Tod von Elizabeth II.

Wem Flaggen Ehre erweisen

Berlin würdigt die am Donnerstag verstorbene britische Königin Elizabeth II. mit Beleuchtung des Brandenburger Tors in den Farben des Union Jack und Trauerbeflaggung. Auch in anderen Bundesländern wehen die Flaggen auf halbmast. Ist das auch ein heimliches Symbol für den möglichen Abstieg der britischen Monarchie?

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Am Freitag erstrahlte das Brandenburger Tor nicht zum ersten Mal in den Farben des Union Jack (Archivfoto vom 4. Juni 2017 nach den Terroranschlägen von London).
Foto: Igorwiki, Lizenz: CC By-Sa, Mehr Infos

Das Tor strahlt in blau, rot und weiß. Mal wieder. Denn mit salbungsvollen Worten alleine lässt es die Bundesrepublik nicht bewenden. Solche Worte kamen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Ihr Tod ist ein tiefer Einschnitt, das Ende einer Epoche.“  Gemeint war natürlich die Queen. Ergänzt wurden die Worte des Bundespräsidenten unter anderem auf Anordnung des Berliner Senats am Freitagabend mit einem angestrahlten Brandenburger Tor. Zwischen 20 und 24 Uhr wurde das Wahrzeichen der Stadt in den Farben des Union Jack angestrahlt, der Flagge des Vereinigten Königreiches.

„Seit gestern Abend haben viele Berlinerinnen und Berliner vor der Britischen Botschaft ihre Trauer um die verstorbene britische Monarchin zum Ausdruck gebracht“, teilte die Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey, am Freitag mit. „Queen Elizabeth II. hat unserer Stadt sieben Besuche abgestattet, und sie hat damit ihre Wertschätzung und ihre Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Bei ihrem letzten Besuch ist sie nach der Verabschiedung am Pariser Platz gemeinsam mit Prinz Philip in ihrer Limousine durch das Brandenburger Tor gefahren. Es entspricht voll und ganz den Empfindungen der Menschen in Berlin und ganz besonders der Britinnen und Briten, die unter uns leben, wenn wir unser Mitgefühl und unsere Trauer heute am Abend damit zum Ausdruck bringen, dass wir das Symbol unserer Stadt und unseres Landes zu Ehren von Queen Elizabeth II. in den Farben des Union Jack anstrahlen.“

Es war nicht das erste Mal, dass das Brandenburger Tor sich mit fremden Farben schmückte. Zuletzt erstrahlte es Anfang Mai in Solidarität mit der Ukraine in deren Nationalfarben Blau und Gelb. Auch Terroranschläge in verschiedenen Teilen der Welt waren immer wieder Anlass für eine Trauerbeleuchtung des Berliner Wahrzeichens. Die Entscheidung, welche Ereignisse mit diesem Zeichen der Solidarität bedacht wurden, löste zuweilen kontroverse Debatten aus.

So wurde das Brandenburger Tor zwar nach den Anschlägen von Paris, Brüssel, London und Istanbul in den jeweiligen Landesfarben erleuchtet, eine Solidarität mit den Opfern des Attentats in der Metro von St. Petersburg Anfang April 2017 hat es in dieser Form aber nicht gegeben. Man könne Kondolenz und Trauer auch ausdrücken, ohne das Brandenburger Tor zu beleuchten, begründete damals Senatssprecherin Claudia Sünder die Entscheidung. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der sonst nicht unbedingt für Russland-Nähe bekannt ist, hatte zuvor gefordert, das Brandenburger Tor in russischen Landesfarben zu beleuchten, um die Unterstellung auszuräumen, es gäbe eine „Hierarchisierung der Opfer“. Anschließend sollte nach Willen Lederers die Beleuchtung des Brandenburger Tors nach Anschlägen komplett eingestellt werden.

Wie das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin in seiner Mitteilung vom Freitag weiter schrieb, wurde außerdem für das Land Berlin anlässlich des Todes der Queen Trauerbeflaggung angeordnet. Die Fahnen wurden auf halbmast gesetzt und Banner mit Trauerflor versehen. Vor dem Roten Rathaus, dem Dienstsitz der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, wurde der Union Jack aufgezogen.

