Bin Ladens Geheimdienst-Versteck
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
Von REDAKTION, 6. Mai 2011 –
Mit der bisherigen (Stand 5.Mai) Weigerung, Aufnahmen des getöteten Bin Laden zu veröffentlichen, nährt die US-Regierung Zweifel, ob die Behauptung seiner Tötung der Realität entspricht. Schließlich wurde Bin Ladens Tod schon mehrfach von unterschiedlichen Quellen verbreitet. Jedoch wurden bei dem Einsatz der Navy SEALs am 2. Mai 2011 in Abbottabad über ein Dutzend seiner engsten Angehörigen, die sich auf dem Anwesen befanden, von den pakistanischen Behörden festgenommen. Deren an die Öffentlichkeit weitergegebene Aussagen sprechen dafür, dass es sich tatsächlich um Osama Bin Laden gehandelt hat. Laut seiner 12-jährigen Tochter sei dieser aber erst nach seiner Überwältigung getötet und somit regelrecht hingerichtet worden. (1)
Ein bisher unentdecktes Versteck in Abbottabad? Die Stadt in der ehem. pakistanischen Nordwestprovinz liegt nur 50 Kilometer Luftlinie nördlich der Hauptstadt Islamabad, hat gut 100.000 Einwohner und ist Verwaltungssitz. Auf Grund ihrer Lage in einem romantischen Tal und auf Grund ihrer Sauberkeit wird Abbottabad zu den schönsten Städten des Landes gezählt. (Quelle: Wikipedia) |
Auch wenn die Angaben über die Umstände der Tötung Bin Ladens widersprüchlich sind, erhärten sie dennoch den Verdacht der Kooperation des Al-Qaeda-Chefs mit den Geheimdiensten. Das von ihm genutzte Anwesen in Abbottabad, welches teilweise einen festungsartigen Charakter aufwies, befindet sich nur unweit einer Militärakademie und ist umgeben von Residenzen hochrangiger Militärs und Geheimdienstangehöriger. Kaum vorstellbar, dass sich Bin Laden in diesem sicherheitsrelevanten Gebiet über Jahre unbemerkt verstecken konnte. Zumal das Gelände zuvor vom pakistanischen Geheimdienst genutzt worden sein soll. (2) Offenbar hatte der „Terrorfürst“ keine Vorkehrungen gegen einen Angriff getroffen. Die 40 Minuten andauernde Kommando-Aktion hätte ihm oder seinen Vertrauten genug Zeit gegeben, später beschlagnahmtes Beweismaterial wie beispielsweise Datenträger zu vernichten. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand gab es auch keine bewaffnete Gegenwehr seinerseits. Aufgegriffen wurde Bin Laden auch nicht in einem „Panic Room“ (3), sondern in einem Schlafzimmer. Dass Abwehr-Maßnahmen gegen einen möglichen Angriff nicht getroffen wurden, lässt nur den Schluss zu, dass sich Bin Laden in Sicherheit wiegte. Das legt die Vermutung nahe, dass er den Schutz pakistanischer Stellen genoss und daher keine Angst vor einem Zugriff hatte.
Ein Verdacht, der nun auch offensiv aus den Reihen der US-Geheimdienste geäußert wird. Laut einem Gespräch der Nachrichtenagentur dapd mit einem hochrangigen CIA-Mitglied, haben diesem zufolge „entscheidende Teile“ des pakistanischen Geheimdienstes ISI schon lange die Hand über Osama bin Laden gehalten.
Die US-Regierung habe aus „übergeordneten Gründen immer über die Vermutungen und Hinweise hinweggesehen“, so der CIA-Mann. Washington habe daher stets „ein Auge zugedrückt“. Osama Bin Laden sei seit dem Krieg gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan in den 1980er-Jahren ein „Kind des ISI gewesen“. (4)
Was zwischen den Zeilen gelesen nichts anderes heißt, als dass der Kampf gegen Bin Ladens Al-Qaeda nur ein untergeordnetes Anliegen war, obwohl er doch als der eigentliche Grund des „War on Terror“ ausgegeben wird. Eile legten die US-Terror-Fahnder jedenfalls nicht an den Tag, des Al-Qaeda-Chefs habhaft zu werden. Offiziell war dessen Domizil seit August vergangenen Jahres im Visier der US-Behörden. Auf die Schliche sei man ihm durch die Aussagen der Guantanamo-Häftlinge Khalid Sheikh Mohammed und Abu Faraj al-Libi gekommen, die einen Kurier Bin Ladens identifiziert haben sollen.
Aus den Ende April 2011 von WikiLeaks veröffentlichen Guantánamo-Dokumenten gehen weitere Details hervor. So heißt es in einem Top-Secret-Dokument von 2008, dass al-Libi im Juli 2003 einen Brief von Bin Ladens Kurier erhalten hatte. Dem Inhalt zufolge sollte al-Libi Spenden sammeln und diese an Angehörige der Al-Qaeda-Aktivisten in Pakistan verteilen. Auch sollte er als Bin Ladens offizieller Verbindungsmann fungieren.
„Mitte 2003 zog al-Libi mit seiner Familie nach Abbottabad und arbeitete zwischen Abbottabad und Pershawar“, so das US-Dokument. (5) Bis 2004 lebte er dann in der Stadt, die dank Bin Ladens Tod internationale Berühmtheit erlangte.
