Zionismus als Pathologie
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Die tiefliegenden Ursachen des Terrors, der vom jüdischen Staat ausgeübt wird –
Von SILVIA CATTORI, 22. Januar 2009 –
Die Gründung des Staats von Israel im Jahr 1948 ist durch die ethnische Säuberung von mehr als 750.000 Palästinensern begleitet worden (*) – etwa mehr als die Hälfte der einheimischen Bevölkerung ist, entweder durch Gewalt oder aus generierter Angst wegen der absichtlichen Massaker an der Zivilbevölkerung, aus ihren Städten und Dörfern, wie aus dem Dorf Deir Yassin, vertrieben worden.
Seither hat Israel während seiner sechzig Jahre Existenz – vom Massaker von Sabra und Chatila im Jahre 1982 bis hin zu den Blutbädern, die sich heute in Gaza abspielen, die Zerstörung des Flüchtlingslagers von Jenine und die Zerstörung der palästinensischen Infrastrukturen im Westjordanland im Jahre 2002, die Massaker im Flüchtlingslager von Janaliah im Jahre 2005 und 2006, den massiven Bombardierungen vom Libanon im Jahre 2006 – unter dem Vorwand „sich zu verteidigen" nie aufgehört, seinen Nachbarn Tod und Verwüstung mit der Schlagkraft seiner Luftwaffe, seiner Kriegsmarine und seinen Panzern zu bringen.
Jedes Mal sind wir durch die Brutalität der israelischen Angriffe, der Anzahl der Zivilopfer und durch den Umfang der verursachten Zerstörungen zugleich sehr betroffen und empört gewesen und auch bestürzt über das Laissez-faire der „internationalen Gemeinschaft".
Jedes Mal haben wir auf unseren Bildschirmen gesehen, wie durch die Unterstützung der Mittäterschaft von parteilichen Redaktionen die israelischen Fürsprecher und Botschafter diese begangenen Verbrechen mit schamlosen Lügen rechtfertigen, indem sie gegenüber denjenigen, die sie militärisch besetzen und summarisch hinrichten, ihre Verachtung mit einer Überheblichkeit zeigen, die unwiderstehlich nur an diese erinnert, die die Nazi-Würdenträger damals zur Schau trugen.
Die zerstörerische Verbissenheit von diesem Staat ist nicht Neues für die besetzten Palästinenser, die darunter täglich leiden. Die Vernichtung des Gaza-Ghettos aber, dieses unerträgliche Blutbad, das sich vor unseren Augen abspielt, hat sie der Weltöffentlichkeit offensichtlicher gemacht.
Die entscheidende Frage, weshalb und wie solch eine Brutalität möglich ist, stellt sich heute mit noch mehr Beharrlichkeit.
Zwei Sachkundige Israels haben vor kurzem eine Antwort darauf gesucht: der Historiker Ilan Pappe und der Professor für Politische Philosophie und Philosophie des Rechts, Oren Ben-Dor [1].
Der Zionismus in Frage gestellt [2]
In seinem Artikel mit dem Titel „ Israels selbstgerechte Wut und ihre Opfer in Gaza“ [3] stellt Ilan Pappe fest, dass die von Israel ständig angenommene Stellung der Selbstrechtfertigung „ein Thema ist, das es wert ist, sich damit zu befassen, wenn man die internationale Immunität für dieses Massaker verstehen will, das in Gaza tobt.“
Er beginnt die Propagandawelle der israelischen Medien hervorzuheben, die Heuchelei der voreiligen Rechtfertigungen und die Drohung, die diese für die Palästinenser darstellen:
„Diese Selbstrechtfertigung basiert zunächst auf schieren Lügen (…) die an die dunklen Tage des Europas der 1930er Jahre erinnern. (…) Es gibt keine Grenzen für die Heuchelei, die eine selbstgerechte Wut hervorbringt. Der Diskurs der Generäle und Politiker bewegt sich erratisch zwischen einerseits den Komplimenten, die sie sich selbst machen hinsichtlich der Menschlichkeit, die die Armee bei ihren „chirurgischen" Operationen an den Tag legt, und andererseits dem Bedürfnis, Gaza ein für alle Mal zu zerstören, auf humane Art und Weise, natürlich.
