Kriege

Deutsche Industrie und Regierung planen Kriege um Rohstoffe

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Von PETER SCHWARZ, 19. Februar 2013 –

Vor einem Jahr haben führende deutsche Industriekonzerne eine „Allianz zur Rohstoffsicherung“ ins Leben gerufen. Die Rohstoffallianz hat die Aufgabe, die Versorgung ihrer Gesellschafter und Partner mit ausgewählten Rohstoffen zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, verlangt sie den Einsatz militärischer Mittel.

In einem Interview mit dem Handelsblatt vom Montag forderte der Geschäftsführer der Rohstoffallianz, Dierk Paskert, „eine strategisch ausgerichtete Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik“, um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen zu gewährleisten.

Diese Politik müsse sich zwar vom „Ziel freier und transparenter Rohstoffmärkte“ lenken lassen, „es wäre aber naiv, dies in naher Zukunft als gegeben anzunehmen“, sagte Paskert. Die Entwicklung sei „leider genau gegenläufig“. Deshalb müssten „wir“ – d.h. Deutschland – „gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und NATO noch mehr Verantwortung in Außenwirtschafts- und Sicherheitsfragen übernehmen“.

„Verantwortung in Sicherheitsfragen übernehmen“ ist eine beschönigende Umschreibung für Militäreinsätze. Das zeigt auch der Hinweis auf die NATO, ein Militärbündnis. Paskert fordert also Kriege um Rohstoffe.

Die direkte Frage des Handelsblatts: „Werden wir Kriege um Rohstoffe erleben?“, bejaht er unter Hinweis auf historische Vorbilder: „Die Geschichte zeigt, dass viele Konflikte ihre Ursache im Kampf um Rohstoffe haben. … Die Rohstoffversorgung ist Grundlage für Wertschöpfung und Wohlstand eines Landes und hat daher geopolitische Bedeutung.“

Das Handelsblatt selbst erklärt ganz offen, worum es geht. In einem ausführlichen Leitartikel zu dem Paskert-Interview schreibt es, die Industrie wünsche sich „mehr staatliches – und militärisches – Engagement bei der Rohstoffsicherung“. Der Leitartikel erschien unter der bezeichnenden Schlagzeile: „Expedition Rohstoffe: Deutschlands neuer Kurs.“

In der Politik, erläutert das Handelsblatt, finde diese Forderung der Industrie Gehör. In der Bundesregierung heiße es, „die Sicherung von Rohstoffen sei ein ‚strategisches Thema’ für die deutsche Außenpolitik“. Man stelle sich darauf ein, „dass die bestehenden Rohstoffpartnerschaften nicht ausreichen. Es müssten ‚sicherheitspolitische und militärische Instrumente’ dazukommen“.

Nach Informationen des Handelsblatts will das Bundeskanzleramt einen Koordinator ernennen, der „die Interessen der strategischen Industrien sowie der Wehr- und Sicherheitstechnik besser verzahnen und so zur Sicherung der Rohstoffversorgung beitragen“ soll. Strategische Partner Deutschlands, wie Saudi-Arabien, sollten mit Waffentechnik unterstützt werden, bevor man im Krisenfall gezwungen werde, eigene Soldaten zu entsenden. Und die Bundeswehr solle „stärker auf ihre neue Rolle als Wahrer strategischer Interessen getrimmt“ werden.

Als Beleg zitiert das Handelsblatt die 2011 verabschiedeten „Verteidigungspolitischen Richtlinien“, die die „Sicherung von und den Zugang zu Bodenschätzen“ als „wichtiges sicherheitspolitisches und auch militärisches Interesse“ bezeichnen.

In Wirklichkeit ist diese Zielsetzung wesentlich älter. Bereits Mitte der neunziger Jahre hatten die Verteidigungspolitischen Richtlinien die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen“ als zentrale Aufgaben der Bundeswehr benannt. Ihre Verwandlung aus einer territorialen Verteidigungsarmee in eine internationale Eingreiftruppe wurde von diesen Zielen bestimmt.

Doch in der offiziellen Propaganda wurden die Bundeswehreinsätze auf dem Balkan, in Afghanistan und in anderen Weltregionen stets mit humanitären Gründen oder dem „Kampf gegen den Terror“ gerechtfertigt. Nun halten Regierung und Wirtschaft die Zeit für gekommen, die öffentliche Meinung auf die wirklichen Aufgaben dieser Einsätze einzustimmen.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hatte bereits am 31. Januar in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt, um direkte Militärinterventionen künftig zu vermitteln, müsse die Art der Begründung geändert werden: „Internationale Einsätze müssen realistisch erklärt sein, und die Begründungen dürfen nicht zu pathetisch vorgetragen werden“, sagte er.