„Obwohl das Dokument nicht behauptet, dass sich Bin Laden in Abbottabad versteckt hat, wurde die Stadt eindeutig als mögliches Schlupfloch der Al-Qaeda-Führung identifiziert, ebenso wie die Namen verschiedener Kuriere“, schreibt die britische Daily Mail. (6)
In einem Interview einen Tag nach der Tötung Bin Ladens erklärte die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice, dass schon zu ihrer Amtszeit der Kurier identifiziert worden war. (7)
Der Vorwurf von US-Geheimdienstleuten an ihre pakistanischen Kollegen, Bin Laden geschützt zu haben, könnte daher auf sie selbst zurückfallen. Nicht nur, dass sie jahrelang „ein Auge zugedrückt“ haben, vielmehr erfolgte die Unterstützung des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence (ISI) für die afghanischen Mudschaheddin unter Anweisung des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Der ISI diente „praktisch als verlängerter Arm der CIA“, so der kanadische Professor Michel Chossudovsky. (8)
Viele der ISI-Agenten stehen auch auf der Gehaltsliste der CIA. Ein pakistanischer Militär bezeichnete die Tätigkeit der Doppelagenten als das „größte Problem“ für die pakistanischen Sicherheitsbehörden. (9)
Das Verhältnis der beiden Geheimdienste wurde auf eine harte Belastungsprobe gestellt, nachdem der CIA-Agent Raymond Davis im Februar dieses Jahres zwei Pakistaner in Lahore erschossen hatte.
„Der ISI befürchtet, dass die CIA Hunderte von Spionen angeheuert hat, die in Pakistan ohne Wissen der pakistanischen Regierung oder des Geheimdienstes operieren, sagte ein pakistanischer Geheimdienstbeamter.“ (10)
Seit Jahrzehnten verfügt der US-Auslandsgeheimdienst über ein enges Netzwerk an Zuträgern und Informanten in Pakistan, bildet ISI-Agenten aus und versorgt die pakistanischen Kollegen mit Geldern und Logistik. Es dürfte daher nicht viel geben, was der ISI weiß, wovon die CIA nichts weiß.
Die gegenwärtige Empörung aus den Reihen der CIA über die Verbindungen des ISI zu Al-Qaeda erscheinen besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, die schon seit über neun Jahren bekannt ist, heuchlerisch, dass nämlich der mutmaßliche 9/11-Hijacker Mohammed Atta insgesamt 100.000 US-Dollar in den Wochen vor dem 11. September 2001 vom Al-Qaeda-Terroristen Saeed Sheikh erhielt. Sheikh gilt als Doppelagent des ISI und kooperierte wahrscheinlich auch mit westlichen Geheimdiensten. (11) Laut indischen Geheimdienstquellen geschah die Transaktion auf Geheiß des damaligen ISI-Chefs General Mahmud Ahmed. (12) Obwohl Letzteres nicht offiziell von US-Behörden bestätigt wurde, musste Ahmed Wochen nach den 9/11-Anschlägen aufgrund des Drucks der USA zurücktreten. Am Morgen des 11. September saß er noch im Capitol in Washington mit Vertretern des Senate and House Intelligence Committees zusammen. (13)
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Verbindungen des ISI zu Al-Qaeda, die bislang zumeist als Verschwörungstheorien abqualifiziert wurden, nun von den USA benutzt werden, Pakistan politisch wieder „auf Linie“ zu bringen, nachdem nicht zuletzt das Raymond Davis-Debakel in den vergangenen Monaten zu einer deutlichen Abkehr von den USA führte. (14) Die Tötung Bin Ladens lässt sich somit auch als Drohung an einen Staat interpretieren, mit dem China als einziges Land der Welt eine „strategische Partnerschaft“ unterhält. Das von den USA mit erschaffene ISI/Al-Qaeda-Tandem dient so auch als Disziplinierungs-Faustpfand. Bereits am Morgen des 12. September 2001 drohten US-Vertreter dem damaligen pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf, sein Land in die „Steinzeit zurück zu bomben“, falls er nicht kooperieren würde. (15)
Weitere Hintergrund-Artikel:
Bin Laden: Das tote Phantom vereint die Welt
Zur Ermordung Osama bin Ladens
Anmerkungen und Quellen:
Abo oder Einzelheft hier bestellen
Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.
(1) http://news.orf.at/stories/2056518/2056509/
(2) http://gulfnews.com/news/world/other-world/bin-laden-compound-in-pakistan-was-once-an-isi-safe-house-1.802539
(3) „Panic Room“ ist in dem gleichnamigen US-amerikanischen Thriller aus dem Jahr 2002 eine Art Bunker mit mehreren Zentimeter dicken Stahlbetonwänden, Überwachungsmonitoren, separater Belüftung und eigenem Telefonanschluss.
(4) http://www.focus.de/politik/ausland/osama-bin-laden/pakistan-geheimdienst-soll-osama-geschuetzt-haben_aid_624023.html
(5) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/pakistan/8488436/WikiLeaks-Osama-bin-Laden-killed-after-tip-offs-from-Guantanamo.html
(6) http://www.dailymail.co.uk/news/article-1382908/Osama-Bin-Laden-dead-Did-WikiLeaks-force-Obama-out.html
(7) http://www.dailymotion.com/video/xijaq2_condoleezza-rice-on-bin-laden-s-death_news
(8) http://www.hintergrund.de/201010071179/globales/terrorismus/die-usa-steuern-den-terror-aus-pakistan-und-dem-mittleren-osten.html
(9) http://www.csmonitor.com/2002/0222/p01s04-wosc.htm
(10) http://www.dailytimes.com.pk/default.asp?page=2011