Niederlande: Kein völkerrechtliches Mandat für den Irakkrieg
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Untersuchungsausschuss stürzt Balkenendes Koalitionsregierung in die Krise –
Von REDAKTION, 13. Januar 2010 –
Fast sieben Jahre nach der US-Invasion im Irak kommt eine niederländische Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass die von der Regierung in Den Haag angeführten UN-Resolutionen zur mangelnden Kooperation der irakischen Regierung mit den UN-Waffeninspekteuren „kein adäquates völkerrechtliches Mandat“ für einen Krieg waren.
Ministerpräsident Jan Peter Balkenende bringt der am Dienstag vom Kommisionsvorsitzenden Willibrord Davids vorgelegte Bericht in schwere in Bedrängnis. Denn seine Regierung war es, die die Invasion im Jahr 2003 für völkerrechtlich legitimiert erklärt hatte.
Ein Geheimdossier, in dem Experten des niederländischen Außenministeriums gewarnt hatten, ein Angriff auf den Irak könne gegen das Völkerrecht verstoßen, habe Balkenende fast vollständig seinem damaligen Außenminister Jaap de Hoop Scheffer überlassen, heißt es in dem Bericht. Balkenendes Parteifreund wurde wenig später NATO-Generalsekretär.
Nach dem Sturz Saddam Husseins schickten die Niederlande Soldaten zur Unterstützung der US-geführten Koalitionstruppen in den Irak.
Während Balkenende bis heute darauf besteht, dass der Krieg unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts gerechtfertigt gewesen sei, fordert ihn die Opposition zum Rücktritt auf. Sogar die mit Balkenendes Christdemokraten (CDA) koalierende sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvDA) bezeichnete die Erkenntnisse der Kommission als „stark und beunruhigend.“
Nach Ansicht der niederländische Zeitung „de Volkskrat“ stellt der Untersuchungsbericht daher eine ernste Gefahr für Balkenendes Regierungskoalition dar. Denn der sozialdemokratische Koalitionspartner ist alles andere als einverstanden mit der wenig selbstkritischen Haltung des christdemokratischen Regierungschefs.
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Balkenende hatte die Untersuchung der politischen Unterstützung seiner Regierung für das Vorgehen der USA unter Präsident George W. Bush gegen den Irak jahrelang verhindert. Erst nachdem die Zeitung „NRC Handelsblad“ am Anfang des vergangenen Jahres an das besagte Geheimdossier gelangte und darüber berichtete, sah er sich gezwungen, dem Drängen der Opposition sowie der inzwischen an der Regierung beteiligten Sozialdemokraten nach einer unabhängigen Untersuchung nachzugeben.
Unterdessen ergaben die Ermittlungen eines parallel in Großbritannien eingerichteten Irak-Untersuchungsausschusses, dass der frühere britischen Premierministers Tony Blair den USA schon lange vor der Irak-Invasion militärische Hilfe zugesagt hatte. Die britische Kommission soll unter anderem klären, ob Blairs ehemaliger Sprecher und engster Vertrauter Alastair Campbell einen Regierungsbericht frisiert hat, um die Existenz von Massenvernichtungswaffen zu belegen.