Bombenimplantate als Vorwand. Oder: Warum die US-Regierung die Angst vor Terroranschlägen am Leben hält
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Von THOMAS WAGNER, 7. Juli 2011 –
Alle Jahre wieder bringen die US-Behörden ihre Bürger und den internationalen Flugverkehr mit einer neuen Terrormeldung auf Trab. Manche erinnern sich noch an den Weihnachts- oder Unterhosenbomber vom 25. Dezember des Jahres 2009. (1) Im Oktober des vergangenen Jahres waren es Meldungen über angeblich vereitelte Paketbombenanschläge, mit der die Welt in Atem gehalten wurde. (2)
Nun gaben die US-Behörden eine Warnung an die Fluggesellschaften aus, deren vage Botschaft lautete, dass womöglich künftig eine Gefahr von Attentätern ausginge, die sich Bomben in den Körper einpflanzen könnten. Als Quelle für die vom Weißen Haus anscheinend bestätigte Warnung (3) der nationalen Flugsicherheitsbehörde Transportation Security Administration (TSA) wird ein Memo der US-Bundespolizei und des Heimatschutzministeriums angegeben. (4)
Der Inhalt des Papers lässt sich nur indirekt, nämlich anhand der Pressemeldungen erschließen. Demzufolge scheint er recht hypothetischer Natur zu sein. Neue Informationen deuteten darauf hin, dass Terroristen diese Taktik „ernsthaft in Erwägung ziehen“, berichtete die Los Angeles Times am Mittwoch unter Berufung auf US-Regierungsbeamte.
Obwohl konkrete Pläne nicht bekannt sein sollen, drängen die Behörden schon mal vorsorglich auf verstärkte und zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen in den USA wie auch auf ausländischen Flughäfen, da herkömmliche Scanner derartige Bomben nicht ohne weiteres erkennen könnten.
Mit den bisherigen technischen Möglichkeiten sei ein unter die Haut implantierter Plastiksprengstoff nicht nachweisbar, wird Nicholas Kimball, ein Sprecher der US-Flugsicherheitsbehörde Transportation Security Administration, von dem Blatt zitiert. Außerdem habe der britische Geheimdienst MI5 bereits im vergangenen Jahr einen Bericht über die Möglichkeit solcher Bombenimplantate vorgelegt.
Neue Informationen legten nahe, dass der jemenitische Zweig von Al-Qaeda diese Taktik tatsächlich ernsthaft in Erwägung zöge. Das sagte ein US-Behördenvertreter, der aus Sicherheitsgründen von der Zeitung namentlich nicht genannt werden wollte. (5) Nachdem die USA verstärkt auf den Einsatz von Körperscannern auf den Flughäfen setzten, hätten terroristische Gruppen wiederholt ein Interesse gezeigt, neue Wege zu finden, um Bombenanschläge zu verüben. Das sagte ein weiterer Angehöriger einer US-Sicherheitsbehörde, der ebenfalls nicht genannt werden wollte. (6)
Auffällig ist, dass wieder einmal die jemenitische „Al-Qaeda-Filiale“ AQAP („Al-Qaeda in the Arabian Peninsula“) ins Spiel gebracht wird. Über deren prominentestes Mitglied, den sogenannten Weihnachtsbomber Umar Farouk Abdulumuttalab, war bekannt geworden, dass er längst unter der Kontrolle der US-Geheimdienste stand, als er in die USA einreiste. (7) Sein misslungener Anschlag wurde dann in den USA als Begründung für die Ausweitung militärischer Interventionen in Jemen herangezogen. In Deutschland boten er und die „vereitelten“ Paketbombenanschläge des Folgejahres eine gute Gelegenheit, um Nachrüstungsforderungen im Bereich der Inneren und Äußeren Sicherheit mehr oder weniger dezent in den öffentlichen Raum zu stellen.
Diesmal könnte es einerseits darum gehen, den Jemen als legitimes Feld für US-Militärinterventionen weiterhin im Gespräch zu halten und andererseits darum, eine weitere qualitative und quantitative Überwachungsmaßnahmen an Flughäfen vorzubereiten.
Der bereits erwähnte anonyme US-Sicherheitsexperte macht keinen Hehl daraus, dass es bei der Weitergabe von Informationen über implantierte Explosivkörper darum geht, den Fluggästen eine potenzielle terroristische Bedrohung ständig vor Augen zu halten. Sie helfe, die Möglichkeit von Anschlägen im Bewusstsein zu halten, wird er von der Los Angeles Times zitiert. (8)
Mit anderen Worten: Sie sollen permanent zumindest latent in Angst und Schrecken gehalten werden. Diesmal könnte es den Passagieren über diese sanfte Form des staatlichen Terrorismus hinaus buchstäblich an die Wäsche gehen. Und zwar viel weiter, als es mit den bisher verwendeten Körperscannern ohnehin schon möglich ist.
Darauf deuten jedenfalls die Ausführungen in dem bereits zitierten Artikel der Los Angeles Times hin. Denn wenn der implantierte Sprengstoff unter der Haut nur schwer zu erkennen ist und krank aussehende Fluggäste als potenzielle Sprengstoffträger verdächtig sind, wie dort suggeriert wird, dann scheinen Maßnahmen geboten, die es erlauben, ihnen mit Spürhunden und speziellen Detektoren noch näher auf den Pelz zu rücken. Der beste Weg, um Gewissheit zu erlangen, wäre die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen, wird ein Experte in dem Blatt zitiert. Diese Methode werde derzeit wegen der hohen radioaktiven Strahlung aber nicht auf Flughäfen angewandt. (9)
Möglicherweise wird das Gesundheitsrisiko für den einzelnen „Terrorverdächtigen“ bei einer von den Sicherheitsbehörden leicht zu suggerierenden Veränderung der sogenannten Bedrohungslage künftig keine so große Rolle mehr spielen. Jedenfalls in begründeten Ausnahmefällen, wie es immer so schön heißt: wenn die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht, der Verdächtige keinen US-Pass vorweisen kann, aus dem Jemen stammt und, und und.
(1) http://www.hintergrund.de/20100104639/globales/terrorismus/der-weihnachtsbomber-als-kriegsvorwand.html
(2) http://www.hintergrund.de/201011011220/globales/terrorismus/der-paketbomben-hype-wem-nutzt-die-neueste-terrordiskussion.html
(3) http://www.blick.ch/news/ausland/us-regierung-fuerchtet-menschliche-bomben-176212
(4) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,772859,00.html
(5) http://www.latimes.com/news/nationworld/nation/la-na-explosive-implants-20110707,0,3588476.story
(6) Ebd.
(7) http://www.hintergrund.de/20100109653/globales/terrorismus/ist-der-taeter-ein-opfer-der-geheimdienste-zum-vereitelten-anschlag-auf-den-flug-253.html
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(8) http://www.latimes.com/news/nationworld/nation/la-na-explosive-implants-20110707,0,3588476.story
(9) Ebd.