Militär

Vor allem mehr Panzer: Milliardenprogramm für Bundeswehr

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Pünktlich zur Veröffentlichung des Bundeswehr-Jahresberichts kündigt die Verteidigungsministerin ein milliardenschweres Aufrüstungsprogramm an

Am Dienstag präsentierte Hans-Peter Bartels der Öffentlichkeit seinen ersten Bundeswehr-Jahresbericht als Wehrbeauftragter. In dem Bericht, der über viertausend Eingaben von Soldaten berücksichtigt, die den Ombudsmann im Jahr 2015 erreichten, zeichnet der SPD-Politiker ein drastisches Bild, was die Personaldecke und die Ausrüstung der Armee betrifft. Zudem bemängelt er die marode Infrastruktur der Bundeswehrliegenschaften. (1)

Bartels spricht von „planmäßiger Mangelwirtschaft“ und „existenziellen Ausrüstungslücken“, wodurch Ausbildung, Übung und Einsatz gefährdet seien. Die wachsende Zahl der Auslandseinsätze sowie die zivile Amtshilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise hätten die Soldaten und Soldatinnen an den Rand ihrer Belastungsgrenze gebracht.

„Die Truppe ist es leid. Es fehlt zu viel“, schilderte Bartels die Stimmung an der Basis. Die Bundeswehr stehe vor einem „Wendepunkt“, „noch mehr Reduzierung geht nicht“. Bereits am Vortag hatte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, mehr personelle und materielle Sicherheit gefordert und die Bundeswehr als „enormen Sanierungsfall“ bezeichnet.

„Immerhin“, konstatiert der Wehrbeauftragte in seinem Bericht, sehe sich „in der Truppe heute niemand mehr gezwungen, die objektiv bestehenden Defizite zu verheimlichen oder zu verniedlichen“. Bartels forderte eine deutliche Erhöhung des Militäretats, auch unter Hinweis auf einen Überschuss von zwölf Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2015.

Das Verteidigungsministerium ließ sich nicht lange bitten. Nur Stunden nach der Präsentation des Lageberichts gab Ursula von der Leyen ihre Pläne bekannt, die Mittel für die Modernisierung der Ausrüstung stark zu erhöhen.

„Wir leben inzwischen von der Substanz“, sagte sie. Es gebe einen gewaltigen Modernisierungsbedarf, und es kämen immer wieder neue Aufgaben hinzu. „Wir wollen das Land nicht im Stich lassen. Wir wollen diese Aufgaben auch bewältigen, aber wir müssen dafür die richtige Ausstattung haben.“

Insgesamt 130 Milliarden Euro will die Verteidigungsministerin in den nächsten fünfzehn Jahren zu diesem Zweck investieren – was fast einer Verdoppelung der bisher vorgesehenen Mittel entspricht. Die CDU-Politikerin verlangt dafür eine weitere Aufstockung des Wehretats, und zeigt sich zuversichtlich, dass sie die Haushaltsmittel für ihr Milliardenprogramm bekommen wird.

Zur Frage, welche Signale sie von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble diesbezüglich  erhalten habe, sagte sie im ARD-Morgenmagazin: „Ich habe große Offenheit gespürt und gehe jetzt in die Detailverhandlungen für den Haushalt, aber bin guten Mutes.“

Wie aus einer Aufstellung für den Verteidigungsausschuss des Bundestags hervorgeht, die von der Leyen den Abgeordneten am Mittwoch erläutern will, will die Ministerin die Armee im Zuge ihres geplanten Milliardenprogramms vor allem mit mehr Panzern ausrüsten.

Demnach soll die Zahl der Kampfpanzer „Leopard 2“ von 225 auf 320 und die Zahl der Transportpanzer von 1170 auf 1300 erhöht werden. Von den Spähpanzern „Fennek“ soll die Bundeswehr 248 statt 217 erhalten. Zudem sollen der Truppe 101 statt 89 der „Panzerhaubitzen 2000“ zur Verfügung gestellt werden. Bei den Schützenpanzern gibt es eine Option, neben 342 neuen „Pumas“ 196 der alten „Marder“-Modelle beizubehalten.

Von der Leyens Modernisierungspläne sehen auch vor, einen Teil der Bundeswehrreform unter ihrem Amtsvorgänger Thomas de Maizière zu kippen. 2011 hatte dieser Obergrenzen für die Ausstattung der Bundeswehr mit großen Waffensystemen wie Panzern oder Kampfflugzeugen festgelegt. Diese sollen jetzt komplett gestrichen werden. Die Truppe soll je nach Lage und Aufgaben ausgerüstet werden.