Auch in anderen Bundesländern ist am Freitag Trauerbeflaggung angeordnet worden, darunter in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Doch wie ist das eigentlich mit der Trauerbeflaggung geregelt? Schließlich werden Flaggen nicht einfach so hoch und runter gezogen. In Deutschland gibt es für alles eine Verordnung. Oder, was die Bundesebene angeht, einen Beflaggungserlass.1

Flaggen auf halbmast

Zuletzt wehten die Flaggen vor dem Kanzleramt, in Berlin und in anderen Bundesländern auf halbmast, als am Tag seiner Beisetzung des russischen Friedensnobelpreisträgers und früheren sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow gedacht wurde. Berlins Innensenatorin Iris Spranger hatte die Trauerbeflaggung damit begründet, dass Gorbatschows Verdienste „für die politische Wende in der DDR“ gewürdigt werden sollten. Gorbatschow habe mit der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags den Weg zur deutschen Wiedervereinigung und einem geeinten Berlin mit bereitet. Bei der Rolle des Russen für die Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges scheint die Geste durchaus angebracht, aber gilt das auch für die britische Königin?

Welchen Persönlichkeiten bei ihrem Ableben die Ehre der Trauerbeflaggung zuteil wird, welche Fahnen in welchen Zeitabschnitten auf halbmast gesetzt werden und wer darüber entscheidet, ist in entsprechenden Regelwerken festgelegt. Für den Bund ist im Erlass der Bundesregierung über die Beflaggung der Dienstgebäude vom 22. März 2005 unter anderem nachzulesen, dass eine Trauerbeflaggung aus Anlass des Ablebens eines ausländischen Staatsoberhauptes vom Innen- im Einvernehmen mit dem Außenministerium für die obersten Bundesbehörden in Berlin und Bonn für den Tag der offiziellen Trauerfeierlichkeiten angeordnet wird.

Würden bei Trauerbeflaggung die Bundesdienstflagge oder die Bundesflagge auf halbmast gesetzt, so sei auch die Europaflagge auf halbmast zu setzen. Soweit Flaggen nicht auf halbmast gesetzt werden könnten, seien sie mit einem Trauerflor zu versehen. Wegen ihres besonderen Symbolcharakters bleibe die „Fahne der Einheit“ vor dem Reichstagsgebäude von der Trauerbeflaggung ausgenommen und werde nur in besonderen Fällen auf halbmast gesetzt. Ein solcher Anlass war der Amoklauf am Erfurter Gutenberggymnasium 2002. In der Flaggenordnung des Deutschen Bundestages ist zudem festgelegt, dass im Fall des Ablebens eines Mitglieds des Deutschen Bundestages am Tag seines Todes bzw. am Tag des Bekanntwerdens seines Todes sowie am Tag des Nachrufes auf den verstorbenen Abgeordneten in der Plenarsitzung auf halbmast zu flaggen ist.

Interessant ist, dass einige Flaggen anderer Staaten von der Trauerbeflaggung ausgenommen sind. So ist auf der Internetseite des Bundestages nachzulesen: „Da sich auf den Flaggen Saudi-Arabiens und des Irans islamische Glaubensbekenntnisse befinden, werden diese niemals auf halbmast gesetzt. Auch die Flagge der englischen Königin beziehungsweise des englischen Königs (Royal Standard) wird nie auf halbmast gesenkt, da sie Symbol einer fortlebenden Monarchie ist.“ Die Flagge darf aber eh nur dort gehisst werden, wo der amtierende Monarch gerade weilt.

Für die Flaggenführung des Bundespräsidenten und aller anderen Verfassungsorgane gelten andere Vorschriften. So wird die Standarte des Bundespräsidenten an den beiden Amtssitzen in Berlin und Bonn lediglich im Fall des Ablebens des Amtsinhabers auf halbmast gesetzt. Bei der Frage der Trauerbeflaggung verfügen auch Länder und Gemeinden über eigene Zuständigkeiten.

Im Fall der britischen Königin Elizabeth II scheint die Trauerbeflaggung mit der Begründung „Ableben eines ausländischen Staatsoberhauptes“ abgedeckt zu sein, auch wenn die Monarchin keine politische Tätigkeit ausgeübt hatte.

