussagen des Augenzeugen Craig Murray beschied Gutachter Steinberg kurz: ‚Ich schätze Murray, aber hier schießt er über das Ziel hinaus’.
Guido Steinberg spielte insgesamt eine wichtige Rolle für das Informationsmanagement rund um die IJU. Nachdem Zweifel an der Echtheit der Gruppe zu kursieren begannen, verfasste er Anfang 2008 für die ‚Stiftung Wissenschaft und Politik’ eine offizielle Studie zur IJU. Ernste Zweifel oder auch nur das Wort ‚Geheimdienst’ kamen darin nicht vor. Steinberg referierte die Sicht der Sicherheitsbehörden und verpasste ihr einen wissenschaftlichen Anstrich. Die Studie diente fortan Politikern und Journalisten als Grundlage ihrer Meinungsbildung.“ (9)
Steinberg, der immer wieder sowohl von Gerichten als auch Medien herangezogen wird, wenn es darum geht, die Echtheit irgendwelcher Terrorgruppen und derer Drohungen zu bestätigen, hat allerdings in Sachen IJU im Gegensatz zu den Skeptikern nie vor Ort recherchiert oder Zeugen befragt, die mit den Ermittlungen der Anschläge vertraut waren, für die die usbekische Regierung die IJU verantwortlich machte.
In der besagten Studie bezieht sich Steinberg fast ausschließlich auf die dubiosen Erklärungen der IJU als Primärquelle für seine Behauptung, diese Gruppe sei kein geheimdienstliches Projekt. Die Einwände von Murray, Yakubov und Bukharbaeva meint er widerlegen zu können, indem er darauf hinweist, dass „die PR-Kampagne der IJU nach September 2007 beweist, dass die Gruppe tatsächlich existiert.“ (10) Er bezieht sich anschließend auch auf eine Erklärung der IJU bezüglich der Festnahme der Sauerland-Gruppe, die ebenso auf der einschlägigen Webseite sehadetvakti.com veröffentlicht wurde. Was Steinberg als Beweis anführt, führte bei anderen indes zu Zweifeln.
„Die Islamische Jihad Union, so wie sie sich uns darstellt, ist erst mal eine Erfindung im Internet und hat nur eine Präsenz im Internet“, sagte Benno Köpfer, Islamexperte des Baden-Württembergischen Verfassungsschutzes, Anfang Oktober 2007 gegenüber dem ARD-Magazin Monitor. Auch Köpfer stellte die Authentizität des damaligen Bekennerschreibens in Frage: „Es werden in diesem Bekennerschreiben konkrete Anschlagsziele genannt: Ramstein“, so Köpfer. Seines Wissens seien aber die Verhafteten bis zuletzt unsicher gewesen, welches Ziel sie überhaupt angreifen und auf welches Objekt sie diesen Anschlag ausüben sollten. Nach seiner Einschätzung werde in dem Bekennerschreiben nur Medienberichterstattung aufgenommen. ‚Das lässt mich an der Authentizität zweifeln.’“(11)
In der Folge argumentierten verschiedenste Terrorexperten, die Sauerland-Gruppe beweise, dass die Existenz der IJU als gesicherte Erkenntnis zu gelten habe, obwohl die Mitglieder der Sauerland-Gruppe erst aus der Presse erfahren haben wollen, dass sie überhaupt Mitglieder der IJU sind.
So schrieb der Terrorexperte des Spiegel, Yassin Musharbah: „Andererseits helfen die Aussagen [der Angeklagten Mitglieder der Sauerland-Gruppe] nur bedingt dabei, den Ursprung der IJU einzuschätzen. Verschwörungstheoretiker und andere Skeptiker haben von Beginn an gemutmaßt, die IJU sei eine Erfindung der usbekischen Behörden. Die Sauerländer können das kaum einschätzen, auszuschließen ist es nicht. Aber selbst wenn es so wäre: Für die Gegenwart hat es keine Bedeutung, die IJU hat sich längst verselbständigt.“ (12)
Musharbash gesteht selbst ein, dass die Aussagen der Sauerländler keine Hilfe sind, um den eventuellen geheimdienstlichen Ursprung der IJU einschätzen zu können und schlussfolgert daraus, das sei für die Gegenwart bedeutungslos, weil sich die IJU längst verselbständigt habe. Verselbstständigt hat sich hier jedoch nur ein logischer Kurzschluss. Wenn die IJU eine Geheimdienstgründung ist und es sich bei deren Führungsriege, wie von Yakubov beschrieben, um Geheimdienst-Leute handelt, dann sind Fritz Gelowicz und seine Kumpanen eben jenes auch von Yakubov benannte Fußvolk, welches in dem Glauben mitmacht, es handele sich um eine authentische Gruppe. Das wäre alles andere als eine Verselbstständigung im Sinne von unabhängig von geheimdienstlichem Einfluss, wie es Musharbash behauptet, sondern stattdessen das genaue Gegenteil. Es wäre der Beweis dafür, wie erfolgreich das Geheimdienstprojekt verläuft, wenn es auf Sympathisanten authentisch wirkt.
