Unipolar, bipolar, multipolar – über alte und neue Weltordnungen
Die Vorherrschaft des US-Imperialismus geht zu Ende. Aber was kommt dann? Viele sprechen von der Multipolarität. Ulrich Teusch, Mitherausgeber des Magazins Multipolar, widmet sich der Frage, welche Licht- und Schattenseiten die neue Ordnung haben kann.
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In der gegenwärtigen Übergangsphase zu einer multipolaren Ordnung dominiert ein binäres Denken. Von westlicher Seite wird suggeriert, in dem Prozess handele es sich letztlich um eine Auseinandersetzung zwischen „Garten“ und „Dschungel“, zwischen einer Welt der Demokratie und einer Welt des Autoritarismus. Das ist offenkundig reine Ideologie. Schon der lapidare Hinweis, dass die westliche Führungsmacht 57 Prozent der autoritären Staaten dieser Welt mit Waffen beliefert, sollte als Gegenargument genügen.
Auf der anderen Seite haben sich jene Staaten, die am multipolaren Projekt beteiligt sind, zu einer relativ homogenen, kooperativen Front zusammengefunden. Ihr gemeinsames Ziel ist Gegenmachtbildung, um die Vorherrschaft der USA und des Westens zu brechen. Diese Interessenidentität schweißt zusammen und trägt dazu bei, dass potentielle Konfliktfelder zwischen den involvierten Staaten (noch) nicht oder kaum sichtbar werden. Das kann und wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit ändern, sobald die Gegenmachtbildung abgeschlossen ist und die mit ihr verknüpften Ziele erreicht sind.
Zu Beginn dieses Beitrags hatte ich die großen Hoffnungen angesprochen, die vielerorts mit dem Übergang in eine multipolare Welt verbunden werden. Diese Hoffnungen sind auch insofern möglicherweise überzogen oder unbegründet, als man zum heutigen Zeitpunkt nicht einmal zuverlässig prognostizieren kann, welche Staaten denn überhaupt Pole bilden werden. Sicher, China und die USA sind „gesetzt“ (und zwar derart gesetzt, dass der Politikwissenschaftler Thomas Jäger davon ausgeht, dass wir gar nicht auf ein multipolares System zulaufen, sondern auf ein bipolares mit China und den USA als Weltmächten.) Ob die beiden Giganten in einen militanten Konflikt geraten oder einen Modus vivendi finden, dürfte die zentrale geopolitische Frage der kommenden Jahre und Jahrzehnte sein.
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