Kriege

Die Heilung der Welt von der Krankheit des Pazifismus

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Der Anti-Imperiums-Report –

Von WILLIAM BLUM, 2. Oktober 2009 –

Stellen Sie sich diese Szene vor: Zwei entführte Tanklaster in Afghanistan, gefüllt mit leicht entzündlichem Kraftstoff, umgeben von einer ganzen Menge Afghanen, die sich gern kostenlos etwas daraus abzapfen wollen! Was würde man in dieser Situation keinesfalls tun? Richtig – Bomben auf die Tanklaster abwerfen! Aber genau das hat ein deutscher Militärkommandeur am 4. September (2009) durch eine angeforderte US-Drohne tun lassen. Bei der gewaltigen Explosion verbrannten mindestens hundert Menschen. Dieses Ereignis hat in Deutschland viele kontroverse Diskussionen ausgelöst, denn das in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte Grundgesetz legt in Artikel 26 (1) fest: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." (Anm. A)

Aber die NATO-Partner, vor allem die Vereinigten Staaten, können mit Befriedigung feststellen, dass die Deutschen ihren albernen Pazifismus abgelegt und wie echte Männer gehandelt haben, wie gut trainierte militärische Killer. Obwohl die Deutschen auch vor diesem Ereignis schon in Luft- und Bodenkämpfe verwickelt waren, hat es bisher keine derartiges Aufsehen erregende Tötung von Zivilisten gegeben, über die so viel berichtet wurde. Deutschland hat jetzt mehr als 4.000 Soldaten in Afghanistan, das drittgrößte Kontingent nach den Vereinigten Staaten und Großbritannien, und in Berlin wurde gerade eine Gedenkstätte für gefallenen Bundeswehr-Soldaten errichtet. Schon 38 junge Soldaten der 1955 gegründeten Streitkräfte der Bundesrepublik haben bisher in Afghanistan ihr Leben verloren.

In meinem im Januar 2007 veröffentlichten Report habe ich bereits darüber berichtet, wie die Vereinigten Staaten Deutschland in dieser Richtung drängten; schon damals zeichnete sich ab, dass Washington die Geduld zu verlieren begann, weil sich Deutschland nicht schnell genug den Bedürfnissen des Imperiums anpasste. Deutschland hatte sich geweigert, Truppen, in den Irak zu schicken, und auch nach Afghanistan keine Kampftruppen entsandt; das war den Pentagon-Kriegern und ihren NATO-Verbündeten nicht genug. Deutschlands führendes Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete damals:

Bei einem Treffen in Washington haben Offizielle der Bush-Administration Karsten Voigt, dem Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, in Bezug auf Afghanistan vorgehalten: "Ihr konzentriert euch auf den Wiederaufbau und die Friedenssicherung und überlasst uns die unangenehmen Dinge. … Die Deutschen müssen wieder töten lernen."

Einem deutschen Offizier im NATO-Hauptquartier wurde von einem britischen Offizier gesagt: "Wir schicken jede Woche zwei Metallsärge nach Hause, während ihr Deutschen Farbstifte und wollene Decken verteilt." Bruce George, der Vorsitzende des britischen Verteidigungsausschusses, sagte: "Einige trinken Tee und Bier, und andere riskieren ihre Leben."

Ein NATO-Kollege aus Kanada merkte an, es werde Zeit dass "die Deutschen ihre Schlafsäle verlassen und lernen, wie man Taliban killt."

Und in Quebec beklagte sich ein kanadischer Offizieller bei einem deutschen Offiziellen "Wir haben die Toten und ihr trinkt Bier." (1)

Ironischerweise wurde den Deutschen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in vielen anderen Zusammenhängen immer wieder ihr Image als Nazi-Mörder und Monster vorgehalten.

Wird "die Freie Welt" die Taliban und die irakische Aufständischen eines Tages verspotten, weil sie in Frieden leben wollen?

Die Vereinigten Staaten haben sich auch Jahrzehnte lang bemüht, Japan von der ihm nach dem Zweiten Weltkrieg verordneten pazifistischen Verfassung und Außenpolitik abzubringen und es wieder zu einer richtigen Militärmacht zu machen, die sich für die außenpolitischen Ziele der USA einsetzen lässt.

(Es folgt der Artikel 9 der Verfassung Japans, die dem Land 1947 von der Vereinigten-Staaten verordnet wurde. Vgl. Anm. B.)

Art. 9, Abs. 1: In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten.

