Weltwirtschaft

Das jüngste Weltgericht

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Die private internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist seit den 1950er Jahren wesentlich in der Hand eines US-dominierten Exklusivclubs. Mit TTIP würde das korrupte System noch weiter ausgebaut werden –

Von WERNER RÜGEMER, 14. Januar 2015 –

Emmanuel Gaillard ist „der einflussreichste Franzose der Welt“, textete das Wirtschaftsmagazin Vanity Fair France. Gaillard wurde kürzlich mit Foto in der Zeit vorgestellt: Er hatte für das Brüderpaar Joan und Viorel Micula durch die Klage vor einem privaten Schiedsgericht 250 Millionen Dollar herausgeholt. Die „postsozialistischen Goldgräber“ hatten in Rumänien eine Anlage für Getränkeabfüllung hochgezogen, sahen ihren Gewinn aber durch den Staat geschmälert: Der hatte beim Eintritt in die EU den beiden Oligarchen die bisher vollständige Befreiung von Gewinn- und Mehrwertsteuer gestrichen, weil das in der EU als unzulässige Subvention gilt. Die Zeit erwähnte, dass es Gaillard war, der für die Nachfolger von Mikail Chodorkowskis insolventem Ölkonzern Yukos kürzlich vor einem Schiedsgericht in Den Haag 50 Mrd. Dollar gegen Russland erstritten hat. Das US-begeisterte Intellektuellenblatt warnte, dass solche Schiedsgerichte die EU-Staaten künftig viele Millionen kosten könnten, wenn sie auch im TTIP enthalten wären.(1)

Die Kanzlei Shearman & Sterling

Nun könnte man fragen, warum die Zeit vor den TTIP-Schiedsgerichten warnt, wenn schon jetzt solche Verfahren möglich sind? Aber beschäftigen wir uns zunächst mit der Frage: Wer ist eigentlich Gaillard? Die Zeit berichtet lediglich, er sei ein gewiefter französischer Anwalt in Paris. Das würde aber wohl kaum ausreichen, um gegen einen mächtigen Staat 50 Mrd. Dollar zugunsten des ehemaligen Unternehmens eines verurteilten und geflüchteten Oligarchen herauszuholen. Gaillard steht in US-amerikanischen Diensten. Er ist Leiter einer internationalen Truppe von 85 Anwälten, die sich ausschließlich in privaten Schiedsgerichtsverfahren betätigen. Die Truppe gehört zur US-Kanzlei Shearman & Sterling. Diese dirigiert von ihrem Hauptsitz in New York aus nicht nur die Filiale in Paris, sondern auch Filialen in Washington, Brüssel, Peking, Singapur, Abu Dhabi, Tokio, Frankfurt usw. Gaillards Bedeutung kommt also nicht aus dem Himmel, sondern zunächst von seinem US-Arbeitgeber (was in der westlichen Wertegemeinschaft in etwa dasselbe ist).

Die Kanzlei vertritt seit Jahrzehnten internationale Konzerne, Private Equity Fonds („Heuschrecken“) und Hedge Fonds bei komplexen internationalen Finanztransaktionen. Zum Beispiel wenn ein solcher Investor mithilfe von ein paar Dutzend Tochterfirmen in diversen Finanzoasen einen anderen Konzern kauft, dessen zwei Dutzend Hauptaktionäre ihre Aktienpakete auf vier Dutzend Tochterfirmen in diversen Finanzoasen verteilt haben. Zum Beispiel wenn der Global Player General Electric wie kürzlich die italienische Aerospace Group Avio für 4,3 Mrd. Dollar kauft. Dafür bekam Shearman & Sterling nicht nur ein zweistelliges Millionenhonorar, sondern auch den Private Equity Tax Deal of the Year, also den vom Finanzmilieu gestifteten Heuschrecken-Preis für die beste Steuergestaltung des Jahres 2014.

