Kolumne

Medien und Revolutionen, Wahlen und Macht

Der Kommunikationswissenschaftler konstatiert, dass eine echte "Medienrevolution" nur zu haben ist, wenn sich vorher die Verhältnisse ändern.

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Michael Meyen
Quelle: Tilo Gräser, Mehr Infos

Erleben wir gerade eine Medienrevolution? Danken Fernsehen, Radio, Presse ab und mit ihnen auch ein Journalismus, der nicht nur das Ohr der Macht hat, sondern von den Puppenspielern ganz oben auch so leicht zu steuern ist wie eine Marionette? Werden Wahlen heute, um das auf das Thema dieses Hefts zu münzen, folglich dort entschieden, wo die neuen Influencer sind?

Die Antwort ist wie immer einfach: ja und nein. Ich schreibe diesen Text ein paar Tage nach den ersten Aufregern des neuen Jahres. Elon Musk empfiehlt die AfD und kommt damit dann auch noch in die Welt am Sonntag. Mark Zuckerberg schickt die Faktenchecker in den Ruhestand. Und Alice Weidel darf auf X vor einem Millionenpublikum in aller Seelenruhe Weltallfantasien lauschen und dem Hegemon vorher ihre Treue schwören. An meinem Schreibtisch verstehe ich, warum Peter J. Brenner, Literaturprofessor, im Kontrafunk von einem „Wendepunkt der deutschen Mediengeschichte“ sprechen konnte. Wenn Sie diesen Text lesen, ist das längst schon kalter Kaffee. Das Internet hat übernommen und lässt alles Gedruckte im Wortsinn alt aussehen. Was kann ich Mitte Januar über einen Wahlkampf sagen, das Mitte Februar noch haltbar ist?

Zum Glück wohnt in mir neben dem Medienbeobachter auch ein Pressehistoriker. Der sagt: Denk an 1990. Denk an das, was als „erste und letzte freie Wahlen in der DDR“ in den Geschichtsbüchern steht. Denk an Daniela Dahn. Tamtam und Tabu heißt ihr Buch, erschienen 2020 im Westend-Verlag, das schon im Titel eine Antwort liefert auf zwei unerhörte Fragen: „Wie war es möglich, das in vierzig Jahren gewachsene Selbstbewusstsein einer Bevölkerung in einem Vierteljahr auf den Kopf zu stellen?“ Und warum haben Menschen, die noch Ende 1989 mit großer Mehrheit für einen „besseren, reformierten Sozialismus“ waren, ein paar Wochen später, am 18. März 1990, für eine „Einheit im Kapitalismus“ gestimmt?

Daniela Dahn war in der Bibliothek. Alte Zeitungen studieren. Erst dort, mit dem Abstand von über 30 Jahren, hat sie gesehen, wie die Westmedien ab Oktober 1989 gelogen und diffamiert haben und wie sie dabei von Politikern oder dienstbaren Geistern im Hintergrund gefüttert wurden, um „alte Besitzverhältnisse“ zu restaurieren und damit „alte Machtstrukturen“. Skandal um Krenz. Skandal um Honecker. Skandal um Schalck-Golodkowski. Skandal um Stasi-Posträubereien und am Ende auch noch ein Skandal um Modrow. Schnaps und Pornos, Geschmeide für Margot, Prügel für das Volk. Fake News – genau wie das Gerücht, die DDR sei zahlungsunfähig und werde im Chaos versinken, gestreut von Kohl-Berater Horst Teltschik am 9. Februar 1990 und begierig aufgegriffen von einem Journalismus, der ohnehin auf Zuspitzung und Übertreibung setzt. Daniela Dahn im O-Ton: „Von hier, von der ganzen PDS, ja von diesem ganzen duldsamen Osten, so die eigentliche Botschaft, ist keinerlei brauchbare Praxis oder gar weiterführende Idee zu erwarten.“

Den vollständigen Text lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 3/4 2025 unseres Magazins, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

MICHAEL MEYEN ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der LMU München. Aktuelle Veröffentlichungen: „Wie ich meine Uni verlor“ (2023), „Cancel Culture“ und „Der dressierte Nachwuchs“ (2024).

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