Krisen, Pandemie und Großer Umbruch
Die Inszenierung der Pandemie lenkt ab von den eigentlichen Krisen und von den eigentlichen Zwecken der Corona-Maßnahmen. Diese Entwicklung scheint für viele unumkehrbar zu sein, ist es aber nicht. Es gibt einen alternativen Entwicklungspfad, der aus den Krisen hinausführt: politisch, gesellschaftlich und ökonomisch.
Das Essay von Prof. Dr. Rudolph Bauer, eine scharfe Analyse der politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse und der Krise des Systems, das seinen Zenit überschritten hat, basiert auf dem Skript seines Vortrags „Krisen, Pandemie und Großer Umbruch“, gehalten im Juli 2022 beim Berliner Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP). Der Kongress stand unter dem Motto ‚Corona. Die Inszenierung einer Krise – Hintergründe und Folgen‘.
Im Vorwort des Programms für den Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie ist die Rede davon, dass wir „in einer seltsamen, bisher nicht gekannten, bedrückenden Situation leben, die regierungsamtlich, umgangs- und pressesprachlich als Corona-Krise oder Corona-Pandemie bezeichnet wird“. Damit werde suggeriert, „als hätte das Virus die Gesellschaften im globalen Maßstab im Griff, als sei das Virus das Subjekt des Geschehens, als hätten wir eine Naturkatastrophe und nicht eine Kulturkatastrophe vor uns. Stattdessen ist inzwischen deutlich genug, dass die ‚Pandemie‘ … inszeniert ist“.
Als inszeniert ist die Pandemie kein reiner Zufall. Aber selbst wenn sie ein Zufall wäre, wird dieser Zufall instrumentalisiert und in Szene gesetzt. Die Pandemie wird für Zwecke genutzt, die sich nicht unmittelbar aus der Existenz des Virus und aus der Tatsache seiner pandemischen Verbreitung ergeben. Die Corona-Krise wird instrumentalisiert: für politische Zwecke, für ökonomische Zwecke und für Zwecke der gesellschaftlichen Formation.
Wenn die pandemische Corona-Krise inszeniert und in Szene gesetzt ist, schließt sich die Frage an: In Szene gesetzt, wodurch bzw. von wem und zu welchem Zweck?
Meine Antwort – als These formuliert – lautet: Erstens, die Corona-Krise lenkt ab von den tatsächlichen Krisen des globalen Kapitalismus. Und zweitens, die Corona-Maßnahmen sollen dazu beitragen, diese Krisen kapitalismuskonform zu überwinden. Auch das sollen wir nicht wirklich merken. Was uns als ‚Großer Umbruch‘ – Great Reset – verkündet wird, ist eine ‚Große Ablenkung‘ – eine Great Diversion.
Das System des globalen Kapitalismus und seine Akteure sind gegenwärtig in einer geschichtlichen Entwicklungsperiode angekommen, in der dieses System in ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht den Höhepunkt seines Wachstums überschritten hat und in der die handelnden Hauptakteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nach Wegen suchen, wie es weitergehen soll, ohne dass sich die Machtverhältnisse grundlegend und revolutionär im Interesse der Werktätigen ändern.
Nicht grundlos spricht man deshalb gegenwärtig von einer Zeitenwende. Nicht grundlos ist von der Vierten industrielle Revolution die Rede, von einer Revolution der Produktivkräfte, nicht von einer Revolution der Produktionsverhältnisse. Nicht grundlos werden „Das ‚Große Narrativ‘ … für eine bessere Zukunft“ und der „Great Reset“ beschworen: der ‚Große Umsturz‘, die ‚Große Erneuerung‘, das Bedienen der Rückstelltaste. Nicht grundlos wird anstelle des bisherigen Shareholder-Kapitalismus der Stakeholder-Kapitalismus ausgerufen.
Statt der kapitalistischen Anteilseigner allein sollen – so die Definition von Stakeholder – auch solche Gruppen als verantwortlich berücksichtigt werden, ohne deren Support die Existenz der Unternehmen bedroht ist. Im erweiterten Sinn erstreckt sich die Definition von Stakeholder auf jede Gruppe oder Einzelperson, welche das Erreichen der Unternehmensziele beeinflussen kann oder davon beeinflusst wird.
Das bedeutet: Die Gesellschaft als Ganzes, also auch jeder Einzelne von uns, soll verantwortlich gemacht werden für das Erreichen der Unternehmensziele, sprich: für das Funktionieren der kapitalistischen Produktionsweise, das heißt für das Erwirtschaften der Gewinne und deren Maximierung. Weiterhin sollen allein die Konzerne Profite machen. Aber das Erreichen dieses Unternehmensziels liegt in der Verantwortung aller. Was im alten Kapitalismus hauptsächlich das Anliegen der Kapitaleigner gewesen ist, nämlich die Profitmaximierung, soll in Zukunft das Anliegen aller sein.
