Medienkritik

Von Nicht-Berichterstattung und Vertrauensverlust

Das Vertrauen in die Medien sinkt. Das ist das Ergebnis der Mainzer Langzeitstudie zum Thema, die jüngst veröffentlicht wurde. Wir schauen in die Studie und haben Beispiele für Nicht-Berichterstattung im Mainstream herausgesucht. Denn von der Leyens Pfizer-Skandal oder der Rückgang der Geburtenrate stehen nicht in den Medien, denen die Konsumenten immer weniger vertrauen. Die Hintergrund-Medienrundschau vom 12. Mai 2023.

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Was haben diese beiden miteinander zu tun? In den Mainstream-Medien ist wenig bis nichts zur Verbindung von Pfizer-Boss Bourla mit Kommissionspräsidentin von der Leyen zu lesen.
Foto Bourla: Fortune Photo, Lizenz: CC BY-SA-ND; Foto Von der Leyen: The Left, Lizenz: CC BY-SA, Mehr Infos

Regelmäßig schauen wir für Sie in die Medien. Einmal in der Woche fassen wir das, was wir für wichtig erachten, in einer Medienrundschau zusammen. Meist wählten wir in den vergangenen Monaten ein Thema aus den Mainstream-Medien, schauten darauf, was sie weglassen, kritisierten die Halbheiten und die Doppelmoral zwischen den unzähligen Zeilen oder in den Videos und Podcasts. Tag für Tag, Stunde um Stunde werden Informationen auf die Konsumenten losgelassen. Was wir aufzeigen, ist immer nur ein Ausschnitt, auch wir lassen vieles weg. Das Weglassen soll heute unser Thema sein, denn die Medien berichten über vieles nicht. Selbst der vielleicht größte Skandal der vergangenen Jahre wird kaum aufgegriffen.

Anfangen wollen wir aber mit dem Vertrauen in die Medien. Denn die Mainzer Langzeitstudie zu diesem Thema hat aktuelle Ergebnisse veröffentlicht, die wir zunächst mit den nachrichtlichen Worten des Evangelischen Pressedienstes epd in der FAZ zusammenfassen wollen:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in Deutschland an Vertrauen verloren. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer Langzeitstudie der Mainzer Universität zum Medienvertrauen. Der Studie zufolge erklärten 2022 insgesamt 62 Prozent der Menschen die öffentlich-rechtlichen Sender für sehr oder eher vertrauenswürdig. Ein Jahr zuvor waren es noch 70 Prozent gewesen. Dennoch genießen ARD und ZDF nahezu gleichauf mit Regionalzeitungen weiterhin das größte Vertrauen unter allen Medien. Sie liegen vor überregionalen Zeitungen und weit vor Privatfernsehen, Boulevardpresse und alternativen Nachrichtenportalen. (FAZ, 5.5.23)

Es steht also nicht so gut um die Medien in Deutschland. Das wissen wir und auch die Medien selbst. Man kann sich das aber auch schönreden, so wie der Tagesspiegel in der Unterzeile, in der es heißt, das Fernsehen bleibe „das glaubwürdigste Medium“ (Tagesspiegel, 2.5.23). Der Einäugige sieht unter Blinden immer noch am besten, denn es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass der Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so niedrig ist wie nie zuvor während dieser Langzeitstudie. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, das Vertrauen sei auf einem hohen Niveau – im Vergleich mit anderen Ländern (Media Perspektiven 8/23).