Diese selbstgerechte Wut ist ein ständiges Phänomen bei der israelischen und davor zionistischen Enteignung von Palästina. Jeder Akt, sei es ethnische Säuberung, Besetzung, Massaker oder Zerstörung, wurde immer als moralisch gerechtfertigt dargestellt und als reiner Akt der Selbstverteidigung, der von Israel in seinem Krieg gegen die schlimmste Art Mensch nur widerwillig begangen wird.(…)
Diese selbstgerechte Wut schützt die Gesellschaft und Politiker in Israel vor jedem Tadel und jeder Kritik von außen. Aber weit schlimmer noch, sie wird immer in zerstörerische Politik gegen die Palästinenser umgesetzt. Ohne einen Mechanismus für Kritik von innen und ohne Druck von außen werden alle Palästinenser zu potentiellen Zielen dieser Wut. Angesichts der Feuerkraft des jüdischen Staates kann das unweigerlich nur in noch mehr massiven Tötungen, Massakern und ethnischer Säuberung enden.“
Ilan Pappe erwähnt und charakterisiert das, was er eine „üble Ideologie, die dazu bestimmt ist, menschliche Gräueltaten zu überdecken“ nennt, nämlich: „Zionismus“. Und er beendet mit der Dringlichkeit ihn anzuprangern und ihn zu bekämpfen:
„Wir müssen versuchen, nicht nur der Welt, sondern den Israelis selbst zu erklären, dass Zionismus eine Ideologie ist, die ethnische Säuberung, Besetzung und nun riesige Massaker billigt. Jetzt ist nicht nur eine Verdammung des gegenwärtigen Massakers nötig, sondern auch eine Delegitimierung der Ideologie, die diese Politik produziert hat und sie moralisch und politisch rechtfertigt. (…) Das ist vielleicht einfacher, während – unter den schrecklichsten Umständen – die Aufmerksamkeit der Welt wieder einmal auf Palästina gerichtet ist.
(…)
Trotz der vorhersehbaren Beschuldigung des Antisemitismus und vielem mehr, ist es an der Zeit, im öffentlichen Bewusstsein die zionistische Ideologie mit den in der Zwischenzeit allgemein bekannten historischen Eckpunkten des Landes zu verbinden: der ethnischen Säuberung von 1948, der Unterdrückung der Palästinenser in Israel während der Tage der Militärherrschaft, der brutalen Besetzung des Westufers und nun dem Massaker in Gaza. (…) Indem wir die Verbindung zwischen der zionistischen Ideologie und der Politik der Vergangenheit und den gegenwärtigen Gräueltaten herstellen, können wir eine klare und logische Erklärung für die Kampagne ‚Boycott, Divestment and Sanctions’ liefern.“
Eine selbstmörderische Pathologie
In seinem Artikel mit dem Titel „Israel: Selbstverteidigung durch Selbstmord“ [4] betont Oren Ben-Dor die fortwährende Wiederholung der verübten Massaker durch Israel, die Heuchelei, die der israelische Staat für die Auslösung seines Kriegs in Gaza nutzt und das vorhersehbare Scheitern dieses letzten Versuchs, den palästinensischen Widerstand niederzuschlagen:
„So wie 2006 im Libanon wird das Volk in Gaza von Mörderpiloten eines Mörderstaates massakriert. Diese (…) Wiederholung der groß angelegten israelischen Gewalt, kommt nach einem langen Prozess zur Vollendung. Jener begann in dem Moment, als Israel einseitig seine Siedler und seine territoriale Präsenz von Gaza abgezogen hat. Damit brachte Israel in Gaza das hervor, was man als fernkontrollierten menschlichen Zoo beschrieben hat.