Wir erleben diese Perversion in Ansätzen schon aktuell: Wir alle sollen verantwortlich gemacht werden, wenn es um die Einhaltung der Klimaziele geht; indem wir im Herbst, angeblich aus Hygienegründen, wieder den Maulkorb tragen; oder indem wir aufgrund der sogenannten Sanktionen im Winter frieren werden und so weiter.
Kurz: Das System des globalen Kapitalismus ist – nicht zum ersten Mal – in einer Entwicklungsperiode angekommen, in der es in ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht den Höhepunkt seines Wachstums überschritten hat und stagniert. Die Corona-Krise lenkt davon ab. Sie ist Teil eines Ablenkungs- und Täuschungsmanövers. Die Corona-Krise ist in Szene gesetzt, um die Krisen des globalen Kapitalismus zu verdecken, um von diesen Krisen abzulenken. Gegenwärtig verdeckt außerdem der Ukraine-Konflikt diese Krisen. Der SPD-Parteivorstand beispielsweise erklärte den Mitgliedern, Russland sei schuld an der Inflation.
Wir können uns den Sachverhalt der theatralischen Corona-Inszenierung wie folgt vergegenwärtigen: Auf der Bühne wird „Corona“ gegeben – mit den bekannten Schauspielern Drosten, Lauterbach, Wieler, Söder, um nur vier der deutschen Akteure zu nennen. Als Bühnenbild: die Särge von Bergamo, die Intensivstation eines Krankenhauses mit Sauerstoff beatmete Patienten, Impfampullen, Impfbestecke – und nicht zu vergessen: die Darstellung des Virus, rot und mit nagelkopfartigen Tentakeln.
Dann ist da aber auch noch die Hinterbühne – ganz wichtig! – der rückwärtig hinter dem Bühnenbild gelegene, für die Zuschauer nicht sichtbare Teil der Bühne. Dort ist das wahre Geschehen am Werk. Vor den Zuschauern verborgen, wird diesen die Einsicht vereitelt. Und falls sich doch Einsicht einstellt, wird diese wiederum als Verschwörungsphantom schlechtgeredet. Auf der Hinterbühne spielen sich die Krisen ab. Auf der Hinterbühne führen diese Krisen zu Maßnahmen der Krisenbewältigung.
Im Folgenden werde ich in Teil I auf die Krisen und in Teil II auf die Maßnahmen zur Krisenbewältigung eingehen.
Teil I: Die Krisen
Bei den Krisen des globalen Kapitalismus handelt es sich um fundamentale politische, ökonomische und gesellschaftliche Erschütterungen. Zunächst zur politischen Krise. Sie hat – wie jede Krise – eine strukturelle und eine handlungsförmige Dimension.
Hinsichtlich der Struktur des Politischen sind wir Zeugen des Verfalls von Legislative, Exekutive und Judikative. Zentrales Thema zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen ist die Krise der repräsentativen parlamentarischen Demokratien. Demokratie, so Sheldon Wolin (2008), ist nur noch ein flüchtiges Gut, das sich im Kern als eine Art umgekehrter Totalitarismus präsentiert. Es sei eine postdemokratische (1) Regierungstechnik entstanden, die Elemente der liberalen Demokratie (2) mit denen totalitärer politischer Systeme verbindet.
Die politikwissenschaftliche Kritik spricht vom „Verlust politischer Gleichheit“, von „defekter Demokratie“ und von „Fassadendemokratie“, von „unpolitischer“ und „simulativer“ Demokratie. Zu beobachten sei ein schleichender Formwandel des Politischen. In dessen Verlauf würden demokratische Werte und Verfahrensweisen ebenso wie die Idee des demokratischen Souveräns einerseits in ihrer Substanz ausgehöhlt, andererseits aber dem äußeren Anschein nach weiterhin vorgetäuscht, simuliert. Der nach 9/11 erklärte weltweite „Krieg gegen den Terror“ bildet seitdem einen Vorwand für innenpolitisch-polizeiliche und außenpolitisch-militärische Maßnahmen, welche ihrerseits das demokratische System untergraben.