„Im Hinblick auf die weltweite Bedrohungslage dürfen wir hier nicht zögern: Die Beschaffung von Ausrüstung und Investitionen in den Materialerhalt sind unabdingbar“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts. Die Bundeswehr müsse „auch personell angemessen ausgestattet werden“. Nur so könne sie zu einer „noch attraktiveren Truppe“ werden. All das werde „erheblich mehr Geld kosten als bislang vorgesehen“, erklärte der CDU-Politiker am Dienstag. (2)

Die Notwendigkeit der Sanierung der Bundeswehr-Ausrüstung gilt in der Großen Koalition als unstrittig. Umstritten ist hingegen, ob die Personaldecke der Armee erhöht werden muss, um die vorgegebenen Aufgaben zu erfüllen.

Derzeit dienen 177 000 Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr – so wenige wie noch nie zuvor. Davon seien laut dem Wehrbeauftragten stets rund zwanzigtausend  durch Auslandseinsätze, NATO-Verpflichtungen aber auch die Flüchtlingshilfe gebunden. Weitere dreißigtausend Bundeswehrangehörige  absolvierten Lehrgänge oder Ausbildungen und stünden deshalb real nicht zur Verfügung.

Die derzeitige Soll-Stärke beträgt 185 000 Soldaten und Soldatinnen. Es wird erwartet, dass von der Leyen eine Vergrößerung der Truppenstärke vorschlagen wird, die über die Soll-Stärke hinausgeht.

Angesichts eines wachsenden Bedrohungsgefühls in der Bevölkerung und der damit verbundenen gestiegenen Akzeptanz höherer Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung scheint der Zeitpunkt günstig, den mit Ende des Kalten Krieges eingesetzten Trend des sukzessiven Personalabbaus umzukehren.

Dabei lässt sich diese Trendwende objektiv kaum begründen. Zwar ist die Zahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr gestiegen, nicht jedoch die Anzahl der dabei eingesetzten Soldaten und Soldatinnen – vergangenes Jahr sank sie aufgrund des Abzugs aus Afghanistan auf 2500, dem niedrigsten Stand seit den 1990er Jahren. Den Höchststand hatte die Bundeswehr 2002 mit 10 400 Soldaten und Soldatinnen im Auslandseinsatz erreicht.

Auch mit der Flüchtlingshilfe im Inland, die mit 7500 eingesetzten Kräften wesentlich mehr Armeeangehörige bindet als die Auslandseinsätze, lässt sich eine Personalaufstockung nur schwer begründen. Denn die zivile Amtshilfe ist ein Ausnahmefall, bis Mitte des Jahres soll die Unterstützung der zuständigen Behörden beendet werden.

Von der Leyens Aufrüstungspläne stoßen auf scharfe Kritik in den Reihen der Opposition. Bernd Riexinger bezeichnete die Initiative als „völligen Irrsinn“. „Jeder Euro für deutsche Kriegsbeteiligung ist eine Katastrophe. Wer Frieden will, der rüstet nicht auf“, erklärte der Linke-Vorsitzende.

Zuvor hatte die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion seiner Partei den Wehrbeauftragten Bartels kritisiert. Dessen Bericht lese sich „wie ein Aufrüstungsbericht“, so Christine Buchholz in einer Pressemitteilung.

Die Bundesregierung trage die Militarisierung der Außenpolitik auf dem Rücken der Soldaten und ihrer Familien aus. Für die Linke-Politikerin ist die „dauerhafte Überlastung“ von Armeeangehörigen eine „direkte Folge des militärischen Interventionskurses der Bundesregierung“.

Mehr militärisches Gerät und eine Personalaufstockung hätten keine Erleichterung für die von den Auslandseinsätzen betroffenen Familien zur Folge, sondern dienten „einzig der Fortsetzung des militaristischen Kurses der Bundesregierung“. (3)

Auch die Verteidigungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, kritisierte von der Leyens Pläne. Sie sprach von einer „immense Aufrüstung der Bundeswehr“. Die Bundeswehrreform werde damit komplett beerdigt. Das geplante Sanierungsprogramm sei „in erster Linie eine riesige Subvention für die Rüstungslobby“.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, befürwortet hingegen die Rüstungspläne. Wenn die EU als Krisenakteur in der Welt akzeptiert werden wolle, müsse sie die dafür notwendige Handlungsfähigkeit erwerben. Deshalb sei das Vorhaben der Verteidigungsministerin „ein wichtiger deutscher Beitrag, den wir hier für Europa und zur Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit leisten können und müssen“.

(mit dpa)


 

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Anmerkungen

(1) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/072/1807250.pdf
(2) https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/bundeswehr-personell-materiell-und-finanziell-staerken
(3) http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/wehrbeauftragtenbericht-liest-sich-wie-aufruestungsbericht/

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