Wie am Kauf von Avio durch General Electric ersichtlich, hat Gaillards Truppe als Mandanten nicht nur zweifelhafte „postsozialistische Goldgräber“ und flüchtige Ex-Oligarchen, sondern vor allem etablierte Konzerne und renommierte westliche Steuerhinterzieher. Die Filiale von Shearman & Sterling in Frankfurt a.M. zum Beispiel weist als Mandanten unter anderem aus: die Allianz-Versicherung beim Verkauf der Dresdner Bank an die Commerzbank, Daimler beim Verkauf des Turbinenherstellers MTU an die schwedische „Heuschrecke“ EQT. Vorrangig hilft die Kanzlei milliardenschweren angelsächsischen Private Equity und Hedge Fonds, die in Deutschland und der EU auf der Jagd nach lohnenden Unternehmenskäufen sind: KKR kauft Altana Pharma, CVC kauft Dywidag, Sana Heavy Industry kauft Putzmeister, Mori Seiki erhöht seinen Anteil an Gildemeister, Carlyle und Syniverse kaufen das luxemburgische Telekom-Unternehmen MACH.

Doch zurück zur internationalen Gaillard-Truppe: Sie hat in den letzten Jahrzehnten schon Hunderte von Schiedsgerichtsverfahren durchgezogen. Gaillard persönlich vertrat beispielsweise den französischen Bau- und Wasserkonzern SAUR gegen Argentinien, weil die dortige Provinzregierung Mendoza die Wasserpreise nicht so erhöhte, wie es der Investor wollte. Gaillard vertrat Ägypten gegen die Ampal American Israel Corporation, die Global Telecom Holding und Algerien gegen den Container-Weltmarktführer Maersk.

Die Top 20

Dabei steht Shearman & Sterling nur an 12. Stelle der zwanzig wichtigsten lawfirms (Rechtsfabriken, wie sie sich selbst nennen), die die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Hand haben. Das führende saubere Dutzend besteht ausschließlich aus US-Kanzleien, angeführt von Freshfields, White & Case, King & Spalding. An 13. Stelle folgt eine kanadische Kanzlei, bevor wieder drei US-Kanzleien folgen, danach zwei britische, eine französische und wieder eine US-amerikanische.(2) Hier spiegeln sich auch Kräfteverhältnisse innerhalb des westlichen Kapitalismus.

Wenn man genauer hinschaut, entpuppen sich aber auch die Kanzleien, die anderen Staaten zugeordnet werden, als US-dominiert. So hat die kanadische Kanzlei Appleton & Associates als Hauptkunden US-Konzerne, die gegen Kanada klagen. Ihre umsatzstärkste Dependance hat die Kanzlei nicht im heimischen Toronto, sondern in Washington. Sie vertrat und vertritt auf der Grundlage von NAFTA zahlreiche US-Energiekonzerne, auch solche, die gegen Kanada wegen Umweltauflagen zum Beispiel. beim Fracking klagen: Mesa Power, Bilcon, Merrill Ring Forestry, United Parcel Service UPS. Appleton vertrat auch den US-Benzinhersteller Ethyl, der Kanada wegen des Verbots des krebsfördernden Benzinzusatzes MMT verklagte – mit Erfolg: Kanada musste Schadensersatz zahlen und das Verbot aufheben.

Ähnlich ist es mit der als französisch bezeichneten Kanzlei Salans. Sie hat 2013 mit der kanadischen Kanzlei Fraser Milner Casgain und mit der US-Kanzlei Sonnenschein Nath & Rosenthal fusioniert und heißt jetzt Denton. Die meisten Niederlassungen bestehen in den USA. Kanzlei-Mitinhaber Bart Legum hat jahrelang in der US-Regierung die Abteilung für NAFTA-Schiedsgerichtsbarkeit geleitet. Er leitet heute von der Denton-Niederlassung in Paris aus die internationale Schiedsgerichts-Gruppe der Kanzlei. Die Kanzleien sind nur transnationalen Investoren verpflichtet und verklagen selbstverständlich auch Staaten, in denen sie ihren Sitz haben.