Auf europäischer und internationaler Ebene sind wirtschaftliche Sanktionen, bewaffnete Konflikte und kriegerische Militäreinsätze Anzeichen für das Versagen der politischen Diplomatie und für die Weigerung der Regierenden, sich auf friedliche Formen des geopolitischen Interessenausgleichs zu verständigen. Von politischen Verwerfungen betroffen sind auch Bündnisse wie die EU oder die NATO. In Anbetracht der krisenbedingten „Weltunordnung“ sprach Robert Kurz schon 2003 von der Bedrohung durch einen „Weltordnungskrieg“.
Bezogen auf die Handlungsdimension des Politischen ist auf die Verwerfungen im Verhältnis der Bevölkerung zu Parteien, Politikern und Regierenden sowie zur Justiz hinzuweisen. Unter Stichworten wie denen der Politikverdrossenheit und der Unregierbarkeit wird auf Probleme im Verhältnis der politischen Klasse zur Bevölkerung hingewiesen. Krisenhafte Entwicklungen zeigen sich hinsichtlich der Parteienbindung und des Wahlverhaltens.
Weitere Anzeichen eines Vertrauensverlustes der Gerichte und der Parlamente sind Soziale und Graswurzelbewegungen sowie landesweite Massenproteste und -kundgebungen wie die der Gelbwesten in Frankreich, in Griechenland während der Eurokrise sowie in jüngerer Zeit in Italien, Spanien, Portugal und Polen, ferner auch außerhalb Europas. Auch Anzeichen von politischer Radikalisierung und Erscheinungen wie die „Reichsbürger“, „Gallische Dörfer“ und das „Königreich Deutschland“ sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Kees van der Pijl (3) stellt nicht grundlos die Frage: „Kann die Weltbevölkerung noch unter Kontrolle gehalten werden?“ Als charakteristisch für die Periode seit 2008 stellt er fest: „Streiks, Unruhen und Anti-Regierungs-Demonstrationen haben in diesem Zeitraum in jeder Kategorie Rekorde gebrochen.“ Diese Zeichen des politischen Protestes gehen einher mit gesellschaftlichen Krisen, die ebenfalls strukturelle und handlungsförmige Dimensionen aufweisen.
In struktureller Hinsicht versagen gegenwärtig sämtliche Institutionen, deren Funktion es wäre, ein gesellschaftliches Gegengewicht zur Politik und zur Wirtschaft darzustellen. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Medien, die Sozialwissenschaften, politische Stiftungen und Think Tanks, die Kirchen sowie das gesamte Bildungssystem. Wir beobachten das Auseinanderdriften der Bevölkerungsstruktur in wenige Superreiche und eine wachsende Anzahl von Unterprivilegierten und Armen, dazwischen eine breite, von der Hoffnung auf sozialen Aufstieg getriebene, aber vom sozialen Abstieg bedrohte Mittelschicht.
Der gesellschaftsstrukturelle Zusammenhalt löst sich auf. Sichtbar zeigt sich dies in der räumlichen Segregation: am Beispiel der abgeschirmten Villenviertel der Begüterten sowie der unsicheren, vernachlässigten, problem-, kriminalitäts- und schadstoffbelasteten Quartiere der Armutsbevölkerung. Ebenfalls im Zusammenhang sozialer Desintegration auffallend sind soziale Vorurteile und Attacken. Sie offenbaren tiefe soziale Risse und Defizite bei der gesellschaftlichen Integration von Minderheiten.
Auf der Handlungsebene zeigt sich die gesellschaftliche Krise bei allen Bevölkerungsgruppen ohne Vetomacht: bei Alleinerziehenden und alten, pflegebedürftigen Menschen, bei Wohnungslosen, Geringverdienern, Kurzarbeitern und Menschen ohne Schulabschluss sowie chronisch Kranken. Bei den Kindern und Jugendlichen sind es diejenigen in Armut (in Deutschland rund 20 Prozent), die an den Schulen und in der Berufsausbildung zurückbleiben und im Laufe ihres späteren Lebens extrem unter den gesellschaftlichen Krisenbelastungen leiden.
Oft münden die Mehrfachbelastungen im Anstieg von chronischen Krankheiten physischer und psychischer Art sowie im vorzeitigen Tod. Wir ernähren uns von Lebensmitteln, die toxisch (mit Unkrautvernichtungsgiften wie Glyphosat) und medikamentös (etwa mit Antibiotika) belastet sind. Krebs- sowie Herz- und Kreislauferkrankte sehen sich mit einem Medizinsystem konfrontiert, das Privatpatienten privilegiert.
Die Fernsehprogramme und -nachrichten schüren auf unterschwellige Weise Angst und Besorgnis. Schlafschwierigkeiten, Depressionen, Panikattacken und Stress sind die Folge. Vorsorgemaßnahmen der Mittelschichtangehörigen, um bei Krankheit und im Alter finanzielle Rücklagen zu haben, scheitern infolge von Aktienverlusten und Inflation. Es entsteht ein soziales Klima der Lähmung, der Ratlosigkeit und Zukunftsangst, der gesellschaftlichen Auflösung, des Misstrauens und der Verrohung.