Und nicht zu vergessen: was die Sauerland-Gruppe auch unternahm, sie wurde Schritt auf Tritt von Geheimdiensten begleitet – wenn nicht sogar angeführt.
Die Radikalisierung der Sauerland-Gruppe begann in Neu-Ulm unter dem Einfluss des Predigers Dr. Yehia Yousif. Er galt als einflussreichster Rekrutierer für den „Heiligen Krieg“ in Deutschland. Laut FAZ war Yousif „Hirnwäscher für etliche Angehörige der Sauerland-Gruppe und für deren Dunstkreis von vierzig, fünfzig jungen Leuten“.(13) Der Spiegel zitierte einen anderen bekannten Islamisten: „Yousif hatte eine Gruppe von jungen Schülern um sich geschart, die er jede Woche unterrichtete, und Fritz war einer davon“. (14) Als das bayerische Innenministerium 2005 den Verein Multi-Kultur-Haus Ulm e.V. verbot, der die dortige Moschee betrieb, die daher auch geschlossen wurde, wurde das vor allem mit den Hetzpredigten Yousifs begründet. In der Folge tauchte der Arzt aus Ägypten aus Deutschland ab.
Doch damit ist seine Geschichte noch nicht erzählt. Yousif predigte nicht im Auftrag Allahs, sondern im Auftrag des Verfassungsschutzes, für den der Chefideologe der Sauerland-Gruppe von 1996 bis mindestens 2002 als hauptamtlicher Zuträger arbeitete. Offizielle Akten der Behörde belegen dies. Ein Rechtsanwalt des verbotenen Ulmer Multi-Kultur-Hauses kommentierte: „Jeder zweite Satz in dem Verbotsantrag bezog sich auf verdächtige oder kriminelle Aktivitäten von Dr. Yousif. Ohne diesen Mann hätten sie gar nichts in der Hand gehabt. Dabei wurde vor Gericht zugegeben, dass Yousif damals für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Der V-Mann Yousif platzierte Beweise, die dann vom Staatsanwalt verwendet wurden.“ (15)
Aber Yousif war weitaus mehr als nur ein Zuträger und Informant. Ewald T. Riehtmüller, bis 2006 im Wirtschaftsrat der CDU, hatte über Yousifs Stellung innerhalb des Dienstes Folgendes zu sagen: „Ich war vor Jahren auf einer Islamkonferenz in London. Dort war Yehia Yousif der offizielle Vertreter des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Er war nicht irgendein Informant, er war DER Islamexperte der Stuttgarter Behörde. Kenner der Szene in Ulm/Neu-Ulm halten ihn außerdem für einen BND-Agenten.“ (16)
„Dieser Hassprediger Yehia Yousif hat – und jetzt zitiere ich wieder den Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg – die Fäden der Sauerlandzelle gezogen bis hin zu ihrer Verhaftung.“ so Jürgen Elsässer in einer Sendung des Deutschlandfunks. (17)
Während Yousif die ideologische Anleitung gab, versorgte ein anderer Geheimdienstmann die Sauerland-Gruppe mit Zündern für den Sprengstoff (18), der wiederum bereits von den Behörden durch ein harmloses Gemisch ersetzt worden war. Die Sauerlandgruppe wurde auf Schritt und Tritt observiert, was ihr auch nicht entgangen war. Dennoch machte sie unbekümmert weiter. Daran konnten weder Hausdurchsuchungen etwas ändern, noch die sie verfolgenden Wagen des Verfassungsschutzes. Selbst dass über ihren Plot Monate zuvor öffentlich berichtet wurde, hielt sie nicht auf. (19)
