Globales Verderben
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USA zetteln Rüstungswettlauf chinesischer Anrainerstaaten an – Deutschland befeuert die Konflikte –
Von VOLKER BRÄUTIGAM, 9. Januar 2012 –
Während unsere Leitmedien tagtäglich europäische und transatlantische Nabelschau pflegen und ihr Publikum mit Unglücksbotschaften über das Wirtschafts- und Finanzchaos sowie über Unwetterkatastrophen (vulgo: Klimawandel) unterhalten, droht auf der anderen Seite der Erde der Weltenbrand: globales Verderben, beginnend mit einem Krieg zwischen der Volksrepublik China und einigen ihrer Nachbarstaaten, angezettelt jedoch von den USA. Und befeuert von Berlins Kriegstreiber-Fraktion.
Die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres sind im wahnwitzigen Rüstungswettlauf: Vietnam, Philippinen, Indonesien, Brunei, Malaysia sowie Taiwan; sogar der Stadtstaat Singapur deckt sich mit Angriffswaffen (Tarnkappen-Bomber!) ein. Auch Indien und die VR China rüsten massiv. Zündstoff: die mächtigen Öl- und Gasvorräte unter dem Boden der Südchinesischen See, im Spratly-Archipel – mit 18 Milliarden Tonnen die viertgrößte Öllagerstätte der Erde. Und das überragende geostrategische Interesse an dieser Region. Durch sie führt die inzwischen wichtigste Schifffahrtsstraße der Welt. (1)
Präsident Obama hat vor dem australischen Parlament am 17. November mit Blick auf den Ressourcenreichtum in Fernost den Herrschaftsanspruch der USA über diese Weltgegend bekräftigt. Zur dauerhaften Bezwingung des Konkurrenten VR China sollen US-Truppen jetzt auch in Australien stationiert werden. Die USA streben in Südostasien weitere Militärpakte an, wollen noch mehr Marinesoldaten, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge für ihre Bastionen. „Die Vereinigten Staaten sind im 21. Jahrhundert im gesamten asiatisch-pazifischen Raum präsent“, und zwar „um hier zu bleiben“ (2), – so hat Obama von Canberra aus den neuen Kalten Krieg erklärt.
Chinas Präsident Hu Jintao äußerte daraufhin am 6. Dezember vor der Zentralen Militärkommission in Peking, die Marine müsse sich zum „Schutz des Landes und zur Wahrung des Weltfriedens dringend auf Krieg vorbereiten“. (3)
Unsere Leit- und Konzernmedien berichteten nur wenig über Obamas Auftritt in Canberra. Über Präsident Hus Rede in Peking gar nichts.
Dabei häufen sich bedrohliche Ereignisse im Südchinesischen Meer: provokante US-Seemanöver gemeinsam mit Japan und den Philippinen, auch mit Indonesien. Japanische Kriegsschiffe legten sich wiederholt mit chinesischen Fischkuttern an. Japan hängt vom Öl aus dem Westen ab, und der Seeweg ist deshalb von vitalem Interesse. Indien ist beim Spiel mit dem Feuer ebenfalls dabei. Das demnächst bevölkerungsreichste Land der Erde strebt gleichermaßen nach wirtschaftlicher Weltgeltung und ist traditionell dabei, wenn es gegen die VR China geht.
Die Bundesrepublik, Speerspitze der europäischen NATO-Staaten, agiert vorerst „nur“ mit politischer Wühlarbeit in Fernost, changiert dabei gegenüber der VR China zwischen ökonomischer Anbiederei und politischer Intransigenz. Das Internetportal German Foreign Policy (gfp) berichtete beispielsweise von Berliner Anstrengungen, in aller Stille mit Myanmars Militärregime ins Geschäft zu kommen, Rüstungsgüter inklusive, und es dem Nachbarn China abspenstig zu machen. (4) Derweil rüstet Deutschland stiekum die eigene Marine auf, u.a. mit der gefährlichsten Angriffswaffe überhaupt: mit U-Booten, die Raketen abfeuern und wochenlang unter Wasser fahren können, wegen ihrer Brennstoffzellen- und Tarnkappentechnik aber nicht zu orten und damit noch bedrohlicher sind als die modernsten Flugzeugträger.