Unter der Regie von de Maizière, dem Sohn eines Ersten Generalstabsoffiziers der Wehrmacht und langjährigen Generalinspekteurs der Bundeswehr, macht der Umbau der Bundeswehr rasche Fortschritte. Vor allem Aufklärungs- und Transportkapazitäten sowie schnelle Eingreifverbände werden ausgebaut. Außerdem will die Bundeswehr bewaffnete Drohnen und zwei „Joint Support Ships“ anschaffen, die nach den Worten eines hochrangigen Offiziers für eine „Demonstration politischen Willens“ geeignet sind – d.h. zur Einschüchterung und Bedrohung von Gegnern und Rivalen.

Gleichzeitig beteiligt sich Deutschland mit wachsender Aggressivität an imperialistischen Kriegen. Hatte es 2003 im Irakkrieg und selbst 2011 im Libyenkrieg noch Zurückhaltung geübt, unterstützt es nun das französische Eingreifen in Mali und die Kriegsvorbereitungen gegen Syrien uneingeschränkt.

Hintergrund ist der verschärfte Kampf um Rohstoffe vor allem mit China. Der Chef der Rohstoffallianz Dierk Paskert hatte schon im letzten Sommer in der Wirtschaftswoche erklärt: „Wenn wir bedenken, dass China bei fast allen Rohstoffen schon 40 Prozent verbraucht und deren Bedarf weiter drastisch zunimmt, wird mir auf mittlere Sicht unwohl. China ist ein riesiger Staubsauger, den es so früher schlicht nicht gab. Wir sollten uns jetzt über die Versorgungssicherheit für die deutsche Industrie Gedanken machen.“

Der Ruf der deutschen Wirtschaft nach einem Krieg um Rohstoffe erinnert an die finstersten Kapitel der deutschen Geschichte.

Schon die deutschen Kriegsziele im Ersten Weltkrieg – weitreichende Annexionen in Frankreich, den Beneluxstaaten und Afrika – beruhten auf den Forderungen und Plänen „führender Köpfe der Wirtschaft, Politik und des Militärs“, wie der Historiker Fritz Fischer 1961 in seinem bahnbrechenden Buch „Griff nach der Weltmacht“ nachwies.

Dieselben Wirtschaftskreise unterstützten dann Hitler, weil seine Welteroberungspläne und sein Streben nach „Lebensraum im Osten“ ihren expansionistischen Drang nach Rohstoffen und Märkten entsprach – und weil er die organisierte Arbeiterbewegung zerschlug.

Heute gehören zahlreiche Konzerne oder deren Nachfolger zu den Förderern und Gesellschaftern der Rohstoffallianz, die schon den Ersten und den Zweiten Weltkrieg unterstützt hatten: Die Chemieunternehmen BASF und Bayer, die aus dem berüchtigten I.G. Farben-Konzern hervorgegangen sind; der Stahlriese ThyssenKrupp, eine Fusion von Thyssen und Krupp, die beide zu den frühen Förderern der Nazis gehörten; der Volkswagen-Konzern, der auf Hitlers Initiative gegründet wurde; der Autokonzern BMW, dessen Hauptaktionäre, die Familie Quandt, einen großen Teil ihres Vermögens der Arisierung, der Zwangsarbeit und anderen Verbrechen der Nazis verdankt.

Die Rohstoffallianz wurde, wie es auf ihrer Webseite heißt, vom „Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Prof. Dr. Hans-Peter Keitel, Ende 2010 ins Leben gerufen, um die Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten und mögliche Antworten der Industrie zu untersuchen.“ An ihrer Spitze steht mit Dierk Paskert ein ranghoher Manager, der vorher im Vorstand von E.ON, einem der großen deutschen Energiekonzerne, saß.

Die Rohstoffallianz verfügt über engste Beziehungen zur Bundesregierung, die sie nicht nur als Lobbyverband der Industrie berät. Im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler verwaltet sie auch ein Förderprogramm, das Firmen bedingt rückzahlbare Darlehen für die weltweite Erschließung kritischer Rohstoffe wie Antimon, Beryllium, Kobalt, Fluorit, Gallium, Germanium, Graphit, Indium, Magnesium, Niobium, Platinmetallen, Seltenen Erden, Tantal und Wolfram gewährt.

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Dass es die deutsche Industrie heute wieder wagt, offen für imperialistische Kriege zur Sicherung ihres Rohstoffbedarfs einzutreten, ist ein alarmierendes Signal.


Quelle: wsws.org

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