Die krisenhaften Disparitäten innerhalb der Gesellschaften einzelner Länder wiederholen sich im globalen Maßstab. Das Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern mit bislang noch relativ ausgewogener Sozialstruktur und denen der Peripherie ist dramatisch. Die Menschen der armen Länder leiden unter Armut und Hunger, Kriegen, Zerstörungen und Naturkatastrophen. Teile der Unterprivilegierten „retten“ sich durch Gewalt, Terror, Prostitution und Flucht. Die Migration löst nicht die sozialen Probleme in den Herkunftsländern, verschärft aber in den Zielländern die sozialen Konflikte und Krisen.
Zusätzlich zu den politischen und gesellschaftlichen Krisen erleben wir auf vielfältige Weise die Krisen der Wirtschaft und des Finanzwesens – u. a. in Gestalt von Wirtschaftskrisen sowie von Schuldenkrisen, Finanz- und Bankenkrisen, Handels- und Währungskonflikten, ökologischen und Bevölkerungskrisen. Letztere zeigen sich in Form des erhöhten Bevölkerungswachstums in den Entwicklungsländern und der Alterung der Bevölkerung in den Industrieländern.
Im Zusammenhang der Wirtschafts- und Finanzkrisen ergeben sich deutliche Verbindungen zur Corona-Krise. Fabio Vighi (4) ist den Gründen nachgegangen, warum die herrschenden Klassen sich darauf geeinigt haben, angesichts des Krankheitserregers Corona die globale Profitmaschine im Rahmen von einschränkenden Maßnahmen anzuhalten. Niemand, so Vighi, sollte sich der Illusion hingeben, das System habe sich aus Mitleid mit den vulnerablen Gruppen der Bevölkerung für den Stillstand entschieden. Denn: „In den Monaten vor Covid stand die Weltwirtschaft am Rande eines weiteren gigantischen Zusammenbruchs.“ (siehe: Vighi 2021)
Die Anfänge der ökonomischen Globalkrise reichen zurück zum Bankencrash von 2008, zur Eurokrise und zu den Migrationsbewegungen seit 2015. In einer Art Chronik der jüngsten Entwicklung des Wirtschafts- und Finanzsystems hat Vighi auf die betreffenden ökonomischen Sachverhalte hingewiesen. An den einzelnen Stationen dieser Entwicklung beteiligt waren: die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Investmentfonds BlackRock, die Zentralbanker der G-7-Staaten, die US-Zentralbank Fed und das World Economic Forum (WEF), das vom 21. bis 24. Januar 2020 in Davos stattgefunden hat. Dort wurde über die Wirtschaftslage und das Virus diskutiert. Beteiligt waren „weltweit führende Persönlichkeiten aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie Stakeholder aus der ganzen Welt“.
Knapp zwei Monate später, am 11. März 2020, erklärte die WHO die Ausbreitung von Covid-19 zur Pandemie. Die ‚Große Ablenkung‘ durch die Corona-Pandemie nahm ihren Anfang. Die eigentlichen Krisen – nicht zuletzt die Wirtschafts- und Finanzkrise – wurden verdeckt durch das Schock- und Panikregime im Gefolge der Corona-Inszenierung.
Teil II: Die Maßnahmen zur Krisenbewältigung
Wie in Teil I belegt, befinden wir uns in einer Periode der Zuspitzung sämtlicher Krisen, in einer Zeit des beginnenden Umbruchs hin zu grundlegenden Umwälzungen und Veränderungen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Art.
Die Krisen erfordern tiefgreifende Änderungen und fundamentale Umbrüche. Diese könnten auf revolutionäre Weise ins Werk gesetzt werden. Dazu Stichworte am Schluss meiner Ausführungen. Im Rahmen des von Klaus Schwab und Thierry Malleret im Corona-Jahr 2020 beim WEF verkündeten und diskutierten „Reset“-Programms sind andere Veränderungen vorgezeichnet. Sie streben einen prinzipiell kapitalismuskonformen Umbruch an. Ihr Ziel ist die Modernisierung der Produktivkräfte unter Beibehaltung kapitalistischer Produktionsverhältnisse und weiterhin zulasten der Werktätigen.
Im Folgenden skizziere ich, welche Wendepunkte gegenwärtig erkennbar sind und wie – unter den herrschenden Prämissen des globalen Kapitalismus – auf die vorhandenen Krisen reagiert wird.
