Kapitalismuskritik

Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals

Anhand reichlich vorhandener Dokumente ist nachweisbar, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Besitz- und Machterhaltung des Großbürgertums und der faschistischen Diktatur besteht. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Verhältnisse heute in Deutschland vergleichbar sind mit jenen vor hundert Jahren.

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Berlin, Reichstagssitzung, Rede Adolf Hitler, 11. Dezember 1941
Quelle: Wikimedia / Bundesarchiv, Bild 183-1987-0703-507 / unbekannt; Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE, Mehr Infos

Ende des Zweiten Weltkrieges wurde noch mehrheitlich erkannt, dass es das Kapital war, das den Faschismus benötigt hatte, um sein Weiterbestehen zu sichern. Es waren die Kräfte aus der Großindustrie und der Hochfinanz, welche die faschistische Bewegung finanzierten, die Diktatur etablierten und schließlich auch deren Politik weitgehend bestimmten.

Einsichten in die Ursachen des »Dritten Reiches« lagen anfänglich auch der Aufklärungspolitik der Alliierten zugrunde. Vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg 1 wurden nicht nur die Führer der faschistischen Bewegung und schließlich des Staates als Kriegsverbrecher verurteilt, sondern auch die Repräsentanten des Monopolkapitals. 2

Historischer Hintergrund

Im Verlaufe der Weimarer Republik gerieten die mit dem Versailler Vertrag auferlegten territorialen Verluste und die aus dem Zwang zur Kapitalverwertung hervorgehenden Expansionstendenzen des Monopolkapitals zur Wiedererlangung der »wirtschaftlichen Weltstellung« zunehmend in Widerspruch. Zugeständnisse, die der Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution gemacht werden mussten, wurden immer mehr infrage gestellt.

Repräsentanten der Schwerindustrie lehnten die parlamentarische Demokratie ab und forderten zunächst die Stärkung der Exekutive. Seit dem Linksrutsch bei den Reichstagswahlen im Jahr 1928 arbeiteten sie intensiv an der Beseitigung der Weimarer Republik. Die Ablösung der letzten vom Volk legitimierten Regierung war die wichtigste Zäsur in der Weimarer Zeit: Das Parlamentarische System wurde in ein Präsidialsystem verwandelt (von Papen, Schleicher). Die Bevölkerung wurde im Dienst einer Außenhandelspolitik niedergehalten, um verlorene Märkte zu gewinnen und den politischen Herrschaftsbereich wieder auszuweiten. Es galt neue Absatzmärkte, ergiebige Rohstoffgebiete und günstige Arbeitskräfte zu gewinnen. 3

Nicht nur die Arbeiter litten unter den im Kapital gründenden Krisenerscheinungen, sondern auch die selbstständig Erwerbenden (Handwerker, Händler, Landwirte). Die massenhafte Vernichtung des kleinen durch das große Eigentum hatte eine Aktivierung vieler Menschen zur Folge, die genährt wurde aus Wut auf die etablierten Parteien, denen sie bisher vertraut hatten.

Die NSDAP

Mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei hatte sich eine Bewegung formiert, welche die wichtigsten Ziele des Finanzkapitals und des Industriekapitals vertrat (Antikommunismus, Wiederaufrüstung). In dieser Bewegung wurden jedoch auch antikapitalistische Parolen verwendet, teils weil es die Mitglieder mit ihnen wenigstens bis zu einem gewissen Punkt ernst meinten (»linker Strasser-Flügel«), teils dienten sie der puren Propaganda. Gezielt sollten Kleinbürger und Lohnabhängige (Angestellte und auch Arbeiter) angesprochen werden. Allerdings versicherte Hitler am 27. Januar 1932 vor dem Düsseldorfer Industrieklub sowie in vertraulichen Gesprächen mit Vertretern des Monopolkapitals, dass der Antikapitalismus seiner Partei nur agitatorische Bedeutung habe, was dazu führte, dass sie schließlich die taktischen Vorgehensweisen akzeptierten, aber zur Mäßigung der Propaganda mahnten. 4