Es stellt sich die Frage, ob Gelowicz und Co nicht überhaupt erst durch geheimdienstlichen Einfluss auf die schiefe Bahn des Terrors gelangten. Ungewöhnlich wäre das nicht, sind in der jüngeren Vergangenheit doch wiederholt Anschläge „verhindert“ worden, zu denen es ohne Anstiftung durch Undercover-Agenten gar nicht erst gekommen wäre. Vor allem in den USA erfreut sich die Methode bei Sicherheitsbehörden offenbar großer Beliebtheit, junge, psychisch labile Männer rauszufischen, z.B. durch Internet-Foren, und diese dann so lange zu bearbeiten, bis sie sich bereit erklären, einen Anschlag zu begehen. (20)
Der Fall der Sauerland-Gruppe ist offenbar auch in diese Kategorie einzuordnen. Ebenso könnte es sich mit dem Werdegang Eric Breiningers verhalten haben. Die taz schrieb:
„Es ist ein Wandel von einem Jugendlichen, der bei Borussia Neunkirchen Fußball spielt und sich die Haare gelt. Der nach der Scheidung seiner Eltern bei der Mutter aufwächst, gelegentlich kifft und als labil gilt. Einer, der ‚sich immer leicht beeinflussen ließ’, wie seine Schwester einmal sagte. Innerhalb weniger Monate wird er zum Staatsfeind Nummer eins, der mit internationalem Haftbefehl gesucht wird und vor dem auf Militärbasen in Afghanistan gewarnt wird.
Er lernt einen muslimischen Kollegen kennen. Der bringt ihn mit Daniel Schneider, einem der inzwischen verurteilten Sauerlandterroristen, und dem Deutschlibanesen Hussein al-Mallah zusammen, mit dem er später in den heiligen Krieg ziehen wird.“ (21)
Ob es sich bei dem „muslimischen Kollegen“ um einen V-Mann handelte, ist nicht bekannt. Aber immerhin ist bekannt, dass die deutschen Behörden zwei V-Leute in unmittelbarer Nähe Schneiders platziert hatten, einer wohnte sogar mit ihm zusammen. Dadurch hatten die Behörden auch Zugang zu Schneiders Laptop. (22)
Schneiders Rechtsanwalt, Johannes Pausch, hat einen neuen Mandanten, der ebenfalls auf die schiefe Bahn des Dschihad geraten ist. Der 18-jährige Kevin S. wurde im November verhaftet, weil er Drohvideos ins Netz gestellt hatte, in denen er die Freilassung Daniel Schneiders forderte.
Kevins vorheriger Anwalt, Christian Kessler, behauptete öffentlich, dass laut den Ermittlungsakten sein Mandant von einem V-Mann der Polizei dazu gedrängt worden sei, die Erpressungsvideos herzustellen.
Nach Angaben des Anwalts, soll der etwa 35-jährige Mann Ende September in der Moschee in Neunkirchen aufgetaucht sein, die sein Mandant regelmäßig besuchte. Er habe den Kontakt zu dem 18-Jährigen gesucht und „den heiligen Krieger“ gegeben. Das Altersgefälle sei bewusst eingesetzt, der V-Mann somit als Respektsperson eingeschleust worden. „Er hat ausgenutzt, dass mein Mandant in seinem jugendlichen Eifer verführbar war“, so Kessler. Sein Mandant habe zwar einige Drohvideos ins Internet gestellt, in denen er zum Heiligen Krieg aufruft und den Kampf der Mujahedin preist. Zwischenzeitlich, und zwar bevor der V-Mann eingesetzt worden sei, aber habe er sich vom Dschihad distanziert. (23)
Der V-Mann soll in einem der Videos sogar mitgewirkt haben. Die Behörden hatten Kevin schon seit Monaten unter Beobachtung. Durch Äußerungen im Internet waren sie auf ihn aufmerksam geworden. Nachdem dank der Äußerungen seines Rechtsanwalts bekannt wurde, dass Kevin wahrscheinlich ein Opfer der Verführungskünste eines staatlich bezahlten Agent provocateurs wurde, wechselte er seinen Anwalt. Seitdem vertritt ihn Johannes Pausch. Wurde ihm vielleicht zu verstehen gegeben, dass die Verteidigungsstrategie seines ehemaligen Anwaltes für ihn nur zum Nachteil sein könne?