Abs. 2: Um das Ziel des vorhergehenden Absatzes zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten. Ein Recht des Staates zur Kriegsführung wird nicht anerkannt.

Nach dem (für die USA) triumphalen Ausgang des Zweiten Weltkriegs und der Besetzung musste Japan eine unter maßgeblichem Einfluss des (US-)Generals Douglas MacArthur erstellte Verfassung akzeptieren (die auch den oben zitierten Artikel 9 enthält). Als aber 1949 in China die Kommunisten an die Macht kamen, entschieden sich die Vereinigten Staaten für ein militärisch aufgerüstetes, im antikommunistischen Lager verankertes Japan. An der stufenweisen Realisierung dieses Ziels arbeiten sie bis heute. Schon MacArthur ordnete die Schaffung einer "nationalen Polizeireserve" an, aus der sich die zukünftige japanische Armee entwickeln sollte. … Als der amerikanische Außenminister John Foster Dulles 1956 Tokio besuchte, verkündete er vor japanischen Offiziellen: "In der Vergangenheit hat Japan seine Überlegenheit über die Russen und über China demonstriert. Es wird Zeit für Japan, sich wieder in eine Großmacht zu verwandeln." (2) … Mit verschiedenen, zwischen den USA und Japan abgeschlossenen Verträgen über die Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen wurde versucht, die Militärtechnologie Japans in die der Vereinigten Staaten und der NATO zu integrieren. … Die USA lieferten technisch hoch entwickelte Militärflugzeuge und Zerstörer. … Japan hat den Vereinigten Staaten bei ihren häufigen Militäreinsätzen in Asien vielfältige logistische Unterstützung gewährt. … Die USA üben ständig Druck auf Japan aus, sein Militärbudget und den Umfang seiner Streitkräfte zu erhöhen. … Es gibt mehr als einhundert US-Militärbasen in Japan, die von den japanischen Streitkräften geschützt werden … Die Streitkräfte der USA und Japans führen gemeinsame Manöver durch und entwickeln gemeinsam ein Raketenabwehr-System. … Der US-Botschafter in Japan äußerte 2001: "Ich denke, die veränderten Realitäten in der Welt sollten die Japaner veranlassen, den Artikel 9 ihrer Verfassung neu zu interpretieren oder umzuformulieren." (3) … Während des Afghanistan-Krieges im Jahr 2002 musste Japan auf Druck Washingtons mehrere Kriegsschiffe zur Betankung amerikanischer und britischer Kriegsschiffe in den Indischen Ozean entsenden. Anschließend mussten nicht kämpfende japanische Truppen den Amerikanern Hilfe in den US-Kriegen im Irak und in Osttimor leisten. … Außenminister Colin Powell erklärte 2004: "Wenn Japan eine wichtige Rolle auf der Weltbühne spielen, Vollmitglied im Sicherheitsrat werden und alle Verpflichtungen eines Sicherheitsrats-Mitgliedes übernehmen will, muss es den Artikel 9 in einem neuen Licht sehen." (4)

Als ein Ergebnis oder Symptom dieser Entwicklung ist der Fall der 54-jährigen japanischen Lehrerin Kimiko Nezu aus dem Jahr 2005 anzusehen; sie wurde zur Strafe immer wieder an andere Schulen versetzt und mit Suspendierungen, Gehaltskürzungen und Entlassungsdrohungen schikaniert, weil sie sich weigerte, während des Abspielens der Nationalhymne aufzustehen. 1999 war ein Lied aus dem Zweiten Weltkrieg zur Nationalhymne erklärt worden, das die kaiserliche Armee sang, als sie von Japan auszog, um ein "ewiges Kaiserreich" zu erobern. Bei der Feier zum Abschluss ihres Studiums im Jahr 2004 hatten sich 198 Lehrer geweigert, bei der Hymne aufzustehen. Nach einer Reihe von Geldstrafen und Disziplinarverfahren blieben nur Frau Nezu und neun weitere Lehrer bei ihrem Protest. Frau Nezu wurde schließlich erlaubt, nur in Anwesenheit eines anderen Lehrers zu unterrichten. (5)

Damit kommen wir zu Italien, dem dritten Mitglied des Dreierpaktes oder der Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs. In Artikel 11 der italienischen Verfassung aus dem Jahr 1948 heißt es u. a.: "Italien lehnt den Krieg als Mittel des Angriffes auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Streitigkeiten ab; … (6)