Zugleich bereichert sich die deutsche Rüstungsindustrie am Waffenexport nach Fernost. Berlin entspricht somit den Empfehlungen der führenden außenpolitischen Zeitschrift Internationale Politik (IP): „ … auf die Aufrüstung der Kriegsmarine konzentrieren und sich damit auch für die Konkurrenz gegen die Volksrepublik China wappnen ….“. (5)
Pure Kriegstreiberei ist das. Berlin lässt überdeutliche Warnungen in der Pekinger Global Times außer Acht, deren Ernst schon vor Monaten hätte wahrgenommen werden müssen. Das Blatt ist eines der Foren der chinesischen KP. Die Beiträge eines Autors namens Long Tao zeigen, dass viele Entscheidungsträger in Peking längst die Nase voll haben von antichinesischer Destruktion und Agitprop der USA – und deren Vasallen.
Sachlich, aber sehr entschieden erklärt Long Tao, die USA hätten im Südchinesischen Meer nicht genug „Wampe“ für einen militärischen Zusammenstoß mit der Volksrepublik. (6) Es sei an der Zeit, den Anrainern dort „eine Lektion zu erteilen“. (7) Damit sind nur vordergründig die oben schon aufgezählten asiatischen und westpazifischen Nachbarn angesprochen. Im Kontext gemeint sind die USA.
Der Autor Long Tao ist, wie mir ein chinesischer Kollege versicherte, „ein angesehener, hoher Offizier der Volksbefreiungsarmee“, er spreche mit Volkes Stimme. Die Global Times weist Long als „strategischen Analysten des China Energy Fund Committee“ aus, einer in Hongkong basierten Denkfabrik. Ersichtlich ist: Da spricht einer Klartext, der sehr genau weiß, was er sagt. Dass dieser Offizier auch die Kompetenz hat, es laut zu sagen, erweist sich nunmehr an den Worten des Staatspräsidenten.
Long weist darauf hin, dass die rund 750 Inselchen und Riffe des Spratly-Archipels in der Erweiterten Wirtschaftszone der Volksrepublik liegen. Das trifft zwar zu, aber es überlappen sich dort eben auch die Wirtschaftszonen der konfligenten Staaten. Peking erhebt darüber hinaus, wie übrigens sogar das fast 2.000 Seemeilen entfernte Taiwan und alle übrigen Konkurrenten, territoriale Ansprüche, macht sie aber im Gegensatz zu den anderen bisher nur mit der Präsenz von Kriegsschiffen sowie einem Deich um ein Gemüsefeld auf einem der Riffe geltend.
Den größten Teil der Inselgruppe hat die Sozialistische Republik Vietnam mit Armeeposten besetzt. Sie unterhält außerdem einen Flugplatz. Auch Malaysia, die Philippinen und die „Republik China“ (Taiwan) haben Luftwaffenstützpunkte und Garnisonen angelegt. Washington stachele die Anrainer am Südchinesischen Meer permanent an, auszuloten, wie weit sich ihre Truppen vorwagen könnten, ohne ins Feuer zu geraten. Die USA profitierten von derlei inszenierten regionalen Konflikten, wohingegen China gar zu geduldig Frieden wahre; es solle endlich militärisch antworten: „Wir wollen nicht Feindschaft und Krieg, aber wir haben genug von einem Tyrannen, der sich als Demokrat maskiert.“ Long weiter: „Vier militärische Flugbasen gibt es auf den Inseln. Keine davon gehört der VR China. Es gibt mehr als 1.000 Förderanlagen für Öl und Gas. Keine davon gehört der VR China. Wir sollten endlich hingehen und uns Öl nehmen.“
In Longs Artikelserie und besonders in Präsident Hus Adresse an die Zentrale Militärkommission wird sichtbar, dass die VR China erst jetzt eine geostrategische Gesamtkonzeption entwickelt, während Washington längst militärisch die imperiale Rolle spielt und seiner globalen Kriegsagenda folgt. In Peking werden deshalb Forderungen laut, entschiedener auf die mittlerweile erzielte eigene Stärke zu setzen. Man weiß: Nicht Syrien und der Iran sind die Endziele der US-Aggression, sondern Russland und die VR China – und man baut vor.
Das wiederum ist Stoff für Agitprop aus den US-amerikanischen Giftküchen. Eine Kostprobe psychologischer Kriegsführung servierte dieser Tage die in New York ansässige New Tang Dynasty Television, NTD-TV. In ihrem auf Chinesisch ausgestrahlten Magazin Tabu-Nachrichten aus China (Zhōngguó jìnwén) wurde einem Professor der Nationalen Militärakademie in Peking, dem Generalmajor Zhang Zhaozhong, der ungeheuerliche Satz in den Mund gelegt, China werde nicht zögern, zum Schutz des Iran den Dritten Weltkrieg zu führen. (8) Einen Beleg für die Echtheit des Zitats blieb der US-Sender schuldig. Der Vorfall reiht sich ein in die kriegsvorbereitende Propagandaschlacht der USA.