Immerhin hatte sich Pausch im Verfahren der Sauerland-Gruppe „bewährt“. Im Gegensatz zu Schneiders zweitem Anwalt, Bernd Rosenkranz, thematisierte Pausch nicht die geheimdienstliche Beteiligung an dem Plot. (24)
Neben Breininger war es vor allem Bekkay Harrach, der in den letzten zwei Jahren durch gegen Deutschland gerichtete Drohvideos einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte. Unter dem Titel „Al-Qaidas Rettungspaket für Deutschland“ stellte Harrach seine verworrenen Ansichten – so stellte er unter anderem eine mathematische Formel für Al-Qaeda auf – auf das Video-Portal Youtube, wo seine Beiträge bis heute noch zu sehen sind. Harrachs Tod wurde nun vor Tagen in einer Erklärung der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU) unter dem Titel „Neujahr in Waziristan“ bekannt gegeben. (25)
Er sei bei einem Angriff auf den US-Luftwaffenstützpunkt im afghanischen Bagram gestorben. Deutsche Sicherheitskreise stufen die Erklärung als authentisch ein. Deren Inhalt kann aber nur als unglaubwürdig betrachtet werden. So ist die Rede davon, dass bei dem Angriff auf den US-Stützpunkt 200 Soldaten getötet worden seien und dass der Anschlag eine Gemeinschaftsaktion der IBU, der pakistanischen Taliban und Al-Qaedas war.
Dass die IBU seinen Tod am Donnerstag in einem Rundschreiben verkündete, ist einer der Hinweise für die verschwimmenden Grenzen zwischen den Gruppen. Ein zweiter ist, dass laut Rundschreiben und IBU-Video eine enge Kooperation zwischen den pakistanischen Taliban, Al-Qaida und der IBU besteht, so der Spiegel-Terrorexperte Musharbash. (26)
Tatsächlich ist das Rundschreiben eher ein Hinweis darauf, dass man es bei der IBU mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Hätte es diesen erfolgreichen Angriff tatsächlich gegeben, die Taliban hätten damit kaum hinterm Berg gehalten. Auf ihrer Webseite werden im entsprechenden Zeitraum nur Angriffe mit Raketen auf die Basis in Bagram vermeldet. Zudem haben die Taliban zu keiner Zeit erklärt, mit der IBU bzw. der IJU/DTM zusammen zu arbeiten.
Da die Taliban eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben – neben der täglich in mehreren Sprachen aktualisierten Webseite verfügen sie über offizielle Pressesprecher –, sind deren Erklärungen grundsätzlich als glaubwürdiger einzuschätzen als jene der IBU.
Es scheint vielmehr so, als bezwecken solche Erklärungen, aber auch das Agieren der DTM unter dem Banner der Taliban, dass eine nationale Widerstandsbewegung wie die Taliban mit dem internationalen Terrorismus in einen Topf geworfen werden sollen.
Dies dient offenkundig der Delegitimierung der gegen die Besatzung Widerstand leistenden Kräfte. Dabei wird es mit der Wahrheit nicht so genau genommen, wie bereits vergangene Kampagnen gezeigt haben. (27)
Im Hinblick darauf, dass der 11. September 2001 als Begründung für den Einmarsch in Afghanistan herhalten musste, sollte erwähnt werden, dass die IMU bereits vor 9/11 (mindestens) vom usbekischen Geheimdienst infiltriert wurde. Im Januar 2001 verfasste der französische Geheimdienst ein Papier mit dem Titel Hijacking of an Airplane by Radical Islamists. Darin wird über die vermeintlichen Absichten Bin Ladens und seiner Mitstreiter berichtet, Flugzeuge US-amerikanischer Fluglinien zu entführen. Die Franzosen bezogen ihre Informationen von usbekischen Agenten, die die IBU infiltriert hatten. Einige der Agenten endeten in Ausbildungslagern der Al-Qaeda in Afghanistan. Laut dem Bericht wurden die Informationen verifiziert durch den Abgleich voneinander unabhängiger Quellen, darunter auch französische Agenten und abgehörte Satelliten-Telefone. Die Franzosen verständigten ihre Kollegen in den USA – was ohne Konsequenzen blieb. (28)
Ein Grund von vielen, warum laut einer aktuellen Emnid-Umfrage fast 90 Prozent der Deutschen nicht glauben, dass die US-Regierung bezüglich des 11.Septembers die Wahrheit sagt. (29) Der 11. September ist aber der politisch und offiziell vorgegebene Grund für den – bereits zuvor (30) – geplanten Krieg in Afghanistan. Wenn 90 Prozent diese Begründung anzweifeln, müssen neue Begründungen her, die die Präsenz der US-geführten Besatzungstruppen rechtfertigen. Die nächstliegende ist die, dass Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werden muss. Das aber ist wenig plausibel, wenn es keinen internationalen Terrorismus gibt, der vom Hindukusch ausgehend Deutschland bedroht. Da die Taliban offenbar keinerlei Ambitionen haben, muss nachgeholfen werden.