Wer sich genauer mit der Studie befassen möchte, sollte sie selbst einmal lesen. Empfehlenswert ist auch die Analyse aus Sicht eines Kommunikationswissenschaftlers und Medienkritikers. Sebastian Köhler, Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Berlin, hat vergangene Woche bei Telepolis einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, in dem er die Ergebnisse vorstellt, einordnet und die Methode kritisch beleuchtet. Nur ein Auszug zu aktuell brennenden Themen:

Interessant der Befund zum Thema „Krieg in der Ukraine“: Hier sind es laut Studie (nur) 45 Prozent der Befragten, die den etablierten Medien voll und ganz/eher vertrauen, und damit weniger als beim allgemeinen Vertrauensniveau hinsichtlich wichtiger Themen (49 Prozent). Von allen abgefragten konkreten Themenbereichen ist laut Studie das Vertrauen übrigens am geringsten beim Thema „Energieversorgung in Deutschland“ mit insgesamt nur 36 Prozent Vertrauen (sehr/eher). (Telepolis, 5.5.23)

Die Studie sagt auch etwas zum Vertrauen in alternative Medienangebote. Es sei gesunken. Schaut man auf die Medien, die den Umfrageteilnehmern als Beispiele genannt wurden, dann fällt auf, dass die Auswahl noch einseitiger ist als bei der vorherigen Studie, in der RT noch mit abgefragt wurde. Es wurden zuletzt nämlich nur rechtskonservative Medien angegeben (Junge Freiheit, Reitschuster, Compact, Tichys Einblick). Nun denn, so kommt man auch zu seinen Ergebnissen und die „amtierenden Medien“ (Richard David Precht/Harald Welzer) können sich auf die Schultern klopfen. Sie haben die Schmuddelkinder der „oppositionellen Medien“ (Paul Schreyer) immer noch weit hinter sich gelassen.

Wir überlassen es Ihnen, weitere Schlüsse aus der Studie zu ziehen. Vielleicht stellen Sie sich nach der Lektüre auch die Frage, ob Sie sich zu den „Medienzynikern“ zählen wollen? So bezeichnen die Studienautoren diejenigen, die „extrem kritisch bis feindselig auf die etablierten Medien blicken“. Der Begriff ist fragwürdig, denn für Kritik gibt es mannigfaltige Gründe. Schauen sie einfach ins Archiv der Medienrundschau. Empfehlenswert ist beispielsweise auch der aktuelle Artikel von Roberto De Lapuente im Magazin Manova, dem Nachfolger von Rubikon. De Lapuente seziert einen Stern-Artikel des Reporters Stephan Maus. Er handelt von Ulrike Guérot, will als unverfängliches Porträt daherkommen und lenkt stattdessen ganz nebenbei und durch die Hintertür die Haltung des Lesers.

Maus zeigt nun, dass man eben nicht ganze Textbausteine auf Fantasiebasis entwerfen muss, um die Rezipienten auf die eigene Fährte zu locken und pädagogisch zu führen. Man kann die Wirklichkeit, die sich in diesem Gespräch zwischen Maus und Guérot auf eine vielleicht ähnliche Art und Weise gezeigt hat, wie es der Stern-Text skizziert, einfach nur konjugieren und beugen, so verformen, dass am Ende ein Machwerk herauskommt, das nicht klar erstunken und erlogen ist, aber so in sich verfremdet, dass keine wahre Geschichte mehr vorliegt, sondern ein Märchen. (Manova, 10.5.23)

Die einen werden in eine bestimmte Richtung geschrieben, über andere wird lieber geschwiegen. So zum Beispiel über den Pfizer-Deal der EU-Kommissionspräsidentin. Fulminant zusammengefasst hat ihn der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn auf Twitter. Unter anderem schreibt er zu dem 35 Milliarden Euro umfassenden Vertrag über die Lieferung von sogenannten Impfstoffen:

Von der Leyen hat die offiziellen EU-Vertragsgespräche mit der Pharmaindustrie, die nach einem festgelegten Protokoll von mandatierten Verhandlungsführern und Experten der Kommission durchzuführen waren, allem Anschein nach erfolgreich unterlaufen und die Verhandlungen für diesen dritten, größten, teuersten, wettbewerbsverzerrendsten und stümperhaftesten Pfizer-Vertrag in seinen entscheidenden Teilen an sich gezogen – unter Überschreitung ihrer Amtszuständigkeit als Kommissionspräsidentin und Verletzung der für EU-Beamte verbindlichen Verfahrensvorschriften.  (Sonneborn auf Twitter, 6.5.23)