Schiedsgerichte gegen Sozialismus

Es begann etwa Mitte der 1950er Jahre. Die Weltbank vergab Kredite an sogenannte Entwicklungsländer, damit Konzerne insbesondere aus den USA, dann auch aus den wichtigen kapitalistischen Staaten wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan dort Staudämme, Straßen, Kraftwerke und Diktatorenpaläste bauen konnten. Es wurde gesagt, man wolle die gebauten Anlagen vor der Beschlagnahme durch korrupte Beamte bewahren. Man habe es dort zudem meist mit maroden Rechtssystemen zu tun, die keine westlichen Standards einhielten. Deshalb wollten die westlichen Investoren und die Weltbank die Rückzahlung der Kredite langfristig sichern.

Im Wesentlichen ging es aber um etwas anderes: Nach dem 2. Weltkrieg versuchten zahlreiche Staaten, sich aus kolonialer Ausbeutung und Abhängigkeit zu befreien, vielfach erfolgreich (China, Indien, 1959 dann Kuba). Die neuen Regierungen und Befreiungsbewegungen – teilweise mit sozialistischen Tendenzen – wollten die nationalen Reichtümer selbst nutzen. Dabei kam es auch zu Enteignungen. In Persien etwa wollte 1952 die demokratisch gewählte Regierung von Ministerpräsident Mossadegh die exzessiven Privilegien der Briten bei der Ölausbeutung beschneiden – die CIA stürzte Mossadegh. Andere Befreiungsbewegungen und eigenständige nationale Regierungen wurden durch Putsche abgesetzt oder durch Korruption zu „westlichen Werten“ bekehrt: Ägypten, Ghana, Indonesien, Guatemala, Argentinien usw., später Chile …(3)

Gleichzeitig suchte man auch rechtsförmigen Investitionsschutz. So begannen die kapitalistischen Staaten in den 1950er Jahren, mit Entwicklungsländern jeweils bilaterale Investitionsschutzabkommen zu schließen. Die neue Supermacht USA koordinierte diese Entwicklung international: 1958 wurde in New York das Abkommen über die Anerkennung und Durchsetzung ausländischer Schiedssprüche beschlossen (Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards), bis heute als „New Yorker Abkommen“ bezeichnet. Es ist seitdem die Grundlage der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Konzerne, Banken, Investoren können Staaten verklagen, die Verfahren sind nicht-öffentlich, Widerspruch ist ausgeschlossen. Dem Abkommen gehören heute 150 Vertragsstaaten an. Die Bundesrepublik Deutschland hatte 1959 mit Pakistan ihr erstes derartiges bilaterales Abkommen abgeschlossen. Sie trat dem New Yorker Abkommen 1961 bei.

1965 beschlossen die Mitgliedsstaaten der Weltbank auf Initiative der USA, dem Abkommen einen festen institutionellen Rahmen zu geben. Die USA fühlten sich besonders durch die Enteignungen von US-Eigentum in Kuba betroffen, die die Regierung unter Fidel Castro nach dem Sturz des korrupten, US-freundlichen Diktators Fulgencio Batista vornahm. Seit 1966 agiert in der Weltbank in Washington das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Center for the Settlement of Investment Disputes, ICSID). Es stellt das Sekretariat mit 40 Mitarbeitern, der Präsident der Weltbank ist Vorsitzender des ICSID-Verwaltungsrats. Die Richter, Gutachter und Anwälte werden in jedem Streitfall vom klagenden Investor und beklagten Staat benannt.

