Das Nachrichtenmagazin – 32016-Höchstmaß an politischer Subversion
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Das Nachrichtenmagazin – 3/2016
Höchstmaß an politischer Subversion
Matthias Rude
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Anmerkungen und Quellen
(1) In seiner Dissertation aus dem Jahr 1841. – Karl Marx: Differenz der demokratischen und epikureischen Naturphilosophie nebst einem Anhang, in: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Ergänzungsband, Erster Teil, Berlin 1968, S. 257-373, S. 263.
(2) Alle drei dienten als Vorbilder für Mary Shelleys Figuren. Byrons Freund Matthew Gregory Lewis veranstaltete in der Villa Diodati eine Lesung aus Goethes Faust; Pechmann schreibt dazu: „Mary Shelley kannte also Goethes Figur des Gelehrten Faust, dessen Unzufriedenheit mit einer Welt, die seinem Streben Grenzen setzt, ihn zum Teufelspakt motiviert“ (Alexander Pechmann: Mary Shelley. Leben und Werk, Düsseldorf 2006, S. 95). Anspielungen auf Paradise Lost durchziehen den Roman, angefangen beim Motto, das ihm vorangestellt ist; es stammt aus dem zehnten Buch des epischen Gedichtes von John Milton, Pechmann übersetzt es folgendermaßen: „Hab ich’s von dir, mein Schöpfer, denn erbeten, / Daß du aus Lehm zum Menschen mich geformt? / Daß du mich aus der Dunkelheit hervor- / Zuziehen kamst, hab ich dich drum ersucht?“ Im Original heißt es: „Did I request thee, maker, from my clay / To mould me man? Did I solicit thee / From darkness to promote me“ (John Milton: Das verlorene Paradies, Zehntes Buch, Verse 743-745, in: Ders.: Das verlorene Paradies, Werke. Englisch – Deutsch, Frankfurt am Main 2008, S. 19-607, S. 500). Paradise Lost gehört (neben Goethes Die Leiden des jungen Werther, Plutarchs Lebensläufe sowie Constantine Volneys Ruinen der Weltreiche) zu den Büchern, die das Monster liest. Im zweiten Teil sagt es, dass es den Satan aus Paradise Lost als passendes Symbol für seine eigene Lage sehe.
(3) Das ist die allgemeine Meinung der Experten. So heißt es beispielsweise in einer 2001 erschienenen Biografie über Mary Shelley: „Sie läßt diese ,gotischen‘ Erzählungen hinter sich, bedient sich nicht mehr ihrer konventionellen Muster und Figuren, sondern schreibt einen futuristischen Roman, der schon auf die Science-fiction-Literatur verweist“ (Karin Priester: Mary Shelley. Die Frau, die Frankenstein erfand. Biographie, München 2001, S. 120).
(4) Frankenstein wurde, wie Stephen King in seinem Sachbuch über Horror in Literatur und Film anmerkt, wahrscheinlich häufiger verfilmt als jedes andere Werk der Literaturgeschichte – das Original aber werde kaum gelesen, so dass heute viele gar nicht mehr wüssten, dass „Frankenstein“ der Name des Monsterschöpfers ist, nicht der des Monsters selbst. „Zu den Dingen, die Kunst zu einer Kraft machen, mit der man rechnen muß, selbst diejenigen, denen nicht daran gelegen ist, gehört die Regelmäßigkeit, mit der der Mythos die Wahrheit verschluckt“, schreibt er – eine Tatsache, die für die Vorstellung spreche, dass die Figur Teil eines „Mythen-Reservoirs“ geworden sei, zu jener Masse fiktiver Literatur also, „in der wir alle, auch diejenigen, die nicht lesen oder ins Kino gehen, gemeinschaftlich gebadet haben“. – Stephen King: Danse macabre. Die Welt des Horrors in Literatur und Film. Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber, München 1981, S. 78, S. 80.
