Euro-Einführung

Proteste gegen den Beitritt Bulgariens zur Eurozone

Erst Reden, dann Farbbeutel, kaputte Scheiben und Brandsätze. Bulgarien will den Euro einführen, obwohl die Mehrheit dagegen ist. Ein Referendum soll es nicht geben.

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„Ja zum Bulgarischen Lew“
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Eine aktuelle Umfrage der Meinungsforschungsagentur „Myara“ ergab, dass 57,1 Prozent der Bulgaren gegen die geplante Einführung des Euros als Währung in Bulgarien sind und nur 39 Prozent dies befürworten. Trotzdem hält die bulgarische Regierung an ihrem Plan fest, den Euro möglichst bald einzuführen. Erste bulgarische EU-Münzen sind dafür bereits geprägt.

Vor der Bulgarischen Nationalbank (BNB) am Samstag (22.2.)
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Um gegen den Beitritt Bulgariens zur Eurozone zu protestieren, kamen am Samstag (22.2.) mehrere Tausend Menschen vor der Bulgarischen Nationalbank (BNB) in Sofia zusammen. Der Protest war kurzfristig von der drittgrößten Partei „Wiedergeburt“ organisiert worden. Die Partei, die sich selbst als patriotisch-konservativ sieht, wird im Westen als nationalistisch und prorussisch bezeichnet. Der Name der Partei geht auf die Zeit der Befreiung von den Türken im 19. Jahrhundert zurück. „Wiedergeburt“ ist in Bulgarien ein historischer Begriff, ähnlich wie im Westen „Renaissance“, das französische Wort für Wiedergeburt.

Für den Erhalt der Landeswährung

„Nein zum Euro“
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Aufgerufen zum Protest waren alle Bulgaren, die den Erhalt der Landeswährung, den Lew (Deutsch: Löwe), befürworten. Teilnehmer der Veranstaltung, darunter Vertreter anderer Parteien, auch linker, und ziviler Organisationen, befürchten den Verlust der Souveränität ihres Landes, eine weitere Verarmung der Bevölkerung im ärmsten Land der EU und die Übernahme von Schulden anderer Länder. Redner des Protestes betonten, dass sie nicht von Brüssel regiert werden wollen. Sie forderten weiterhin ein Referendum über die Euro-Einführung und den Rücktritt der Regierung, da diese nicht die Interessen Bulgariens vertritt.

Eskalation vor der Europäischen Kommission

Gebäude der Europäischen Kommission
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Am Ende der Veranstaltung wurden vor der BNB symbolisch drei Puppen mit den Gesichtern führender EU-Kommissionspolitiker verbrannt, die bekannteste von ihnen Christine Lagarde. Nach Meinung der Teilnehmer hängt der Beitritt ihres Landes zur Eurozone von diesen Personen ab. Im Anschluss zogen die Teilnehmer zum Sitz der Europäischen Kommission, auf dessen Gebäude Farbbeutel geworfen und Scheiben eingeschlagen wurden. Auf die Eingangstür wurden Brandsätze geworfen, man versuchte in das Gebäude einzudringen, wenngleich erfolglos. Nach Angaben der Polizei, die zeitweise Reizgas zum Einsatz brachte, wurden sechs Demonstranten festgenommen. Zehn Polizisten hatten Farbe in die Augen oder ins Gesicht bekommen und mussten behandelt werden.

Eingang zum Gebäude der Europäischen Kommission
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Diese Eskalation ist eine neue Entwicklung bei Protesten gegen die Euroeinführung in Bulgarien. In der Vergangenheit verliefen diese immer friedlich. So auch der im Dezember 2022, bei dem der Autor dieses Beitrags ebenfalls vor Ort war. Damals wurden rohe Eier und Toilettenpapier auf das Gebäude der EU-Kommission in der Rakowskistraße geworfen. Darüber hinaus wurde ein überdimensionierter Euro-Schein verbrannt und Bengalos gezündet. All dies wurde seinerzeit von den anwesenden Polizisten mit stoischer Gelassenheit hingenommen.

Fälscht die Regierung die Daten?

