Commerzbank-Tochter kündigt Journalistin Spendenkonto
„Comdirect“ beendet Geschäftsbeziehung mit Gaby Weber ohne Angabe von Gründen / Die Journalistin klagt seit Jahren mithilfe von Spendengeldern auf Akteneinsicht bei Behörden / Anti-Geldwäsche-Vorgaben behindern die Finanzierung von Medien auf Spendenbasis
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Die Filmemacherin und Publizistin Gaby Weber verliert ihr Spendenkonto bei der deutschen Bank „Comdirect“. Das Geldinstitut kündigte Ende Februar zum 5. Mai. Das Kündigungsschreiben veröffentlichte die Journalistin im Online-Magazin „Overton“. Weber klagt seit Jahren auf Akteneinsicht gegen verschiedene staatliche Institutionen, darunter das Kanzleramt, der Bundesnachrichtendienst und die Deutsche Bundesbank. Die Prozesskosten finanziert sie nach eigener Aussage aus Spenden. Durch die Konto-Kündigung könnte dies nun deutlich erschwert werden.
Gaby Weber schreibt auf Multipolar-Anfrage, sie rechne mit erheblichen Einbußen, da vermutlich nicht alle Unterstützer den Umzug zu einer anderen Banken mitmachen und ihre Daueraufträge anpassen würden. Auch mit dem neuen Konto könne sich das Ganze schnell wiederholen. Nach Angaben der Journalistin sind derzeit noch fünf ihrer Verfahren bei deutschen Gerichten anhängig, darunter ein Auskunftsbegehren gegen die Bundesbank. Diese hatte im Rahmen des „Corporate Sector Purchase Programmes“ (CSPP) Anleihen diverser Unternehmen angekauft, darunter Wertpapiere der „Bayer AG“ und ihrer Tochterfirma „Bayer Capital Corporation B.V.“. Die Europäische Zentralbank veröffentlicht zwar den Abschluss solcher Geschäfte und den jeweiligen Zinssatz, nicht jedoch den Wert der erworbenen Unternehmensanleihen.
Die Journalistin möchte daher von der Bundesbank den Umfang des Bayer-Ankaufs erfahren, wie sie bei „Overton“ berichtet. Zudem gehe es ihr um die Frage, ob eine Risikoprüfung stattfand. Denn die um 2017 von „Bayer“ angestrebte Übernahme des Agrarchemiekonzerns „Monsanto“ sei absehbar ein schlechter Deal gewesen, da gegen das US-amerikanische Unternehmen bereits zahlreiche Schadensersatzklagen anhängig waren. Dass der damalige Bundesbankpräsident Jens Weidmann heute als Aufsichtsratschef der „Commerzbank“ amtiert, ist für Weber im Zusammenhang mit ihrer Kontokündigung ein pikantes Detail.
Die „Comdirect“ beendet die Geschäftsbeziehung ohne Angabe von Gründen. Bereits 2024 beanstandete die Bank eine unzulässige Kontonutzung. Das zeigen Mitteilungen des Geldinstituts, die Multipolar vorliegen. Viele Buchungen, schrieb das Bankhaus, würden den Hinweis umfassen, es handele sich um Spenden. Die Nutzung des Girokontos für Spendenzwecke ebenso wie für Vereine oder Dritte sei gemäß den Geschäftsbedingungen aber unzulässig. Die Bank verwies auf ihre Pflichten aus dem Geldwäschegesetz, auf Vorgaben von Aufsichtsbehörden sowie „Verhaltensregeln zur Prävention der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“. Auf die regelwidrige Verwendung eines Kontos werde man durch interne Systeme oder manuelle Prüfungen aufmerksam.
In einem ähnlichen Fall, der Multipolar bekannt ist, kündigte eine Bank das Spendenkonto eines Journalisten erklärtermaßen wegen Geldwäscheverdachts. Sein Vorgehen rechtfertigte das Geldinstitut später mit Handlungsanweisungen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU). Denn die Behörde nenne die Nutzung von Privatkonten zur Sammlung von Spenden und deren nachfolgenden Transfer ins Ausland als möglichen Fall von Terrorismusfinanzierung – ebenso wie das Beispiel, dass ein Kontoinhaber kleine Summen von einer großen Zahl von Menschen erhalte.
Auf Anfrage von Multipolar bestätigte die FIU, den Banken Eckpunktepapiere zur Umsetzung der Geldwäschevorgaben bereitzustellen. Diese würden gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erarbeitet und stünden nicht öffentlich zur Verfügung. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), ein Interessenverband der deutschen Banken, teilt Multipolar mit, dass eine „Vielzahl ungewöhnlicher oder nicht nachvollziehbarer Transaktionen“ Prüfpflichten nach sich ziehen könne. Wie Multipolar in diesem und im vergangenen Jahr in Gesprächen mit Bankvorständen erfuhr, binden solche Vorgaben bankintern zunehmend Kapazitäten. Im Einzelfall seien Kunden deshalb nicht tragbar.
Die Journalistengewerkschaft DJV erklärt auf Anfrage, ihr seien „keine weiteren Fälle“ von Journalisten bekannt, die sich aus Spenden finanzieren und ihr Spendenkonto verlieren. Auf die Frage, ob politischer Handlungsbedarf bestehe, Medienschaffende vor solchen Kündigungen zu schützen, antwortete der Verband, dass Privatbanken selbst entscheiden könnten, wem sie ein Konto gewähren. Die Sparkassen jedoch hätten sich gemäß der Rechtslage an das Gleichbehandlungsgebot zu halten. Allgemein gewinne der spendenfinanzierte Journalismus aus Sicht des DJV an Bedeutung. Herbert Ludwig, dem Betreiber des politischen Blogs „Fassadenkratzer“, war im Oktober 2024 das Spendenkonto durch die regionale Sparkasse gekündigt worden. Zuletzt war dem Radiosender „Kontrafunk“ zum 31. März sein deutsches Konto bei der Volksbank Pirna gekündigt worden. Auch die regierungskritischen Online-Magazine „Manova“ und „Apolut“ waren im vergangenen Jahr betroffen.
Multipolar recherchierte 2024 ausführlich zu Kontokündigungen im journalistischen Bereich. Immer wieder taucht in diesem und in politischen Zusammenhängen die Commerzbank auf. Sie kündigte 2009 dem MLPD-Vorsitzenden Stefan Engel und seiner Lebensgefährtin, im Winter 2013/2014 der Mutter des KPD-Aktivisten Kerem Schamberger, 2016 dem jüdischen Publizisten Abraham Melzer und 2021 dem russischen staatlichen Fernsehsender „RT DE“. Die „Comdirect“ kündigte im Oktober 2020 dem Anwalt und Corona-Maßnahmen-Kritiker Markus Haintz.