Wendepunkt 1: Von der Krise des Politischen zur softtotalitären Herrschaft
Nach den Worten von Sheldon Wolin hat die NS-Diktatur die politischen Krisen der Weimarer Demokratie durch ein totalitäres „Mobilisierungsregime“ überwunden. Dieses fußte auf der Basis von Befehl und Gehorsam. Anders verhalte es sich angesichts der aktuellen Krise des Politischen und der Demokratie. Die postmoderne Form des „invertierten Totalitarismus“ setze auf eine weitreichende Entpolitisierung der Bevölkerung und auf eher weiche, kaum als solche wahrnehmbare Unterdrückungsmechanismen.
Bei Klaus Schwab heißt es: Der „Große Neustart“ erfordere „einen neuen Gesellschaftsvertrag, in dessen Mittelpunkt Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit stehen“. Oder: „Ein ‚Great Reset‘ ist notwendig, um einen neuen Gesellschaftsvertrag aufzubauen, der die Würde jedes Menschen ehrt.“ Im Stil der „Reset“-Lyrik (ver-)kleidet Herrschaft sich softtotalitär als paternalistischer Schutz; die Corona-Maßnahmen werden begründet als notwendige Schritte zum Schutz von vulnerablen Gruppen, Alten und Pflegebedürftigen.
Der „invertierte Totalitarismus“ nutzt – zunächst – nicht dieselben brutalen Methoden und keine vergleichbare rassistische Ideologie. Er braucht keine diktatorische Führerfigur. Er verbreitet vielmehr das Narrativ der fürsorglichen Regierung im demokratischen Scheingewand. Höchste Priorität genießt die Gesundheit aller Bürger/innen, die Nichtüberlastung der Krankenhäuser, die Vermeidung von Triage-Entscheidungen, das Absenken der Inzidenzzahlen, die strikte Einhaltung der AHA- bzw. AHA+L-Regeln, das Testen, die rasche Entwicklung und flächendeckende Anwendung von sogenannten „Impf“-Stoffen sowie die Durchsetzung von „schützenden“ 3G- bzw. 2G-Anordnungen.
Im Gegensatz zum „Untermenschen“-Hass bei den Nazis gelten heute fremdenfreundliche Parolen wie „Welcome Refugees“, „Schafft sichere Häfen“ oder „Luftbrücke jetzt“. Die herrschende Schutz- und Hilfe-Propaganda wird vom Großteil aller Medien unkritisch und unwidersprochen akzeptiert, ja begrüßt, verbreitet und auf bunte Weise ausgeschmückt.
Wo sich trotzdem Widerspruch artikuliert, da greifen Ordnungskräfte und die Polizei ein, werden Demonstranten schikaniert, Kundgebungen verboten, Hausdurchsuchungen durchgeführt, wird öffentliche Hetze entfacht, werden Bußgelder verhängt, werden Konten gesperrt. Wissenschaftlich begründete Einwände werden als „unseriös“ abgestempelt, als „covidiotisch“ pathologisiert, als „verschwörungstheoretisch“ lächerlich gemacht. Skeptiker und Kritiker werden pauschal als „rechter Mob“ ausgegrenzt, als „Nazis“ und „Antisemiten“ gebrandmarkt.
Die gegenwärtigen politischen Herrschaftsmethoden sind – verglichen mit dem NS-Regime – weichgespült und softtotalitär abgeschwächt. Deshalb sind sie sich auch einer ebenso breiten wie blinden und willigen Zustimmung sicher. Der Politik gelingt es, Zweifler als „egoistisch“ abzustempeln. Unter Zugriff auf eine vormals politische Kampfparole der Arbeiterbewegung, welche sich der (Klassen-)Solidarität verschrieben hatte, werden Forderungen nach Freiheit und dem Recht auf Selbstbestimmung als „unsolidarisch“ abgewiesen.
Trotz der undemokratischen Maßnahmen und freiheitsbeschränkenden Eingriffe bleiben sowohl die Gewerkschaften und Kirchen als auch die Bevölkerung insgesamt ruhiggestellt. Die Einschränkungen infolge der staatlichen Notstands- und Ermächtigungspolitik werden kompensiert durch Kurzarbeitergeld, Lohnausfallzahlungen, die Ermöglichung von Homeoffice, die Einrichtung von „Impf“- und Testzentren, das Bereitstellen von „Impf“-Bussen, die Einbeziehung der Haus- und Betriebsärzte, kostenlose Tests und Mehrfach-„Impfungen“, durch Notdienste in den Kitas, die Verteilung von Laptops an die Schüler, Home Learning und so weiter.