Bereits am Montag (17.2.) waren Kostadin Kostadinow, der Chef der Partei „Wiedergeburt“, und sechs weitere Volksvertreter im Foyer der BNB, um den Chef der Zentralbank, Dimitar Radew, zur Rede zu stellen. Dieser erklärte das Vorgehen Kostadinows für illegal, zu einem Treffen kam es nicht. Die Aktion wurde live auf Kostadinows Facebook-Seite übertragen. Hintergrund war laut Kostadinow die Information, dass eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der BNB erwartet würde. Die Parlamentarier gehen davon aus, dass die Regierung die Inflations- und Defizitdaten fälscht, um der Eurozone beitreten zu können. Sie wollten auch Auskunft darüber, warum die IWF-Vertreter in Bulgarien sind und warum dies vor den Volksvertretern geheim gehalten worden sei.

Im Sommer 2023 berichtete Telepolis über ein Leak, welches die Frage aufwarf, ob Ursula von der Leyen Bulgarien in die Eurozone schleusen wollte. Die EU-Kommissionspräsidentin soll dem ehemaligen Ministerpräsidenten Kiril Petkow Kreativität bei der Interpretation der Euro-Kriterien zugesagt haben, um Bulgarien den Weg in die Eurozone zu ebnen. Wörtlich soll sie gesagt haben: „Ich werde versuchen Dir zu helfen“. Darüber hinaus soll von der Leyen, die sich aktuell auf X empört zeigt über die „unerhörten Szenen in Sofia“, Petkow gebeten haben, sie nicht mit dieser Aussage zu zitieren.

Ein Referendum soll es nicht geben

Im Februar 2024 hatte das Verfassungsgericht den Antrag von den Parteien „Wiedergeburt“ und „Es gibt ein solches Volk“ (ITN) abgelehnt, die Entscheidung der Nationalversammlung vom Juli 2023 für verfassungswidrig zu erklären. Diese hatte es zuvor abgelehnt, ein nationales Referendum mit der Frage abzuhalten: „Sind Sie damit einverstanden, dass der bulgarische Lew bis 2043 die einzige offizielle Währung in Bulgarien sein soll?“. Eine solche Volksbefragung soll es nicht geben, obwohl dafür bereits mehr als 600.000 Unterschriften gesammelt wurden.

Im April 2024 wurde ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Kommission und Bulgarien unterzeichnet, das Informationskampagnen zur Einführung des Euro in Bulgarien vorsieht. Befürworter der Einheitswährung betonen, dass diese den Euro-Raum attraktiv für Geschäftstätigkeiten aus Drittländern mache und damit Handel und Investitionen fördere. Darüber hinaus würde eine umsichtige wirtschaftspolitische Steuerung den Euro zu einer beliebten Reservewährung für Drittländer machen und dem Euro-Raum mehr Gewicht in der Weltwirtschaft verschaffen.

Sorge um den Verlust der nationalen Identität

Die Bulgaren ließ das unbeeindruckt, weiterhin ist eine Mehrheit von ihnen gegen die Einführung des Euros. Am meisten sind ältere Bulgaren besorgt über die neue Währung. Sie befürchten einen Verlust der nationalen Identität und weitere Teuerungen, wie dies in anderen Beitrittsländern geschehen ist, zuletzt in Kroatien, das 2023 den Euro eingeführt hat. Da Bulgarien wichtige Kriterien bisher nicht erfüllte, musste der Beitritt zur Eurozone bereits mehrfach verschoben werden, zuletzt vom 1. Januar 2025 auf den 1. Juli. Derzeit ist der 1. Januar 2026 im Gespräch, was aber lediglich 25,7 Prozent der Bulgaren befürworten.

Neben Bulgarien erfüllt auch Rumänien nicht die Kriterien für den Beitritt. Polen, Ungarn und Tschechien erfüllen sie, sind aber bisher nicht beigetreten, obwohl sie dies laut dem Vertrag von Maastricht müssten. Auch Schweden hätte bereits beitreten müssen. Das Land will aber bis zur offiziellen Zustimmung durch ein Referendum seine eigene Währung behalten. Dänemark, das den Euro ebenfalls noch nicht eingeführt hat, nimmt für sich eine so genannte Opt-out-Klausel in Anspruch. Nach dieser ist das Land nicht verpflichtet, den Euro einzuführen.

Die Partei „Wiedergeburt“ will ihren Protest nun am Mittwoch (26.2.) in der Nationalversammlung fortsetzen und den Rücktritt der Regierung wegen ihrer „illegalen Maßnahmen zur Einführung Bulgariens in die Eurozone“ fordern.

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