Chinas wachsender Zorn ist eine verständliche Reaktion auf permanente militärische Drohungen und Übergriffe der USA und ihre subversive Einkreisungspolitik, die teils mit ökonomischen Pressionen, teils mit aufwiegelnder Agitation und teils mit Sabotage vorgeht. Vom nördlichen Pazifik über Japan, Südkorea, Taiwan, Philippinen, Indonesien, Australien, Malaysia, Indien, Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan sowie selbstverständlich im gesamten Indischen Ozean bis hin zum Persischen Golf und in Nahost manifestiert sich die feindselige, arrogante, imperialistische Supermacht. Mehr als 1.000 US-Militärstützpunkte weltweit sagen eigentlich alles.
Westeuropa mutiert in dieser militärischen Geostrategie zur Quantité négligeable, zur Etappe. Was uns natürlich keine Sicherheit garantiert.
Der Bundesrepublik Deutschland stünde statt ihrer obszönen militärischen Geltungssucht besser an, auf friedlichen Interessensausgleich, auf Partnerschaft und auf Zusammenarbeit mit der VR China und mit Russland zu setzen, aus der NATO auszuscheiden und nach Kräften Entspannungspolitik in Fernost zu betreiben. Stattdessen agiert sie als Landsknecht in US-Diensten und mästet nebenher ihre Rüstungsindustrie: Die erzielte 2011 mit Waffenverkäufen ins Ausland rund 2,2 Milliarden Euro, den höchsten jemals verbuchten Umsatz im deutschen Kriegswaffenexport.
Berlin verantwortet damit „die Ausstattung anderer Länder mit deutscher Waffenhochtechnologie“, resümiert die Pax-Christi-Bewegung. „Das ermöglicht eine Zukunft, in der Deutschland nicht mehr wie in Afghanistan selbst Krieg führt, sondern am Krieg zwar verdient, sich selbst aber als Friedensmacht darstellen kann.“ Das seriöse, kritische Internet-Portal Schattenblick konstatiert: „Rüstungsexportkontrolle findet de facto nicht statt. In Zeiten der Krise und Kriegsgefahr boomt der deutsche Waffenexport.“ (9)
Der Außenpolitik-Experte Th. Speckmann, Lehrbeauftragter in Bonn, Referent in der Düsseldorfer Staatskanzlei und Aufsatzschreiber in Personalunion, findet das allerdings richtig: „Für die Einsätze (sic!) der Zukunft benötigt die Bundeswehr vor allem eine starke Marine – eine Binsenweisheit in einer Zeit, in der über 80 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg erfolgen.“ Begründend verweist Speckmann darauf, dass die Bundesrepublik über die drittgrößte Handelsflotte und sogar über die größte Containerschiffsflotte weltweit verfüge und sich zu deren Schutz nicht ausschließlich auf die Kriegsflotte der USA verlassen solle. (10)
Maritime Großmannsucht hat deutsch-nationalistische Tradition. Schon Kaiser Wilhelm II. gab die Losung aus: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser.“ Übernimmt Berlin derart fatales Denken und konkurriert gar mit der VR China, dann werden wir mal wieder baden gehen – so wie 1918 und 1945.
Mit freundlicher Genehmigung der Politikzeitschrift Ossietzky
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Anmerkungen und Quellen
(1) vgl.: V.B., „Korallenriffe mit viel Öl darunter“, Ossietzky, Heft 22, 2004
(2) s. u.a.: http://www.economist.com/node/21538803
(3) s. u.a.: http://www.gov.cn/english/2011-12/06/content_2012951.htm
(4) in: „Ein alter Partner der Militärs“, gfp-Newsletter 08.12.2011 –
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58217
(5) zitiert nach gfp, „Wettrüsten auf See“, in: Newsletter 11.11. 2011 – http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58198
(6) in: http://english.people.com.cn/90780/7635057.html
(7) in: http://www.globaltimes.cn/NEWS/tabid/99/ID/677717/Time-to-teach-those-around-South-China-Sea-a-lesson.aspx
(8) s. u.a.: http://www.prisonplanet.com/chinese-professor-threatens-third-world-war-to-protect-iran.html
(9) http://www.schattenblick.org/infopool/politik/redakt/milt-850.html
(10) Th.S.: „Alle Mann an Bord. Warum die Zukunft der Bundeswehr auf dem Wasser liegt.“ Internationale Politik Heft 6, 2011, S. 32-37