Und dazu dienen Gruppen wie die Deutschen Taliban Mudschahidin. Die spielen zwar in Afghanistan überhaupt keine Rolle, sind militärisch völlig bedeutungslos und kaum als Bedrohung ernst zu nehmen. Aber solange sie sich durch entsprechende Beachtung und publikumswirksame Darstellung seitens der Medien und „besorgter Sicherheitsbehörden“ zum großen Terrorgespenst aufplustern lassen, so lange muss kein Politiker damit rechnen, verhöhnt zu werden, wenn er behauptet, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt.
Anmerkungen
(1) http://www.taz.de/1/nord/hamburg/artikel/?dig=2011%2F01%2F18%2Fa0039&cHash=24ba695943
(2) http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:6c134EmuvgQJ:www.welt.de/politik/ausland/article4772719/Taliban-distanzieren-sich-von-al-Qaida.html+Taliban-distanzieren-sich-von-al-Qaida&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-a
Hier die Original-Erklärung:
http://www.shahamat.info/english/index.php?option=com_content&view=article&id=387:statement-of-the-islamic-emirate-of-afghanistan-on-the-occasion-of-the-eighth-anniversary-of-the-american-attack-on-afghanistan&catid=4:statements&Itemid=4
(3) http://www.shahamat.info/english/index.php?option=com_content&view=article&id=396:germany-should-not-sacrifice-the-historical-relations-with-the-afghans-for-the-interests-of-america&catid=2:comments&Itemid=3
(4) http://cihadmedya.net/11_Elif-Medya-Cok-Yakinda-Yayinda-Olacak.html
(5) http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/eine-hilfsbereite-schwester/
(6) http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2007/1004/alqaida.php5
(7) http://www.ruhrbarone.de/iju-die-erfundene-terrorgruppe/
(8) http://www.youtube.com/watch?v=mo2CwqlEG3U
(9) http://www.paul-schreyer.de/recherchen_17.html
(10) http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/fachpublikationen/sbg_IJU_Strategic_Insights_ks.pdf
(11) http://www.hintergrund.de/20080926265/globales/terrorismus/terror-eric-und-das-phantom-der-islamischen-dschihad-union.html
(12) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,646268,00.html
(13) http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EA2E22F2A85FB400E8FD81CC1A5919A47~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(14) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-59673675.html
(15) http://www.hintergrund.de/20070928123/politik/inland/die-spur-der-dienste.html
(16) http://www.jungewelt.de/2007/09-26/007.php
(17) http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dasfeature/918250/
(18) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,576682,00.html
(19) http://www.focus.de/politik/deutschland/focus_aid_56080.html
(20) http://www.hintergrund.de/201012101280/globales/terrorismus/terror-in-den-usa-fbi-im-zwielicht.html
(21) http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/das-tagebuch-des-deutschen-talib/
(22) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,576682,00.html
(23) http://www.sr-online.de/nachrichten/1668/1141953.html
(24) http://www.swr.de/blog/terrorismus/?p=1550
(25) http://www.kalimattauhidmedia.net/file/neujahr-in-waziristan.pdf
(26) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,740313,00.html
(27) http://www.hintergrund.de/201010141190/hintergrund/medien/bibi-aisha-die-propaganda-luege-von-dem-angeblichen-talibanverbrechen.html
(28) http://www.abledangerblog.com/2007/04/translated-article-from-le-monde.html
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(29) http://www.911-archiv.net/blog/sittingbull/erschreckende-umfrage-von-welt-der-wunder-und-emnid.html
(30) http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/1550366.stm
http://web.archive.org/web/20020321132423/http://www.indiareacts.com/archivefeatures/nat2.asp?recno=10&ctg