Aber Washington kümmerte sich schon früh um Italiens Nachkriegsseele. 1948 griffen die Vereinigten Staaten in den italienischen Wahlkampf ein, um den Sieg der Democrazia Cristiana über kommunistische oder sozialistischen Kandidaten zu sichern. Und die Vereinigten Staaten mischten auch in den nächsten drei Jahrzehnten in den Wahlkämpfen in Italien mit, um die Democrazia Cristiana an der Macht zu halten. Zum Dank waren die Christdemokraten loyale Partner im Kalten Krieg. (7) 1949 sorgten die Vereinigten Staaten dafür, dass Italien ein Gründungsmitglied der NATO wurde. Das wurde nicht als Verstoß gegen den Artikel 11 angesehen, weil sich die NATO immer als "Verteidigungs-Bündnis" verkauft hat, sogar noch 1999, als sie 78 Tage lang Jugoslawien bombardierte; daran haben sich sowohl Italien als auch Deutschland mit Kampfjets beteiligt, und der italienische NATO-Flugplatz Aviano hat als Hauptbasis für die täglichen Bombardierungsflüge gedient. Seit Jahrzehnten beherbergt Italien US-Militärbasen und Flugplätze, die Washington in allen militärischen Abenteuern nutzt, die es von Europa aus in Asien anzettelt.

Zur Zeit sind etwa 3.000 italienische Soldaten in Afghanistan eingesetzt; sie unterstützen die Vereinigten Staaten und die NATO auf vielfältige Weise in ihrer blutigen Kriegsführung. 15 italienische Soldaten haben bisher ihr Leben in diesem geschundenen Land verloren. Der Druck, mit dem andere NATO-Partner Italien und Deutschland zu einer aktiveren Teilnahme an den Kämpfen in Afghanistan und anderswo bringen wollen, hält unvermindert an. (8)

Die Berliner Mauer – ein anderer Mythos des Kalten Krieges

Es ist zu erwarten, dass in wenigen Wochen viele der westlichen Medien ihre Propaganda-Maschinen anwerfen werden, um an den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer am 9. November 1989 zu erinnern. Dann werden wieder alle Klischees des Kalten Kriegs über die Freie Welt und die kommunistische Tyrannei und das bewährte Märchen über die Entstehung der Mauer wiederholt: 1961 hätten die Ostberliner Kommunisten eine Mauer errichtet, um ihre unterdrückten Bürger davon abzuhalten, nach Westberlin und in die Freiheit zu flüchten. Und warum? Weil Kommunisten keine freien Menschen mögen und die Wahrheit scheuen. Was könnten sie auch sonst für Gründe gehabt haben?

Zunächst muss man wissen, dass vor dem Mauerbau jeden Tag Tausende von Ostdeutschen in den Westen gependelt sind, um dort zu arbeiten, und abends wieder in den Osten zurückkehrten. Sie wurden also offensichtlich nicht gegen ihren Willen im Osten festgehalten. Die Mauer wurde hauptsächlich aus zwei Gründen gebaut:

1. Der Westen brachte den Osten in gewaltige Schwierigkeiten, indem er mit einer heftig geschürten Kampagne ostdeutsche Spezialisten und Facharbeiter abwarb, die auf Kosten der kommunistischen Regierung ausgebildet worden waren. Das führte schließlich im Osten zu einem ernsthaften Arbeitskräftemangel und einer Produktionskrise. In einem Bericht der New York Times aus dem Jahr 1963 heißt es: "Westberlin erlitt durch den Bau der Mauer starke wirtschaftliche Einbußen, weil es etwa 60.000 Facharbeiter verlor, die täglich aus Ostberlin zu ihren Arbeitsplätzen in Westberlin gependelt waren." (9 )

2. Während der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts inszenierten Kalte Krieger aus den USA von der Bundesrepublik Deutschland aus eine gefährliche Kampagne, die mit Sabotageakten und subversiven Aktionen die wirtschaftliche und administrative Entwicklung in Ostdeutschland lähmen und einen Umsturz herbeiführen sollte. Die CIA, andere Geheimdienste der USA und das US-Militär rekrutierten, trainierten und finanzierten Sabotagetrupps und Einzelpersonen aus West- und Ostdeutschland und statteten sie mit allem aus, was sie für ihre Aktivitäten brauchten, die das ganze Spektrum von Terroranschlägen bis zu kriminellen Handlungen Jugendlicher abdeckten; man versuchte mit allen Mitteln, den Ostdeutschen das Leben schwer zu machen und ihre Regierung zu diskreditieren – man tat alles, um die Kommunisten schlecht aussehen zu lassen.