Wendepunkt 2: Von der Krise der Gesellschaft zur biofaschistischen Vergemeinschaftung
Das NS-Regime begegnete den gesellschaftlichen Verwerfungen der Weimarer Republik mit der Ideologie der klassenlosen Volksgemeinschaft. Die völkische Massenbasis stützte sich auf den Mythos der arischen Rasse. Deren „biologisches“ Profil wurde geschärft, indem sich die „reinrassige“ Mehrheit von sozialen und ethnischen Minderheiten abgrenzte. Diese galten nach faschistischer Lesart als „lebensunwerte“, „minderwertige“, „gemeinschaftsschädliche“, „kriminelle Volksschädlinge“ und „Rassenschänder“.
Angesichts der gesellschaftlichen Krise stellt sich gegenwärtig ebenfalls das Problem der fehlenden Gemeinschaftsbildung und -bindung. Auch das WEF beklagt dies, ohne freilich die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltung auch nur anzudeuten. Es formuliert Beifall heischend, aber bar jeder Analyse: „Die globale Gesundheitskrise hat die fehlende Nachhaltigkeit unseres alten Systems in Bezug auf den sozialen Zusammenhalt, den Mangel an Chancengleichheit und Inklusivität offengelegt.“
Die Politik beantwortet die Krise der Gesellschaft auf eine Art und Weise, die mit der faschistischen Methode zur Herstellung einer Massenbasis vergleichbar ist. Wie im NS-Faschismus wird von der Vorstellung eines „Volkskörpers“ ausgegangen, der im vorliegenden Fall nicht von „Rassefremden“, sondern von einem ansteckenden Virus bedroht sei. Nicht wie im Faschismus gelten Minderheiten – Juden, Sinti und Roma oder Homosexuelle – als Bedrohung für das „Volksganze“. Sondern es gibt eine neue Minderheit. Sie besteht aus jenen Menschen, die für die Grundrechte eintreten, den „Impf“-Eingriff ablehnen und sich dem Spritzen- und Maulkorbzwang verweigern.
Sie werden von den Medien, die sich als Sprachrohr der Regierung verstehen, sowie auf Geheiß von „Experten“ und Politikdarstellern als „Schwurbler“, „Corona-Leugner“ und „Impfgegner“, als „egoistisch“, „unsolidarisch“ und „Ansteckungsgefahr“ ausgegrenzt. Sie werden als eine neue Art von „Volksschädlingen“ angeprangert. Unter der Hand entwickelt sich ein Eugenik-Programm, das die „Volkskörper“-Mehrheit der „geimpften“ Hygienegemeinschaft privilegiert und der Minderheit die demokratischen Menschen- und Freiheitsrechte verweigert. Unter „transhumanistischen“ Vorzeichen entsteht eine post-faschistische Variante der Bio- und Bevölkerungspolitik.
Diese vermag es, ihren NS-Ursprung zu verleugnen, weil große Teile der Bevölkerung im Sinne kognitiver Dissonanz und gutgläubig nach wie vor von zwei Grundüberzeugungen ausgehen. Sie meinen: „Das würden uns doch all die Regierungen nicht antun. Wenn doch, würde die Presse es aufdecken.“
Gegenwärtig geben die konformistischen Vertreter der Virologie und Epidemiologie die Kriterien dafür vor, was der Gemeinschaft schadet und was nicht. Wie damals, aber abgewandelt, wiederholt sich ein „Medizin-Fundamentalismus“. Wie seinerzeit verbindet dieser sich mit den (Profit-)Interessen von Big Pharma. Wie zurzeit der IG Farben ergeben sich aus der Verbindung von staatlicher Politik und wirtschaftlichen Interessen neue gouvernemental abgewandelte Korporatismus-Strukturen (5) im „Griff nach der Bevölkerung“ (Heidrun Kaupen-Haas).
Die gesellschaftlichen Widersprüche werden heute nicht durch das faschistische Ideologem einer klassenlosen Rassen- und Volksgemeinschaft übertüncht. Mithilfe von Parolen wie „Wir. Du. Alle. – Gemeinsam gegen Corona“ werden die sozialen Verwerfungen in Anzeigen und auf Plakaten schöngeredet. Indem die Propaganda die Kritiker pauschal „im rechten Milieu“ verortet, bleibt die Einsicht auf der Strecke, dass die gegen Covid-19 „kämpfende“ Hygienegemeinschaft selbst die Massenbasis einer rechten, biofaschistischen Vergemeinschaftung darstellt. Wer andere an den rechten Schandpfahl bindet, entkräftet damit den Verdacht, eine modifizierte Variante des Faschismus ins Werk zu setzen.
