Ukraine-Krieg

Olympische Spiele 2024 exklusiv - ohne die Unmenschen aus Russland

Auch im Sport sorgt die Ukraine momentan für Aufregung. In deutschen Medien empört man sich über einen Kompromiss, den das Internationale Olympische Komitee mit seinen 144 Mitgliedern aus allen Kontinenten gefunden hat, um Athleten aus der Russischen Föderation und Belarus an den Olympischen Spielen 2024 teilnehmen zu lassen.

Olympische Spiele 2024 ohne Athleten aus Russland und Belarus?
Foto: Screenshot , Mehr Infos

Sie dürfen, aber nur ohne nationale Symbole, ohne Nationalflagge und Nationalhymne, sozusagen reduziert auf ihre Rolle als Sportler. Und nicht nur das, sie dürfen den Krieg gegen die Ukraine „nicht aktiv unterstützen“ und sollen auch die Sanktionen gegen Russland befürworten. Nur unter diesen Auflagen können sie sich an Wettkämpfen beteiligen. Aber selbst dieser Kompromiss geht vielen zu weit.

Nach dem Einmarsch in die Ukraine Ende Februar letzten Jahres hatte das IOC den internationalen Weltverbänden den Ausschluss russischer und belarusischer Athleten empfohlen. Dann beschloss aber der asiatische Dachverband OCA (Olympic Council of Asia), die Athleten aus Russland und Belarus in seinen Wettbewerben starten zu lassen, die vor der Olympiade zur Olympia-Qualifikation stattfinden. Daraufhin hat sich das internationale Komitee zur Lockerung veranlasst, wenn nicht gezwungen gesehen, zumal zwei Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats Bedenken dagegen geäußert hatten, die Sportler und Sportlerinnen aus Russland und Belarus ganz auszuschließen. Sie dürfen nun als „neutrale Athleten“ mitmachen, sofern die Proteste dagegen nicht doch noch das IOC einknicken lassen. Der Dachverband aller nationalen Olympischen Komitees ANOC unterstützt allerdings den Kurs des IOC.1

Dieser Konflikt verdient in zweifacher Hinsicht die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen, die sich noch der Aufklärung verpflichtet fühlen. Erstens ist bemerkenswert, welch unterschiedliche Maßstäbe hier angelegt werden, und zwar auch vom IOC. Zweitens verschafft sich hier eine neue Variante von Ultra-Nationalismus weltweit Geltung. Zumindest hierzulande wird von Medien und Politikern diese paranoide Feindbildkonstruktion übernommen.

An den Olympischen Spielen von 1972 – der Vietnamkrieg war noch nicht beendet – haben 400 Athleten aus den USA teilgenommen. Niemand kam auf den Gedanken, sie von den Wettkämpfen auszuschließen. Niemand verwies darauf, dass die USA in ihrem Angriffs- und kolonialen Unterwerfungskrieg ganze Landschaften vermint, verseucht und vergiftet und Millionen in den Tod geschickt hatten. Auch die Zerstörung des Irak war 2004 kein Hindernis für die Beteiligung der US-Sportler an der damaligen Olympiade.

Anders jetzt nach der Invasion Russlands. Selbst als „neutrale Athleten“ sollen Sportler aus Russland nicht teilnehmen dürfen, wenn sich die ukrainische Führung durchsetzt. Die Entscheidung des IOC hat sogleich den ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf den Plan gerufen. Voll Entrüstung schrieb er: „Es ist offensichtlich, dass jedes neutrale Banner russischer Athleten mit Blut befleckt ist.“ Vitali Klitschko schlug einen weit schärferen Ton an und unterfütterte seinen Protest ohne Scheu mit Gräuelmärchen. Heute sind Russen Olympiasieger in Verbrechen gegen Zivilisten. Sie gewinnen die Goldmedaille in der Verschleppung von Kindern und der Vergewaltigung von Frauen.“ Thomas Bach, der Präsident des IOC, solle diese Verbrechen nicht mit dem „olympischen Abzeichen“ versehen. Er mache sich sonst zum „Komplizen dieses abscheulichen Krieges“ und verrate „den olympischen Geist“. Die Außenminister von Lettland, Estland, Litauen und Polen schlossen sich, wie nicht anders zu erwarten, der ukrainischen Forderung an und sprachen sich gegen eine Wiederzulassung der russischen Athleten aus.