Sorgen bereitete einigen Vertretern des Großkapitals der staatsinterventionistische Flügel der Partei, weil es ihnen doch darum ging, dass sie weiterhin beim Staat intervenieren konnten und nicht umgekehrt Objekt dirigistischer Eingriffe des Staates wurden. Mitunter geschah dies bereits, etwa bei Insolvenz von Betrieben, was für bestimmte Bereiche der Wirtschaft weitreichende Konsequenzen haben konnte (wie zum Beispiel Verstaatlichungen). Zwischen Schwerindustrie und den neueren Industrien (zum Beispiel I. G. Farben) gab es neben Übereinstimmungen auch Auseinandersetzungen: u.a. Staatsbejahung versus Staatsverneinung, Abhängigkeit versus Unabhängigkeit vom Ausland, pro versus contra NSDAP. 5

Die NSDAP war eine Partei, welche die Masse mobilisieren konnte, und sich dem Großkapital als Walterin von dessen Interessen anbot. Sie wäre indes nie über den Rahmen einer politischen Glaubens- und Kampfgemeinschaft hin- ausgekommen, wenn sie nicht finanziell unterstützt worden wäre, und zwar von einigen Ruhrindustriellen (wie zum Beispiel Thyssen) bereits ein Jahrzehnt vor der Machtübergabe. 6

Die Führer der NSDAP redeten den führenden Großindustriellen nach dem Munde. Umgekehrt beobachteten die Unternehmer die Partei mit großem Interesse. Zur Annäherung zwischen NSDAP und Großindustrie sowie Großbanken existiert umfangreiches Quellenmaterial. 7 Besonders intensiv war die Finanzierung ab 1932, und sie dauerte auch noch während der Diktatur an, nicht zuletzt durch die Rüstungsindustrie für die Kriegspropaganda. 8

Machtübergabe

Als die NSDAP am 6. November 1932 einen Rückschlag erlitt und die Kommunisten wieder Stimmen gewinnen konnten, reagierten Teile der Bourgeoisie panisch. Für beinahe die gesamte Großindustrie und auch für große Teile des Bank- und Handelskapitals wurde die finanzielle Unterstützung der Partei jetzt vordringlich, um die NSDAP sofort an die Regierung zu bringen, bevor es dafür zu spät sein könnte. 9

Aufgrund der Beendigung der Weltwirtschaftskrise wurden weitere Stimmenverluste der NSDAP befürchtet. Deshalb planten Angehörige von Industriellenkreisen, zu denen schließlich auch die I. G. Farben zählte, einen Regierungswechsel ohne vorhergehende Neuwahlen. Allerdings wurde eine nachträgliche Legitimierung durch das Volk unter der Parole »Hindenburg– Hitler« eingeplant.

Hierzu wurde ein Wahlfonds gebildet, sodass die NSDAP unverzüglich aller Geldsorgen enthoben war. 10 Nach der Übergabe der Regierungsgeschäfte an Hitler am 30. Januar 1933 drängten sich Bankiers und Unternehmer, ihm einen Besuch ab- zustatten, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 11

Die SA

Die Übertragung der Macht zu einem Zeitpunkt, als die Weltwirtschaftskrise zu Ende ging, war günstig für die Nationalsozialisten, weil sie die Überwindung der Krise für sich verbuchen konnten. Doch die antikapitalistischen Kräfte in der faschistischen Bewegung drängten nun auf Verwirklichung ihrer Forderungen.