Sonneborn kommentiert im zweiten Tweet:

Unter Kommissionspräsidentin von der Leyen hat die Tendenz von EU-Institutionen (und -Beamten), sich ihrer geschuldeten Rechenschaftspflicht durch gemeinschaftliche Verschanzung hinter einem demokratieverachtenden Bollwerk aus Undurchsichtigkeiten zu entziehen, ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Machen Sie sich das immer wieder klar: Transparenz ist keine Ihnen von metaphysisch entrückten Instanzen zu gewährende Gnade, sie steht Ihnen schlechterdings zu. Sie haben das (unveräußerliche) Recht, vollumfänglich zu erfahren, was die von Ihnen in Macht gesetzten Amtsträger in Ihrem Namen tun. Und die Medien sollten dabei ihr verlässlich wummernder Bassverstärker sein. Alles andere wäre keine moderne Demokratie, sondern die Gesellschaftsordnung von 1648. Oder ein Live-Konzert der Kelly Family (unplugged). (Sonneborn auf Twitter, 6.5.23)

Mittlerweile ermittelt sogar die Europäische Staatsanwaltschaft in Sachen Pfizer-Deal. Auf den Punkt gebracht hat Sonneborn die Fakten in einer kurzen Rede im EU-Parlament (Sonneborn auf Youtube, 9.5.23). Nun ist diese Zeit an Skandalen nicht gerade arm und eine Königskrönung war da ja auch noch. Aber 35 Milliarden? Die Mainstream-Medien widmen sich lieber Boris Palmer (hierzu ein lesenswertes aktuelles Stück im Cicero) oder Til Schweiger. Jens Berger schreibt:

In Summe sind die Verträge zur EU-Impfstoffbeschaffung der wohl größte politische Skandal der letzten Jahrzehnte. Doch die großen deutschen Medien schweigen. Das könnte auch daran liegen, dass ihre Corona-Berichterstattung von der Leyen dazu getrieben hat, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und dabei episch zu scheitern. (Nachdenkseiten, 9.5.23)

In seinem Artikel zeichnet Berger nach, wie die Verträge zustande kamen und dass jede zweite bezahlte Dosis offenbar vernichtet werden muss. So wie auch das Geld der Steuerzahler – wobei: vernichtet ist nicht der richtige Ausdruck. Das Geld haben nun andere. Und warum das alles? Welche Verantwortung hätten die Medien? Jens Berger meint, die EU, aber auch die deutschen Medien haben bei der Impfstoffbeschaffung versagt., wofür wir jetzt den Preis bezahlen.

Dass von der Leyen damit „durchkommt“, ist wahrscheinlich. Freuen kann sich der US-Pharmamulti Pfizer. Der hat durch den Vertrag mit von der Leyen nicht nur sämtliche Mitbewerber verdrängt und nun ein Monopol für Coronaimpfstoffe auf dem europäischen Markt, sondern hat sich diesen kartellrechtlich hoch problematischen Vorgang auch noch sehr teuer bezahlen lassen – mit dem Geld der europäischen Steuerzahler.

Neben einigen Alternativmedien wie eben den Nachdenkseiten oder auch dem oft lesenswerten Blog Lost in Europe von Eric Bonse, gibt es in den Mainstream-Medien so gut wie keine Berichte über den Skandal. Nur die Berliner Zeitung berichtete hin und wieder (aktuell jedoch noch nicht) und zuletzt kam das Thema auch im Focus zur Sprache – Bonse hat ein Interview mit der SPD-Abgeordneten Katarina Barley dort veröffentlicht (Ausschnitte: Lost in Europe, 8.5.23, oder das gesamte Interview bei Focus 19/2023).