Man muss sich klar machen: Nur deshalb, weil sie Bürger der Russischen Föderation oder von Belarus sind, sollen Sportler von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden! Das passt zu den Zumutungen der ukrainischen Regierung im Kulturbereich, zum Beispiel zu dem Ansinnen gegenüber der Leitung der Mailänder Scala, die Oper Boris Godunow von Modest Mussorgsky vom Spielplan abzusetzen.2 Alles Russische oder Russländische soll nicht nur aus dem öffentlichen Leben der Ukraine verbannt,3 sondern der Weltöffentlichkeit entzogen und geächtet werden. Als der ukrainische Kulturminister kürzlich gegen den am Staatstheater Wiesbaden geplanten Auftritt der Sopranistin Anna Netrebko protestierte, machte er klar, dass die Ukraine „überhaupt Veranstaltungen, in denen russische Kultur zur Darstellung käme“ nicht tolerieren werde.4

Das ist ein Nationalismus, der nicht nur das Eigene für einzigartig und für allen anderen überlegen hält, sondern eine spezielle Nation zum absolut Bösen, nicht nur zum Feind erklärt, und deshalb deren Angehörige aus der Weltgemeinschaft ausschließen möchte. Selbst an russischer Kultur soll niemand mehr Gefallen finden. Das Dumme ist, dass sich Puschkin oder Mussorgsky nicht mehr von Putin distanzieren können. Man kann diesen bisher einmaligen Furor als völkischen Nationalismus bezeichnen.

Erschreckend, dass Nancy Faeser als Bundesinnenministerin und Sportministerin den Ausschluss richtig findet. Sie teilte der FAZ mit: „Dass das IOC russischen Sportlerinnen und Sportlern offenbar wieder die Tür öffnet und die Teilnahme an den Olympischen Spielen ermöglichen will, ist der völlig falsche Weg.“

Im deutschen Sport und in der Öffentlichkeit ist man noch gespalten. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Handballbund (DHB) teilen die Auffassung des IOC. Die „unabhängige“ Athletenvertretung „Athleten Deutschland“ ist mit dem Kompromiss nicht einverstanden. Im Stern schrieb Tim Schulze am 27. Januar: „Die russische Armee führt weiterhin einen brutalen Krieg gegen die Ukraine und ihre Menschen, sie bombardiert zivile Einrichtungen und Wohnhäuser und überzieht das Land mit Kriegsterror.“5 Der Sportphilosoph Gunter Gebauer belehrte das IOC: „Nach den Statuten der Olympischen Spiele kann das Nationale Olympische Komitee einer kriegführenden Nation, insbesondere wenn es sich um einen Angriffskrieg handelt, nicht zu Olympischen Spielen eingeladen werden.“6 Das Vorgehen des IOC sei „wieder mal ein Kotau vor Russland“. Die nun angestrebte Lösung sei typisch für IOC-Chef Bach. „Er taktiert und versucht, Russland nicht zu erzürnen.“ Gebauer hätte sich seine Einmischung sparen können. Denn Russland wird die Entscheidung des IOC bei aller sonstigen Offenheit für Kompromisse kaum akzeptieren.

 

Quellen

6 Grammatikalischer Fehler so auf der Seite des RedaktionsNetzwerk Deutschland. https://www.rnd.de/politik/olympische-spiele-mit-russischen-sportlern-sportphilosoph-gebauer-kritisiert-ioc-HOXIAWKADFBSS33JPDBOPRPVU4.html abgerufen am 01.02.23

 

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