(…)
Abgesehen von der kurzfristigen Antwort auf die Raketenattacken rufen die israelischen Gewaltwellen ein Hinterfragen und Überlegungen hervor. (…) Die gezielten Morde individueller Hamas Mitglieder, selbst das Stürzen ihrer Organisation, die Zerstörung ihrer Infrastruktur und ihrer Büros, wird die legitime Opposition gegen das arrogante und selbstgerechte zionistische Wesen nicht zerstören. Keine Armee, selbst eine gut ausgerüstete und gut trainierte kann einen Kampf gegen eine immer höhere Zahl von Menschen, die keinen Grund mehr haben den Tod zu fürchten, gewinnen.“
Und er stellt die sachliche Frage:
„In Anbetracht des sicheren Scheiterns der Versuche, Stabilität mittels Gewalt, Einschüchterung und Aushungern zustande zu bringen, fragt man sich: Welcher Wunsch motiviert den israelischen Staat auf dieser Welt? Was stellen sich die Israelis vor, was durch dieses Massaker erreicht wird? Da muss es etwas geben, was da unterdrückt ist. Da muss es eine Art von Sein und Denken für die Israelis geben, was da behütet und tatsächlich verteidigt wird, durch die Pathologie einen permanenten Zustand von Gewalt gegen sich zu erzeugen. Welche Art von selbstgerechten Bedingungen – dieser selbstzerstörerische Wunsch, gehasst zu sein?"
Letztlich findet er die Antwort auf diese Frage in „der Unfähigkeit der Israelis, das diskriminierende Fundament ihres eigenen Staates zu hinterfragen“:
„Viele der Palästinenser, die in Gaza leben, sind Nachfahren der 750.000 Flüchtlinge, die 1948 aus dem Land, das jetzt der jüdische Staat ist, vertrieben wurden. (…) Nur durch solche massive ethnische Reinigung konnte ein Staat mit jüdischer Mehrheit und jüdischem Charakter etabliert werden. Die Anwendung des international anerkannten Rechtes der Rückkehr der Vertriebenen würde das Ende des zionistischen Planes bedeuten. (…) Denn außer der Rückkehr würden sie sicherlich auch gleiche Bürgerrechte fordern. In diesem Fall würden sie die fundamentale diskriminierende Vorraussetzung des jüdischen Staates in Frage stellen. (…).Aus den gleichen Gründen, wie Israel seine eigenen nichtjüdischen, die arabischen Bürger diskriminiert, wird es die Rückkehr der Vertriebenen verhindern.“
Er kommt zu dem Schluss, dass nur die Infragestellung der israelischen Apartheid, des „Rechts für Israels als jüdischer Staat in Sicherheit zu existieren“, dem Gewaltzyklus ein Ende bringen könnte, andernfalls wird die „Rhetorik der Selbstverteidigung“ über der „unheimlichen Chronik der Selbstmordvorahnung“ zuschnappen:
„Die Zustimmung des Rechts für Israel, als jüdischer Staat in Sicherheit zu existieren, ist nun der Maßstab für politische Mäßigung geworden. Obama singt bereits den Song. (…) Die Ursache für die Gewalt in Gaza ist eng damit verbunden, wie der Staat zu existieren begonnen hat und mit der nicht aufhörenden Zustimmung zur Apartheids-Prämisse in ihrem Grundbegriff. Israel soll nicht „reformiert“ oder „verdammt“ werden, jedoch durch eine einfache egalitäre Struktur über das ganze historische Palästina ersetzt werden.