Beziehungen zu Deutschland

Queen Elizabeth II 2015 in Berlin.
Foto: Polizei Berlin, Lizenz: CC By-Sa, Mehr Infos

In Deutschland war Elizabeth II. kein seltener Gast. Insgesamt fünfmal kam die britische Monarchin seit ihrer Thronbesteigung 1952 zu Staatsbesuch nach Deutschland. Das erste Mal bereiste Elizabeth II. die Bundesrepublik im Jahr 1965. Ein zweiter offizieller Besuch folgte 1978. Ostdeutschen Boden betrat die Queen erstmalig 1992 als sie das Brandenburger Tor durchschritt. Bei diesem ersten Staatsbesuch im wiedervereinten Deutschland reiste sie auch nach Leipzig, Potsdam, Dresden, Köln und Bonn. 2004 erfolgte der nächste Staatsbesuch. 2015 schließlich besuchte das britische Königspaar Deutschland zum letzten Mal. Auf dem Programm des Staatsbesuchs standen unter anderem eine Bootsfahrt auf der Spree zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck und seiner Gattin Daniela Schadt, der Besuch des früheren Konzentrationslagers Bergen-Belsen und der Paulskirche in Frankfurt. Neben den Staatsbesuchen war die Queen zwei weitere Male in Berlin.

Mit Deutschland verbinden das britische Königshaus auch verwandtschaftliche Beziehungen. 1714 bestieg der welfische Kurfürst Georg Ludwig von Hannover als Georg I. den englischen Thron. Königin Victoria war Tochter einer deutschen Prinzessin. Und auch der Gemahl von Königin Elizabeth II., Prinz Philip von Griechenland und Dänemark, hatte deutsche Wurzeln. Er stammte väterlicherseits aus dem Adelsgeschlecht Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Seine Mutter entstammte dem hessischen Landadel. Bis in die heutige Zeit werden die Beziehungen zur deutschen Verwandtschaft gepflegt. So war der Welfenprinz Ernst August von Hannover zur Hochzeit des Enkels der Queen, Prinz William, eingeladen. Ebenso bei der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton zugegen waren Markgraf Maximilian von Baden und seine Frau Valerie. Markgraf Maximilian von Baden ist ein Cousin von König Charles III.

Monarchie und koloniales Erbe

Bei aller Anteilnahme für das britische Königshaus, nicht nur von bekennenden Fans der Royals, stellt sich die Frage, ob mit dem Tod von Königin Elizabeth auch die Ära der britische Monarchie enden wird – zumindest in der bisherigen Form. Dass neue Zeiten anbrechen könnten, zeigt ein Blick in die Presse des Commonwealth, von dessen 56 Mitgliedsstaaten fünfzehn den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt haben. So schreibt beispielsweise der „Jamaica Observer“, es sei an der Zeit, dass Jamaika den britischen Monarchen als offizielles Staatsoberhaupt ablöse und einen republikanischen Status annehme. Vorgemacht hatte es Barbados 2021. Bei einem Besuch von Prinz William und seiner Gattin in der Karibik hatte es zuletzt heftige Proteste in Belize und Jamaika gegeben. Unter anderem wurde die Forderung laut, das britische Königshaus solle sich für seine Verwicklung in die Sklavenhaltung von verschleppten Afrikanern entschuldigen. Auch Reparationszahlungen wurden gefordert.

Die kenianische „Daily Nation“ erinnert im Zusammenhang mit dem Ableben der Queen an die brutale Unterdrückung der Kenianer im eigenen Land. Auch in Großbritannien selbst hinterfragt man zunehmend die Monarchie. So bezeichnet der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, die britische Monarchie als „Anachronismus“ und verweist darauf, dass laut Umfragen ein Drittel der Einwohner Großbritanniens für die Abschaffung der Monarchie ist, bei den 18- bis 24-Jährigen sind es gar 62 Prozent. Und der „Guardian“ fragt: „Sollte das Parlament diese Periode nicht nutzen, um den verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen der Monarchie in einer formellen und angemessenen Weise zu prüfen?“ In einer konstitutionellen Monarchie biete sich nur selten eine solche Gelegenheit zum Umdenken.

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Einig scheinen sich die Kommentatoren darüber zu sein, dass König Charles III. es schwer haben wird, in die großen Fußstapfen der verstorbenen Königin zu treten. Ob der neue britische Monarch eines Tages bei seinem Ableben in Deutschland eine ähnliche Würdigung erfahren wird, wie Elizabeth II., ist fraglich.

Endnote

1 https://www.protokoll-inland.de/Webs/PI/DE/beflaggung/beflaggung-node.html;jsessionid=E19C5A796D8FA34C4094275E4C6AFFF9.1_cid340

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