Wendepunkt 3: Von der ökonomischen und Finanzkrise zum Pharma- und digitalen Überwachungskapitalismus
Wie Ernst Fraenkel (6) in Bezug auf die Weimarer Zeit ausführte, hatten bereits „während der Weltwirtschaftskrise … die staatlichen Machtbefugnisse im Bereich der Wirtschaft erheblich zugenommen. Nur dank staatlicher Interventionen konnten im Bereich der Banken und der Montanindustrie Konkurse vermieden werden. Das Reich dehnte seine Machtbefugnisse, regulierend einzugreifen, auf fast alle Bereiche wirtschaftlicher Betätigung aus.“ Die NS-Wirtschaftspolitik konnte darauf aufbauen und diese Form des Kapitalismus in der Zeit nach 1933 fortsetzen. An die damalige Form des staatlich gestützten und korporatistisch überformten „organisierten Kapitalismus“ (Rudolf Hilferding) erinnert auch die gegenwärtige Situation.
Wir entsinnen uns: Die bundesdeutsche Politik subventionierte die Pharmaindustrie und die digitalen Kommerz- und Überwachungsstrukturen mit Milliardenbeträgen – ganz im Sinne der kapitalistischen „Reset“-Vision von Klaus Schwab und des WEF. Das „Konjunktur- und Zukunftspaket“ der Bundesregierung im Jahr 2020 hat per Beschluss mehr als 40 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Digitalisierung bereitgestellt. Die während der Lockdowns florierenden Unternehmen von Hightech, Big Data und Big Pharma wurden zusätzlich gefördert.
Der ökonomischen Fundamentalkrise wurde und wird mit Milliardenbeträgen aus Steuermitteln begegnet. Die Pharmaindustrie ist Nutznießerin sowohl der staatlichen Förderung zur Entwicklung von sogenannten „Impf“-Stoffen als auch der garantierten Abnahme derselben. Inzwischen, im Jahr 2022, wird gegen die ökonomische Krise ein 100-Milliarden-Sondervermögen für den militärisch-industriellen Komplex ins Feld geführt. Die Investitionen in Projekte der Digitalisierung und zur Förderung von Big Pharma, Life Sciences und Big Military werden wie selbstverständlich als steuerfinanzierte staatliche Aufgaben angesehen. Profiteure der Subventionen sind die mächtigen, schon heute unkontrollierbaren Superunternehmen der Militär-, Pharma- und der Digitalbranche.
Letztere weiß sich selbst weitgehend der Zahlung von Steuern zu entziehen. Als eine Art Gegenleistung erledigen die Digitalkonzerne im Interesse der Regierungen die Zensur und Entfernung regierungskritischer Netz-Eintragungen und von Plattformen auf YouTube. Ferner lassen sie den Staat partizipieren an ihrem Geschäftsmodell der Datenspionage und Nutzer-Ausforschung. Auf diese Weise, gewissermaßen im wechselseitigen Interesse, funktioniert der digitale Überwachungskapitalismus: Staat und Wirtschaft teilen sich die Aufgabe und unterstützen sich gegenseitig bei der Steuerung des Verhaltens von Individuen und Kollektiven im Sinne von Governance, jener zeitgemäßen Form des klassischen Korporatismus.
Ich fasse zusammen: Die Corona-Pandemie ist eine Inszenierung, die erstens ablenkt von den fundamentalen Krisen des globalen Kapitalismus und die zweitens in Gestalt der Maßnahmen bestimmte kapitalismuskonforme Lösungen dafür anbietet.
Dabei handelt es sich um Wendemarken, die – unter der Prämisse des Fortbestehens des globalen Kapitalismus – auf die Krisen von Politik, Gesellschaft und Ökonomie so reagieren, dass ein weicher – zunächst noch weicher – Totalitarismus sich etabliert: sich einerseits auf der Massenbasis des Hygienefaschismus etabliert und andererseits auf den Fundamenten eines Wirtschaftssystems, welches unter staatlicher Duldung ökonomisch beherrscht wird von Big Pharma, Big Data, Big Money und Big Military.
Der pharmazeutisch-industrielle Komplex, der digital-industrielle Komplex, der finanz-industrielle Komplex und der militärisch-industrielle Komplex sind im Begriff, im Interesse der absoluten und der relativen Mehrwertproduktion formell und vor allem auch reell die werktätigen Teile der Menschheit unter das Kapital zu subsumieren.