Es war ein bemerkenswertes Unternehmen. Die Vereinigten Staaten und ihre Agenten versuchten mit Sprengungen, Brandstiftungen, (absichtlich herbeigeführten elektrischen) Kurzschlüssen und anderen Methoden Kraftwerke, Schiffswerften, Kanäle, Docks, öffentliche Gebäude, Tankstellen, den öffentlichen Personenverkehr, Brücken und anderes zu zerstören oder zu beschädigen; sie ließen Güterzüge entgleisen, fügten Arbeitern schwere Verletzungen zu, ließen zwölf Wagons eines Güterzuges in Flammen aufgehen und zerstörten die Druckluft-Bremsschläuche anderer; mit Säuren setzten sie lebenswichtige Produktionsanlagen außer Betrieb, brachten mit Sand die Turbinen einer Fabrik zum Stehen, setzten eine Ziegelei in Brand, organisierten Arbeitsverweigerungen in Fabriken, vergifteten 7.000 Kühe einer Molkerei-Kooperative und mengten Seifenpulver unter Trockenmilch, die für ostdeutsche Schulen bestimmt war; Festgenommene führten eine große Menge des Giftes Cantharidin mit (Anm. C), mit dem man Zigaretten vergiften wollte, die führende Ostdeutsche töten sollten; mit Stinkbomben wurden politische Sitzungen gestört; das Weltjugendfestival in Ostberlin wollte man mit gefälschten Einladungen, falschen Versprechungen über freie Unterkunft und Verpflegung, gefälschten Ausladungen usw. in Verruf bringen; mit Sprengkörpern und Molotow-Cocktails wurden Teilnehmer angegriffen, Reifen von Besucherautos wurden zerstochen; man fälschte und verteilte große Mengen Essensgutscheine, um Verwirrung zu stiften, Knappheit zu erzeugen und Ressentiments zu schüren; mit gefälschten Steuerbescheiden und gefälschten Regierungsdirektiven und -Dokumenten wollte man Verwicklungen und Störungen innerhalb der Produktion und bei den Gewerkschaften verursachen und weiteres Unheil anrichten. (10)

Im Laufe der 50er Jahre reichten die Ostdeutschen und die Sowjetunion wiederholt Klagen bei den ehemaligen Verbündeten der Sowjets im Westen und bei den Vereinten Nationen über spezifische Sabotage- und Spionage-Tätigkeiten ein und verlangten unter Angabe der Namen und Adressen die Schließung der Büros in der Bundesrepublik Deutschland, die nach ihren Erkenntnissen für die Anschläge verantwortlich waren. Ihre Beschwerden trafen auf taube Ohren. Deshalb sahen sich die Ostdeutschen dazu gezwungen, ihr Land gegen den Westen abzuriegeln.

Lasst uns auch nicht vergessen, dass Osteuropa kommunistisch wurde, weil Hitler es ohne Einschreiten des Westens durchqueren konnte, als er die Sowjetunion angriff, um den Bolschewismus für immer auszulöschen. Nach dem Krieg haben sich die Sowjets entschlossen, diesen Zugang zu versperren.

1999 berichtete USA Today: "Als die Berliner Mauer zerbröckelte, stellten sich die Ostdeutschen ein sorgenfreies Leben in Freiheit vor, mit Konsumgütern im Überfluss. Zehn Jahre später sagen bemerkenswerte 51 Prozent (der ehemaligen DDR-Bewohner), sie seien im Kommunismus glücklicher gewesen." (11)

Etwa zur gleichen Zeit wurde ein neues russisches Sprichwort geboren: "Alles, was die Kommunisten über den Kommunismus erzählt haben, war gelogen, aber alles, was sie über den Kapitalismus sagten, hat sich als wahr erwiesen."

Gesundheitsfürsorge: Der riesige rote Elefant im Zimmer wird einfach ignoriert

Bei der aufgeregten Suche nach einer besseren Gesundheitsfürsorge für die US-Amerikaner, die in den letzten Monaten eingesetzt hat, haben sich die amerikanischen Medien häufig mit Gesundheits-Systemen anderer Länder – vor allem in Europa – beschäftigt. Kaum ein Wort wurde über das Gesundheits-System Kubas verloren, in dem jeder ohne Ausnahme gegen alle Beschwerden behandelt wird und das völlig kostenlos. Der Grund, warum das kubanische System kaum in den Massenmedien erwähnt wird, liegt wahrscheinlich darin, dass es peinlich ist, wenn ein ansonsten armes Land, das auch noch unter dem schrecklichen Joch des Sozialismus leidet, sich eine Gesundheitsfürsorge leistet, von der die meisten Amerikaner nur träumen können.