Israel braucht einen permanenten Zyklus von Gewalt. (…). Die Gewalt (…) ist ein notwendiges Mittel, um diese vorgegebene Legitimität zu verankern, die als einzige Alternative auf diese Gewalt beansprucht wird. Diese Alternative ist nichts anderes als das „überraschende“ Versagen des „gesunden“, „vernünftigen“ und „gemäßigten“ Friedensprozesses für eine Zweistaatenlösung. Ein Prozess, dessen Ziel es ist, den Apartheidstaat ein für allemal zu legitimieren. Dieses Thema wurde auf eine Weise vereinnahmt, dass der Aufruf zu einem sofortigen Gewaltverzicht den Rohrkrepierer der so ungerechten Zweistaatenlösung wieder aufkommen lässt und die Fortsetzung der Gewalt gewährleistet. (…)
Das, was die israelische Pathologie in ihrer versteckten und fatalen Weise bewerkstelligt, ist das, was die Israelis am meisten befürchten. Es gibt tatsächlich „nur eine Wahl“ für den nationalistischen Plan der ewigen Opfer: Selbstmord mit denen, die sie zu unterdrücken suchen. (…) Die Selbstverteidigung durch Selbstmord unterstreicht den einzigartigen Charakter der israelischen Apartheid. Beides, die Rhetorik des Keine-Wahl-habens und die der Selbstverteidigung, beinhaltet eine unheimliche Chronik der Selbstmordvorahnung. Trotz seiner militärischen Macht ist Israel ein schwacher und im Sterben liegender Staat, der es wünscht, sich selbst zu zerstören. Die größten Nationen der Welt fördern diesen selbstmörderischen Prozess und diese Tatsache verlangt eine dringende Betrachtung.“
Für beide Autoren, wie man es lesen kann, ist die Charakteristik des israelischen Staats die Apartheid, die er ausübt und auf der er gegründet ist, der Grund des Terrors, den er mit Regelmäßigkeit auf seine Nachbarn auslöst, und dass es kein Ende des Gewaltzyklus und der Massaker geben wird, so lange die „internationale Gemeinschaft“ weiterhin diese inakzeptable Ausnahme von der Anwendung des internationalen Rechts dulden wird.
Dieser Artikel erschien am 19.01.2009 in französischer Sprache bei Voltairenet. http://www.voltairenet.org/article159015.html
Die Autorin:
Silvia Cattori (Jahrgang 1942) lebt in der Schweiz und in Italien und arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin. Eine Studie über den Staatsstreichs gegen Allende in Chile weckte ihr Interesse an Politik. Im Jahr 2002 wurde sie während einer Operation der israelischen Armee mit den Ausschreitungen gegen das palästinensische Volk konfrontiert. Damals entschloss sie sich, die Weltöffentlichkeit über den Ernst der Verstöße, die vom israelischen Staat gegen eine schutzlose Bevölkerung begangen werden, aufmerksam zu machen.
(*) Siehe: «Die ethnische Säuberung Palästinas », von Ilan Pappe, Zweitausendundeins Verlag, 2007. http://www.zweitausendeins.de/artikel/buecher/sachbuecher/politik_zeitgeschichte/?ArticleFocus=0&show=200320
Übersetzung aus dem Französischen : Monica Hostettler
Quellen:
[1] Ilan Pappe (Jahrgang 1954)
Ilan Pappe ist ein israelischer Historiker. Er war Professor an der Universität Haifa und lehrt nun an der Universität Exeter in England. Pappe gehört zur Gruppe der Neuen israelischen Historiker, die auf kritische Art und Weise die israelische Geschichte und die des Zionismus noch einmal überprüfen. Wegen seiner Unterstützung zum Boykott gegen die Universitäten Israels und wegen Morddrohungen ist Ilan Pappe im letzten Jahr gezwungen worden, seinen Posten als Professor in Politischen Wissenschaften an der Universität von Haifa zu kündigen und nach Grossbritanien zu emigrieren.
Oren Ben-Dor ist in Israel aufgewachsen und lehrt Politische Philosophie und Philosophie des Rechts an der Law School der Universität von Southhampton, UK.
[2] Zionismus : Eine politische Ideologie, die die Gründung eines jüdischen Staats in Palästina preist und die Rückkehr des jüdischen Volks aus allen Ländern der Welt „in seine historische Heimat, Land Israel" (Eretz Jisraèl) durch Aliyah. Die Zionisten-Bewegung wurde beim Kongress in Basel im Jahre 1897 von Theodor Herzl gegründet. Herzl war ein österreichischer, jüdischer Journalist und Schriftsteller, er ist Autor von „Der Judenstaat".
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[3] Siehe :
– „Israels selbstgerechte Wut und ihre Opfer in Gaza", von Ilan Pappe, zmag.de 2. Januar 2009.
– Originaltext auf Englisch : “Israel’s righteous fury and its victims in Gaza”, The Electronic Intifada, 2. Januar 2009.
[4] Siehe:
– Originaltext auf Englisch : “The Self-Defense of Suicide”, Counterpunch, 1. Januar 2009.
– Auszug aus der Übersetzung von Frigga Karl.