Gegen den Iran gibt es auch eine militärische Option
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Die US-Air Force und Marine-Streitkräfte können Teherans Atomanlagen stark zerstören, wenn die Diplomatie fehlschlägt –
Von REDAKTION HINTERGRUND, 19. August 2009 –
Charles „Chuck“ F. Wald ist ein US-amerikanischer Viersternegeneral und seit 2006 im Ruhestand. Zuvor befehligte er die einleitenden Luftangriffe der Operation Enduring Freedom in Afghanistan und war stellvertretender Kommandeur des U.S. European Command ‘EUCOM’ in Stuttgart. Auch an dem Projekt des Bipartisan Policy Centers (des Zweiparteien-Zentrums) zur Iran-Politik der Vereinigten Staaten, das unter dem Namen "Die Herausforderung annehmen!" lief, hatte er teilgenommen. Heute ist Wald Direktor und Senior Advisor für den Bereich Luft-& Raumfahrt-Industrie der international agierenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte LLP. Er ist verantwortlich für die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern und dem Pentagon, ist Spezialist für die Beschaffung und den Einsatz von Waffen, die „Bekämpfung des Terrorismus“ sowie die nationale und internationale Energie- und Sicherheitspolitik.
Am 8. August dieses Jahres meldete er sich im Wall Street Journal, dem Sprachrohr des US-Finanzkapitals, öffentlich zu Wort und unterbreitete seine Vorschläge zur Lösung des "Iran-Problems". Er hält einen groß angelegten US-Luftangriff auf den Iran für unausweichlich, wenn es nicht gelingen sollte, das legale iranische Atomprogramm mit diplomatischen Mitteln oder Wirtschaftssanktionen zu stoppen. Seine Positionen können als weiteres Indiz gewertet werden, dass die Vorbereitungen für einen geballten Militärschlag gegen den Iran – auch mit taktischen Atomwaffen – längst abgeschlossen sind. HINTERGRUND veröffentlicht den übersetzten Text als Beleg der US-Militärplanungen.
Carles F. Wald im Wall Street Journal: "Bezogen auf den Iran sagte Außenministerin Hillary Clinton im letzten Monat in einem politischen Statement vor dem Council on Foreign Relations / CFR (dem Rat für auswärtige Beziehungen) : "Wir können nicht ängstlich davor zurückschrecken, uns zu engagieren." Trotzdem hat die iranische Regierung die ausgestreckte Hand des Präsidenten Obama bisher noch nicht ergriffen.
Selbst wenn Teheran plötzlich zu Gesprächen bereit sein sollte, müssen sich die US-amerikanischen Politiker auch auf den Fall einstellen, dass die Diplomatie versagt. Es gibt zwar viele Diskussionen über Wirtschaftssanktionen, wir dürfen aber auch die Rolle des Militärs in einem Plan B nicht vernachlässigen.
In der Öffentlichkeit findet kaum eine ernsthafte Diskussion über die militärischen Mittel statt, die uns (für diesen Fall) zur Verfügung stehen. Jede Äußerung darüber wird entweder als Kriegstreiberei verurteilt oder unterdrückt, als könnten dadurch militärische Geheimnisse verraten werden. Dabei wäre es wichtig, ein derart ernstes Problem unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebener Grenzen so offen wie möglich zu besprechen. Die Diskussion stärkt unsere Demokratie und verhindert Fehlinformationen.
Das Militär könnte bei der Lösung dieses komplizierten Problems eine wichtige Rolle spielen – auch ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Offen demonstrierte Vorbereitungen auf einen größeren Militärschlag könnten sogar verhindern, dass es tatsächlich dazu kommt, wenn Teheran aus dem militärischen Aufmarsch erkennen müsste, wie teuer es das Beharren auf seinen Atomplänen zu bezahlen hätte. Mister Obama könnte zum Beispiel zusätzliche Flugzeugträger-Kampfgruppen und Minensuchboote vor die Küsten des Irans entsenden und entsprechende Militärmanöver mit Verbündeten durchführen.
Wenn dieser Druck die iranische Führung noch nicht zum Einlenken veranlasst, könnte sich die US-Navy in Bewegung setzen, um iranische Häfen zu blockieren. Eine Blockade – die bereits eine Kriegshandlung wäre – könnte die Treibstoffimporte des Irans stoppen, mit denen es etwa ein Drittel seines Bedarfs decken muss. Angesichts der heftigen Proteste nach der letzten Wahl würden Versorgungsengpässe und ihre politischen Auswirkungen der iranischen Führung große Schwierigkeiten machen.