T.R. Reid, ein ehemaliger Korrespondent der Washington Post und Kommentator des National Public Radio, hat ein neues Buch geschrieben. Es heißt "The Healing of America: A Global Quest for Better, Cheaper, and Fairer Health Care" (Die Heilung Amerikas: Eine weltweite Suche nach einer besseren, preiswerteren und gerechteren Gesundheitsfürsorge). Reid versäumt es nicht, das kubanische System lobend zu erwähnen, sorgt aber dafür, dass der Leser nicht auf irgendwelche kommunistische Propaganda hereinfällt. Er kennzeichnet die kubanische Regierung als " totalitäres kommunistisches Regime" und fügt hinzu: "In jedem Staat – außer in einem Polizeistaat wie Kuba – gibt es eine Gruppe von Bürgern, die nicht in ein einheitliches System der Gesundheitsfürsorge eingebunden ist – die Reichen." (12) So wird die Tatsache, dass Kuba eine alle einschließende Gesundheitsfürsorge hat, als etwas Negatives dargestellt, das nur in einem Polizeistaat anzutreffen ist.

Das Lob der Weltgesundheitsorganisation für Kubas faires Gesundheitssystem tut Reid mit dem Argument ab: "Fairness und Gleichbehandlung hörten natürlich auf, als Fidel Castro im Jahr 2007 selbst erkrankte; damals wurden medizinische Experten aus Europa eingeflogen, um ihn behandeln zu lassen." (13) Ich wusste es doch! Alle Amerikaner und nicht nur die rechtsradikalen Irren würden niemals ein medizinisches Versorgungssystem akzeptieren, in dem alle völlig kostenlos behandelt werden, wenn der Präsident jemals eine spezielle Behandlung erhielte. Würden sie es wirklich ablehnen? Man könnten sie wenigstens einmal fragen.

Wo wir gerade bei den rechtsradikalen Irren sind, in einem Bericht in der New York Times war zu lesen: "Morgen Abend wird sich der Präsident in die Schlacht stürzen und den Menschen in einer landesweiten Fernseh- und Radioansprache den Gesetzentwurf für seine Gesundheitsreform erläutern, die Gegner als "sozialistische Medizin" und "ersten Schritt zur Übernahme der privaten Medizin durch die Bundesregierung" kritisiert haben Der Präsident war John F. Kennedy, sein Programm war Medicare (das bis heute praktizierte Gesundheitssystem der USA), und der Artikel wurde am 20. Mai 1962 veröffentlicht. Trotz der Rede scheiterte der Entwurf und wurde erst 1964 angenommen. (14)

Um noch einmal auf die "totalitäre, kommunistische, sozial-faschistische kubanische Polizeistaatsdiktatur" zurückzukommen; Mister Reid und andere könnten sich vielleicht für einen Artikel interessieren, den ich geschrieben und in dem ich darauf hingewiesen habe, dass Kuba seit seiner Revolution eine der besten Menschenrechts-Bilanzen in ganz Lateinamerika aufzuweisen hat (Anm. D).

Aber wie soll man eine lebenslange Indoktrination durchdringen und die Hirne der Amerikaner mit dieser Botschaft erreichen? Bei der letzten Tagung der American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations, / AFL-CIO, der wichtigsten Gewerkschaftsorganisation der USA, wurde eine sehr progressive Resolution verabschiedet, mit der das uneingeschränkte Recht auf Reisen nach Kuba und ein Ende des US-Embargos gegen den Inselstaat gefordert wurde. Aber am Schluss der Resolution erinnerten sich die Autoren daran, dass sie Amerikaner sind, indem sie Kuba ersuchten, "alle politischen Gefangenen freizulassen". (15)