(5) Mary Shelley: Frankenstein oder Der moderne Prometheus. Die Urfassung. Aus dem Englischen neu übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann, München 2013, S. 286f.
(6) Karin Priester: Mary Shelley (Anm. 3), S. 29. – Später vertrat Godwin allerdings mehr und mehr einen politischen Reformismus und brachte wohl auch Percy Shelley „nach und nach auf einen linksliberalen Kurs, der mit dem Radikalismus der noch jungen englischen Arbeiterbewegung, den Gewerkschaften und der Bewegung des Chartismus, nicht viel zu tun hatte, auch wenn Shelleys Werk ,Queen Mab‘ gerade in diesen Kreisen begeistert aufgenommen und geradezu als eine Art Bibel gelesen wurde“ (ebd., S. 84).
(7) Wolfgang Koeppen (Hg.): Percy Bysshe Shelley: Das brennende Herz, München, Wien, Basel 1958, S. 13.
(8) Wolfram Sailer: Wissen, Arbeit und Liebe in Mary Shelleys Frankenstein. Studien zur romantischen Mythenumdeutung (Anglistik in der Blauen Eule, Bd. 16, zgl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1991), Essen 1994, S. 89. – Die Schafe, so Percy Shelley, würden pro Mahlzeit einen Morgen nutzbares Ackerland auffressen.
(9) Der Gebrauch von Laudanum und Opium war in der Romantik eher die Regel als die Ausnahme. „Angesichts dessen kann man sich leicht ausmalen, unter welchen Vorzeichen die Texte in der Villa Diodati entstanden sind“, heißt es in einem Artikel zum Thema (Christoph Hombergs: Laudanum, in: Alexander Eilers (Hg.): „The Summer of 1816“ – Von Monstern, Geistern und Vampiren. Dokumentation der gleichnamigen Ausstellung in der Universitätsbibliothek Gießen (15.4.-13.5.2009), Fernwald 2010, S. 43-47, S. 47.).
(10) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 8.
(11) Reto U. Schneider: Der Frankenstein von Bologna, NZZ Folio, August 2003 (http://folio.nzz.ch/2003/august/der-frankenstein-von-bologna).
(12) Entsprechend lässt Mary Shelley Victor Frankenstein im Roman sagen: „Eines der Phänomene, dem ich besondere Aufmerksamkeit widmete, war die Zusammensetzung des menschlichen Körpers und eigentlich eines jeden lebendigen Wesens. Worin, fragte ich mich häufig, bestand die Grundlage des Lebens?“ (Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 46). – Im Original heißt es: „One of the phenomena which had peculiarly attracted my attention was the structure of the human frame, and, indeed, any animal endued with life. Whence, I often asked myself, did the principle of life proceed?” (Mary Shelley: Frankenstein. English | German. Übersetzt von Heinz Widtmann. Berliner bilinguale Ausgabe, 2015, S. 31.
(13) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 269f.
(14) Ebd., S. 277f.
(15) Horst Meller: Prometheus im romantischen Heiligenkalender, in: Hans-Joachim Zimmermann (Hg.): Antike Tradition und Neuere Philologien. Symposium zu Ehren des 75. Geburtstages von Rudolf Sühnel, Heidelberg 1984, S. 151-175, S. 168.
(16) Wolfram Sailer: Wissen, Arbeit und Liebe in Mary Shelleys Frankenstein (Anm. 8), S. 168.
(17) Im Kapitel über „Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“, in: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 23, Berlin 1962, S. 746.
(18) „If he were vanquished, I should be a free man. Alas! What freedom? Such as the peasant enjoys when his family have been massacred before his eyes, his cottage burnt, his lands laid waste, and he is turned adrift, homeless, penniless, and alone, but free“ (Mary Shelley: Frankenstein. English | German (Anm. 12), S. 141).
(19) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 127.
(20) Wolfram Sailer: Wissen, Arbeit und Liebe in Mary Shelleys Frankenstein (Anm. 8), S. 174f.