Es gibt eben Themen, zu denen unsere Medien lieber schweigen (in Frankreich dagegen ist es bereits im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angekommen, siehe einen Beitrag auf Youtube). Würden der hiesigen Journaille mehr Menschen vertrauen, wenn die Medien breiter berichteten? Wir gehen davon aus. Auf der anderen Seite fiele dann auf, wie sehr die Medien selbst versagt haben und stetig versagen. Das gilt vermutlich auch für ein weiteres Thema, das – neben vielen anderen – in der Berichterstattung möglichst totgeschwiegen wird. Es geht um den Geburtenrückgang in Deutschland. Norbert Häring hat nur noch bösen Spott für die Kollegen übrig:

Die Bekanntgabe einer erneut sehr niedrigen Geburtenzahl im Februar durch das Statistische Bundesamt hat schon wieder zu einer Welle der Nichtberichterstattung in den deutschen Medien geführt. Allenthalben wurde nicht darüber spekuliert und wurden keine Experten dazu befragt, woran es liegen könnte, dass seit etwa neun Monaten nach Beginn der Massenimpfungen die Geburtenrate in Deutschland ungewöhnlich niedrig ist. Die etablierten Medien verfallen damit in die gleiche ausgeprägte Nichthysterie (Gleichgültigkeit), die sie auch schon bei der Nichtberichterstattung über die hohe Übersterblichkeit in Deutschland und vielen anderen Ländern im Jahr 2022 zeigten. (norberthaering.de, 10.5.23)

Häring hat nach aktuellen Berichten gesucht und im Mainstream nichts gefunden. Das Thema Geburtenrückgänge war im vergangenen Jahr dort schon einmal präsent, es wurde aber abgewiegelt. Und als sich eine Erholung abzuzeichnen schien, eifrig genau darüber berichtet. Noch einmal Norbert Häring:

Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Hoffnung, der Effekt werde sich als temporär herausstellen, getrogen hat. Das Geburtendefizit gegenüber den Vorjahren wurde wieder deutlich größer und blieb groß. Seither herrscht Schweigen im Walde, sowohl bei den zuständigen Instituten und Wissenschaftlern, staatlichen wie vermeintlich unabhängigen, als auch bei den Medien, die es vermeiden nachzufragen. Das wird wohl so bleiben, bis jemand wieder mit einer „Studie“ um die Ecke kommt, die eine Erklärung findet oder behauptet, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Angesichts dieser Beobachtungen, die ja nur ein kleiner Ausschnitt des ganzen Morastes im Haltungsjournalismus sind, wundert man sich, dass überhaupt noch Menschen den „amtierenden Medien“ vertrauen. Denn eine Substanz gibt es dafür kaum. Stattdessen gibt es eifriges Framing gegen die alternativen Angebote und natürlich die Faktenchecker, die vermeintliche Fake News aufspüren, für die dann immer die anderen verantwortlich sind. Wir hatten das Thema und die enge Verbindung der Faktenwächter mit staatlichen Strukturen an dieser Stelle schon mehrfach aufgegriffen. Deswegen wollen wir zum Abschluss dieser Medienrundschau noch kurz auf einen aktuellen Text hinweisen, der neben dem Unwesen der Faktenchecker-Branche ausführlich ein weiteres Thema aufgreift, das kaum berichtet wird. Die Twitter Files. Wir können den Artikel nur empfehlen, dessen Kernaussage lautet:

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Die Branche ist gekauft. Sie ist kompromittiert. Darauf hinzuweisen, ist nicht willkommen. Wer dies tut, gehört zu den „Ausgegrenzten“. (Infosperber, 10.5.23)

Zu den Ausgegrenzten, denen man tunlichst nicht vertrauen darf. Wofür wiederum die Faktenchecker sorgen sollen. Mit dieser letzten Empfehlung eines ausführlichen Textes, den wir Ihnen ans Herz legen, beenden wir für heute unsere Medienrundschau. Wir hoffen, Sie mit einigen interessanten Empfehlungen versorgt zu haben, so wie wir es auch regelmäßig in der rechten Spalte unserer Website tun. Schauen sie hier und dort gerne wieder vorbei, wir wollen Sie gerne dabei unterstützen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen an redaktion@hintergrund.de.

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