Um einschätzen zu können, was an diesem Satz falsch ist, muss man den folgenden Zusammenhang kennen: Die Vereinigten Staaten wirken auf die kubanische Regierung wie Al-Quaeda auf Washington, nur viel mächtiger und viel bedrängender. Seit der kubanischen Revolution haben die Vereinigten Staaten und in den USA lebende, Castro bekämpfende Exil-Kubaner auf Kuba viel größeren Schaden angerichtet und der Insel viel größere Verluste an Menschenleben zugefügt, als die Anschläge am 11. September 2001 in New York und Washington (den Vereinigten Staaten). Kubanische Dissidenten hatten schon immer sehr enge politische und finanzielle Verbindungen zu Offiziellen der Interessenvertretung der Vereinigten Staaten – besonders in Havanna. Würde die US-Regierung eine Gruppe von Amerikanern ignorieren, die Geld von Al-Quaeda erhält und/oder sich schon wiederholt mit bekannten Führern dieser Organisation getroffen hat? In den letzten Jahren hat die amerikanische Regierung in den Vereinigten Staaten und im Ausland sehr viele Leute allein deshalb festgenommen, weil sie angeblich Verbindung zu Al-Qaeda hatten. Das geschah, obwohl sie sehr viel weniger Beweise dafür hatte, als Kuba für die Verbindungen seiner Dissidenten zu den Vereinigten Staaten; diese Beweise wurden von kubanische Doppelagenten gesammelt. Praktisch alle "politischen Gefangenen" Kubas sind solche Dissidenten.


Der Artikel erschien im Original am 28. September 2009 in der Serie "Anti-Empire Reports " unter dem Titel "Ridding the World of the ‘Sickness of Pacifism’ " bei www.killinghope.org.


(A) zitiert nach http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_02.html
(B) Der Wortlaut wurde übernommen aus http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Japan/artikel9.html
(C) s. http://de.wikipedia.org/wiki/Cantharidin
(D) s. http://killinghope.org/bblum6/democ.htm

Anmerkungen

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(1) Der Spiegel (Deutschland), 20. November 2006, S. 24
(2) Los Angeles Times, 23. September 1994
(3) Washington Post, 18. Juli 2001
(4) BBC, 14. August 2004
(5) Washington Post, 30. August 2005
(6) Wikipedia: "Artikel 11 der italienischen Verfassung" (im Wortlaut nachzulesen auch
unter http://www.verfassungen.eu/it/ital48.htm .)
(7) William Blum, "Killing Hope", Kapitel 2 und 18
(8) Zur weiteren Information über die US-Opposition gegen den Pazifismus in den Achsen-
mächten nach dem Zweiten Weltkrieg s. "Former Axis Nations Abandon Post-World
War II Military Restrictions", unter
http://sos-at.blogspot.com/2009/08/former-axis-nations-abandon-post-world.html
(9) The New York Times, 27. Juni 1963, S. 12
(10) Killing Hope, auf S. .400 ist unter 8. eine Liste mit Veröffentlichungen über
Akte der Sabotage und der Subversion zu finden
(11) USA Today, 11. Oktober 1999, S. 1
(12) S. 234 des Reid-Buches
(13) ebd. S. 150-1
(14) Washington Post, 9. September 2009
(15) s. http://www.aflcio.org/aboutus/thisistheaflcio/convention/2009/upload/res_43.pdf



Der Autor:
William Blum (* 1933) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Kritiker der Außenpolitik der USA. Er war früher beim State Department beschäftigt, das er 1967 wegen seiner Opposition zum Vietnamkrieg verließ.
Blum, Sohn polnischer Immigranten, machte zunächst eine Ausbildung zum Buchhalter und wurde Mitte der 1960er Jahre Angestellter beim State Department. Zunächst überzeugter Antikommunist, desillusionierte ihn nach eigenen Angaben die US-Politik gegenüber Vietnam und Blum wurde einer der Begründer der Untergrundzeitung Washington Free Press, die in den 1960er und 70er Jahren kritisch über den Vietnamkrieg berichtete. Er hat ausführlich zu Geheimoperationen und Morden der CIA geforscht und publiziert. Blum ist Autor der Bücher:
Killing Hope: US Military and CIA Interventions Since World War 2 (Die Ermordung der Hoffnung: Interventionen des US-Militärs und der CIA seit dem Zweiten Weltkrieg)
Rogue State: A Guide to the World’s Only Superpower (Schurkenstaat: Ein Führer zur einzigen Supermacht der Welt)
West-Bloc Dissident: A Cold War Memoir (Dissident des Westblocks: Memoiren aus dem Kalten Krieg)
Freeing the World to Death: Essays on the American Empire (Die Zu Tode-Befreiung der Welt: Essays über das amerikanische Imperium) (Quelle: Wikipedia)

Übersetzung:
Wolfgang Jung – Luftpost, Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein. http://www.luftpost-kl.de

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