Sollten auch diese Maßnahmen Teheran nicht dazu bringen, sein Atomprogramm aufzugeben und alle diplomatischen Bemühungen und ökonomischen Zwangsmaßnahmen erfolglos bleiben, wäre das US-Militär in der Lage, einen verheerenden Angriff auf die iranischen Atom- und Militäreinrichtungen zu starten.
Viele Politiker und Journalisten halten diese militärische Option wegen falscher Annahmen für undurchführbar. Sie glauben, das US-Militär sei bereits überbeansprucht; wir hätten auch nicht genügend Geheimdienst-Informationen über der genaue Lage aller iranischen Atomanlagen und die uns bekannten seien zu tief verbunkert.
Diese Annahmen sind falsch.
Ein Angriff auf iranische Atomeinrichtungen würde größtenteils aus der Luft erfolgen und hauptsächlich von (den Bombern) der (US-)Air Force und (den Kampfjets, Raketenkreuzern und U-Booten) der (US-)Navy durchgeführt werden, die durch Operationen im Irak und in Afghanistan nicht besonders beansprucht wurden. Außerdem bietet die Anwesenheit von US-Truppen in Ländern, die an der Iran angrenzen, verschiedene Vorteile. Spezialkräfte und Geheimdienst-Trupps, die sich bereits in der Region aufhalten, könnten leicht (in den Iran) eindringen, um Schlüsselpositionen zu sichern oder geheime Operationen durchzuführen. Es wäre vernünftig, zusätzliche Luftabwehrraketen in der Region in Stellung zu bringen, vorhandene Verteidigungsmöglichkeiten und die Truppen der Verbündeten zu verstärken und strategische Partnerschaften mit Ländern wie Aserbaidschan und Georgien auszubauen, um den Iran von allen Richtungen unter Druck setzen zu können.
Während des (sich verschärfenden) Konflikts könnten sogar vorher unbekannte iranische (Atom-)Anlagen entdeckt werden, wenn iranische Truppen zu ihrem Schutz dorthin beordert werden. Tief verbunkerte Atomeinrichtungen könnten trotz wiederholter Bombardierungen überleben, aber ihre Ein- und Ausgänge wären zumindest verschüttet.
Natürlich sind mit einer Militäraktion auch große Risiken verbunden: Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten würden Verluste erleiden, aufgebrachte Iraner könnten sich gegen ein instabiles, repressives Regime erheben, es wären direkt gegen die Vereinigten Staaten oder indirekt gegen unsere Verbündeten gerichtete iranische Vergeltungsmaßnahmen zu erwarten, und die Iraner würden sicher versuchen, in den Staaten am Persi-schen Golf und besonders im Irak Unruhen anzuzetteln.
Selbst wenn eine erfolgreiche Bombardierungskampagne die atomare Entwicklung im Iran zurückwerfen würde, behielte das Land zweifellos sein atomares Know-how. Auf den Angriff müssten Jahre andauernder Wachsamkeit folgen, in denen man sich darauf einzustellen hätte, bisher nicht entdeckte Atomanlagen nachträglich zu zerstören und den Iran an der Wiederbelebung seines Atomprogramms zu hindern.
Aber diese Risiken einer Militäraktion müssen gegen die Risiken einer weiteren Tatenlosigkeit abgewogen werden. Wenn das iranische Regime sein Atomprogramm trotz aller Bemühungen Mister Obamas und anderer führender Politiker der Welt fortsetzen kann, riskieren wir, dass der Iran zum dominierenden Staat der ölreichen Region am Persischen Golf wird, der dann die mit den Vereinigten Staaten verbündeten arabischen Regime gefährdet, radikale Kräfte in diesem Gebiet ermutigt, Israel in seiner Existenz bedroht, den israelisch-palästinensischen Friedensprozess zum Erliegen bringt, den Irak destabilisiert und ein regionales atomares Wettrüsten in Gang setzt.
Eine friedliche Beseitigung der durch den atomaren Ehrgeiz des Irans entstandenen Bedrohung wäre sicher das bestmögliche Ergebnis. Aber wenn Diplomatie und Wirtschaftssanktionen scheitern, ist ein US-Militärschlag gegen den Iran eine technisch ausführbare und realistische Option."
Die Ergänzungen in den kursiven Klammern wurden vom Überesetzer eingefügt. Der Artikel erschien im Original unter dem Titel "There Is a Military Option on Iran " im Wall Street Journal am 6. August 2009.
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Über den Autor: Weitere Informationen zu Charles F. Wald bei Wikipedia.
Übersetzung: Wolfgang Jung – Luftpost, Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein. http://www.luftpost-kl.de