(21) Ebd., S. 210.
(22) Ebd., , S. 173. – Insofern handelt es sich um eine Fehlinterpretation, wenn Muriel Spark das Monster als „den isolierten Intellekt“ Frankensteins betrachtet (in: Mary Shelley. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Angelika Beck, Frankfurt am Main und Leipzig 1992, S. 211). Wie Wolfram Sailer anhand zahlreicher Textstellen nachweist, ist das Gegenteil der Fall: Das Monster steht nicht nur für alle „Verdammten dieser Erde“, sondern auch allgemein für die innere und äußere Natur, die von Frankenstein unterdrückt wird, welcher damit wiederum die „Verkörperung eines männlich-zielgerichteten Prinzips“ ist. Während das Monster Lamm und Zicklein nicht zerstört, um seinen Appetit zu befriedigen, foltert Frankenstein lebende Tiere, um das leblose Material seiner technischen Menschenproduktion zu beseelen; das Leid der gequälten Kreatur hat für ihn nur Bedeutung, insofern sie ihn selbst mit Schrecken füllt (Wolfram Sailer: Wissen, Arbeit und Liebe in Mary Shelleys Frankenstein (Anm. 8), S. 272). In der Dialektik der Aufklärung, in der eine Wissenschaft kritisiert wird, die in „scheußlichen physiologischen Laboratorien wehrlosen Tieren“ den „blutigen Schluß“ abzwingt, heißt es: „Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war“ (Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 1988, S. 262, S. 40).
(23) Max Horkheimer: Briefwechsel 1941-1948 (Gesammelte Schriften, Band 17). Herausgegeben von Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1996, S. 797.
(24) Das Monster sagt: „Ich las von Menschen, die im Dienste der Öffentlichkeit ihre Artgenossen regierten oder abschlachteten. Ich spürte, wie sich in mir eine große Begeisterung für die Tugend regte und ein Abscheu vor Lasterhaftigkeit, soweit ich die Bedeutung jener Begriffe verstand, da sie nach meiner Auffassung offenbar nur Lust und Schmerz entsprechen konnten“ (Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 138). Im Original: „I read of men concerned in public affairs, governing or massacring their species. I felt the greatest ardour for virtue rise within me, and abhorrence for vice, as far as I understood the signification of those terms, relative as they were, as I applied them, to pleasure and pain alone“ (Mary Shelley: Frankenstein. English | German (Anm. 12), S. 93).
(25) „I was not even of the same nature as man“ (Mary Shelley: Frankenstein. English | German (Anm. 12), S. 87).
(26) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 145.
(27) „I trust that, by your aid, I shall not be driven from the society and sympathy of your fellow creatures” (Mary Shelley: Frankenstein. English | German (Anm. 12), S. 98).
(28) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 158.
(29) Carol J. Adams: Zum Verzehr bestimmt. Eine feministisch-vegetarische Theorie. Übersetzung aus dem Englischen von Susanna Harringer, Wien, Mühlheim a.d. Ruhr 2002, S. 128.
(30) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 147. – Anspielung auf das vierte Buch von Paradise Lost, wo es über Satan, der heimlich den Garten besucht, heißt: „horror and doubt distract / His troubled thoughts, and from the bottom stir / The hell within him, for within him hell / He brings, and round about him, nor from hell / One step no more than from himself can fly / By change of place“ (John Milton: Das verlorene Paradies, Viertes Buch, Verse 18-23, in: Ders.: Das verlorene Paradies (Anm. 2), S. 19-607, S. 168).
(31) „My food is not that of man; I do not destroy the lamb and the kid to glut my appetite; acorns and berries afford me sufficient nourishment. My companion will be of the same nature as myself and will be content with the same fare” (Mary Shelley: Frankenstein. English | German (Anm. 12), S. 108).
(32) Mary Shelley: Frankenstein (Anm. 5), S. 159.