In Gestalt der Sturmabteilung (SA) verfügte sie über eine mächtige Massenorganisation (4,5 Millionen Mitglieder). Im Sommer 1934 wurden viele Beteiligte und die maßgeblichen Führer umgebracht (unter anderem Ernst Röhm). Die antikapitalistischen Tendenzen wurden in eine für das Monopolkapital nicht mehr gefährliche Richtung gelenkt, indem nun auch von Staats wegen das Judentum bekämpft wurde. 12

Mit dem Niedergang der SA erfolgte der Aufstieg der Schutzstaffel (SS). Die SS baute den Polizeiapparat aus und fungierte bei der Profitsteigerung der Wirtschaft als wichtigste Dienstleisterin. Später lieferte sie der Großindustrie aus den besetzten Ländern sowie aus den Konzentrationslagern die Zwangsarbeiter.

Monopolistische- faschistische Diktatur

Bankiers und Großindustrielle, welche vor 1933 die NSDAP förderten, taten dies, um nach 1933 ihre Ziele zu realisieren: Elimination der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften, vollständige Beseitigung des parlamentarischen Systems, Aufrüstung, Krieg. Hauptprofiteure der Aufrüstung waren die Schwerindustrie (insbesondere Krupp) sowie die I. G. Farben mit ihrer nun realisierbaren Produktion von synthetischem Benzin und Gummi, die für die Kriegsführung relevant war.

Die Deutsche Bank nutzte ihre überaus große Macht in der Wirtschaft, um die Durchführung der Politik des neuen Regimes maßgebend mitzugestalten, und auch Vertreter weiterer Großbanken konnten bei fast allen Entscheidungen mitwirken. 13

Durch die forcierte Monopolisierung der Wirtschaft wurden die kleinen Betriebe eliminiert, sodass das Großbürgertum zusammen mit seiner neuen Regierung nach Belieben schalten und walten konnte: Umstellung der Wirtschaft auf Kriegswirtschaft, Formulierung der Kriegsziele, einheitliche Kriegspropaganda, totalitäre Kontrolle der Menschen.

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MARK GALLIKER, Prof. em. Dr., Eidg. anerkannter Psychotherapeut pca.acp/FSP, lehrte an den Universitäten Bern und Heidelberg, Forschungsgebiete: Medienpsychologie und Psychotherapie, letzte Veröffentlichung: »Sozioökonomie und Psychotherapie« (Pabst, 2022).

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1 https://www. justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/oberlandesgerichte/ nuernberg/info_service_2.php
2 Vgl. Sekretariat des Internationen Militärgerichtshofes (Hg.), Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946, 42 Bände, Nürnberg 1947–1949
3 Vgl. Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Droste Verlag Düsseldorf 1961; D. Fricke (Hg.), bearb. v. Willibald Gutsche, Dokumente zur deutschen Geschichte 1914–1917, Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin (DDR) 1976
4 Vgl. Golo Mann, Vorwort zu Edouard Calic (Hg.), Ohne Maske. Hitler – Breiting Geheimgespräche 1931, Societäts-Verlag Frankfurt a. M. 1968, S. 5–8
5 Vgl. U. Hörster-Philipps, Großkapital, Weimarer Republik und Faschismus, in: R. Kühnl & G. Hardach (Hg.), Die Zerstörung der Weimarer Republik, Verlag Pahl- Rugenstein Köln 1977, S. 38–141, insb. S. 106
6 Vgl. H.A. Turner. Faschismus und Kapitalismus in Deutschland (S. 109). Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1972
7 vgl. R. Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, PapyRossa Verlag Köln 2000, insb. S. 64–67 und S. 182–188

8 Vgl. u. a. U. Hörster-Philipps, 1977, a. a. O., S. 38–141 9 Vgl. ebenda, S. 108
10 Ebenda, S. 119
11 Ebenda, S. 118
12 Vgl. auch R. Kühnl, Faschismustheorien, Distel Verlag Heilbronn 1990/2014, S. 121f.
13 Vgl. u. a. Bericht des Büros der US-Militärregierung OMGUS, Archivgruppe 260, S. 504–506, sowie Bericht über die Vernehmung des Bankiers von Schroeder durch Vertreter der Anklagebehörde des US-Militärgerichtshof in Nürnberg 1945, in: R. Kühnl, 2000, a. a. O., S. 502

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