Die Inszenierung der Pandemie lenkt ab von den eigentlichen Krisen und von den eigentlichen Zwecken der Corona-Maßnahmen. Diese Entwicklung scheint für viele unumkehrbar zu sein, ist es aber nicht. Es gibt einen alternativen Entwicklungspfad, der aus den Krisen hinausführt: politisch, gesellschaftlich und ökonomisch.
Politisch sind basis- und rätedemokratische Strukturen denkbar, weltweit, in Selbstverwaltung, ohne bürokratische Herrschaftsstrukturen, ohne die Unterdrückung von Andersdenkenden, ohne Militär, Gewalt und imperialistische Kriege.
Gesellschaftlich sind kooperative Verbindungen und Zusammenschlüsse in Freiheit und auf humanistischer Grundlage im Sinne der Völkerfreundschaft und des kulturellen Austausches nicht nur vorstellbar, sondern Wunsch und Bedürfnis vieler Menschen auf dem Planeten.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Schaffung einer nicht-kapitalistischen Ökonomie zum Wohle der menschlichen Gattung, ohne menschen- und naturverachtende Ausbeutung durch Profitgier – auch aus ökologischen Gründen – an der Tagesordnung.
Die Zeit ist gekommen, dass die ganze menschliche Gattung sich weltweit und bewusst-revolutionär befreit aus erzwungener Unmündigkeit, neokolonialer Zweitrangigkeit und konsumversüßter Sklaverei.
Quellen und Anmerkungen
(1) Der Begriff Postdemokratie erfasst eine generelle Veränderung demokratischer Systeme. Grundthese ist, dass es einen Rückbau tatsächlicher politischer Partizipation gibt zugunsten einer lediglich dargestellten Demokratie. Beispielsweise werden Wahlen zu einem formalen Verfahren, das aber (in der politischen Dimension) völlig folgenlosen bleibt. Mehr Informationen auf https://de.wikipedia.org/wiki/Postdemokratie (abgerufen am 6.10.2022).
(2) Als liberale Demokratie werden in der Politikwissenschaft Staaten bezeichnet, deren politisches System nach liberalen und demokratischen Grundsätzen konstruiert ist. Mehr Informationen auf https://de.wikipedia.org/wiki/Liberale_Demokratie (abgerufen am 6.10.2022).
(3) Kees van der Pijl (Jahrgang 1947) ist ein Politikwissenschaftler aus den Niederlanden. Internationale Beziehungen und Internationale Politische Ökonomie gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten. (abgerufen am 6.10.2022).
(4) Fabio Vighi ist Professor für Kritische Theorie und Italienisch an der Universität Cardiff (Großbritannien). Zu seinen jüngsten Arbeiten gehören „Critical Theory and the Crisis of Contemporary Capitalism“ (Bloomsbury 2015) und „Crisi di valore: Lacan, Marx e il crepuscolo della società del lavoro“ (Mimesis 2018). Unter anderem publiziert er auf ‚The Philosophical Salon‘ (https://thephilosophicalsalon.com) Essays.
(5) Der politikwissenschaftliche Fachbegriff Korporatismus bezeichnet verschiedene Formen der Beteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen. Unterschieden wird der autoritäre und der liberale Korporatismus. Der autoritäre Korporatismus bezeichnet eine erzwungene Einbindung von wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Gruppen in autoritäre Entscheidungsverfahren. Dieses (Herrschafts-) Konzept findet sich zum Beispiel im Ständestaat (Korporationenstaat). Im Gegensatz dazu bezeichnet der liberale Korporatismus die freiwillige Beteiligung gesellschaftlicher Organisationen.
(6) Ernst Fraenkel (1898 in Köln bis 1975) war ein deutsch-amerikanischer Jurist und Politikwissenschaftler. Er analysierte und beschrieb insbesondere das politische System in der Weimarer Republik sowie den NS-Staat, die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik Deutschland.
Der Autor
Dr. Rudolph Bauer, geboren in Amberg/Oberpfalz, studierte in München, Erlangen, Frankfurt/M. und Konstanz unter anderem Politische Wissenschaft, Soziologie und Philosophie. Er war tätig als freiberuflicher Sozialforscher und anschließend Forschungsassistent und Vertetungsprofessor an der Universität Gießen. Von 1972 bis 2002 war er Professor für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienstleistungen an der Universität Bremen. Arbeitsaufenthalte führten Rudolph Bauer als Lektor an das Fremdspracheninstitut in Beijing (China) sowie als Fellow ans Institute for Policy Studies der Johns Hopkins University in Baltimore (USA). Er ist Autor und Herausgeber wissenschaftlicher Veröffentlichungen, Verfasser politischer Lyrik und Bildmontagen.
Mit freundlicher Genehmigung übernommen von Neue Debatte
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