Das ICSID gibt auch die maßgebliche Zeitschrift heraus: ICSID Review – Foreign Investment Law Journal. Die Kanzlei Shearman & Sterling gründete 2012 zusammen mit dem UNO-Ausschuss für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) und der Rechtsfakultät der Columbia-Universität das offizielle Internetportal der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Hier werden exklusiv die Urteile veröffentlicht (wenn die Beteiligten zustimmen) und ausgewertet – die beste Datenquelle für diesen Bereich.(4)

Gegenwärtig existieren etwa 3.200 bilaterale Investitionsschutz-Abkommen, allein die Bundesrepublik Deutschland hat mit 136 Staaten ein solches Abkommen abgeschlossen, in denen die Anerkennung des ICSID enthalten ist – wovon die meisten Bundestagsabgeordneten, die Medien und die Öffentlichkeit die längste Zeit nichts mitbekommen haben.

NAFTA: neue Standards

Seit dem Untergang der sozialistischen Staaten werden zunehmend Investitionsschutz-Abkommen zwischen mehreren Staaten abgeschlossen. Es begann 1994 mit der Welthandelsorganisation WTO und dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada (North American Free Trade Agreement, NAFTA).

NAFTA spielt eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung des Schiedsgerichtswesens. 1. Es zielte als erstes „Freihandels“abkommen im Wesentlichen gar nicht auf Freihandel (Abbau von Zöllen), sondern vor allem auf Investitionen, das heißt auf die möglichst weitgehende Freiheit für private Investoren. 2. „Enteignung“ wurde sehr viel weiter gefasst als zuvor. Als Enteignung gilt seitdem auch die (behauptete) Schmälerung des erwarteten Gewinns durch gesetzliche Regelungen etwa im Bereich Umwelt, Arbeitsbedingungen, Steuern, Handelsquoten. Schließlich 3.: An der Ausarbeitung von NAFTA wirkten einige der genannten Kanzleien mit. Sie qualifizierten seit 1994 durch die vielen Dutzend Klagen ihre Mitarbeiter als Anwälte, Gutachter und Richter, die heute die globale Schiedsgerichtsbarkeit beherrschen.

Die Konzerne müssen übrigens nicht unbedingt vor dem ICSID der Weltbank klagen. Sie können die Klagen auch bei den weniger wichtigen Sitzen von Schiedsgerichten einreichen: UNO-Ausschuss UNCITRAL, Internationale Handelskammer (ICC) in Paris, Internationaler Schiedsgerichtshof in London (LCIA), Permanenter Schiedshof (PAC) in Den Haag und Stockholmer Handelskammer (SCC). Sie alle stützen ihre leicht abweichenden Regeln auf das New Yorker Abkommen.

Allein vor dem ICSID werden gegenwärtig knapp 200 Verfahren verhandelt, alle nicht-öffentlich. Forderungen nach einer Milliarde Schadensersatz sind inzwischen keine Seltenheit. Die meisten Verfahren richten sich gegen schwache Staaten: Plama gegen Bulgarien, Philipp Morris gegen Uruguay, Vivendi und andere Energiekonzerne gegen Argentinien, Chevron und Texaco gegen Ecuador, Conoco Philipps gegen Venezuela, Fraport gegen die Philippinen.

Schiedsgerichte gibt es also schon lange, und die BRD ist überall dabei. Das gilt auch für die EU-Energie-Charta von 1991, die das private Schiedsgerichtsverfahren im Bereich Energie vorsieht, aufgrund dessen nicht nur Yukos verklagt werden konnte (Russland war beigetreten), sondern auch die Bundesrepublik selbst wie jetzt von Vattenfall. Die Schiedsgerichte gehörten übrigens schon seit 1995 zum Finanzkonstrukt Cross Border Leasing und sie sind Routine-Bestandteil der bisher etwa 250 Verträge nach dem Muster Public Private Partnership (PPP).

Die Bundesregierung und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sind folglich unglaubwürdig, wenn sie behaupten, man werde bei TTIP den Schiedsgerichten nicht zustimmen. Die Bundesregierung hat übrigens die US-Kanzlei McDermott Will & Emery mit der Vertretung in der Vattenfall-Klage beauftragt. Und das hat die deutschen Steuerzahler schon jetzt, bevor es richtig losgeht, 3,2 Millionen Euro gekostet, vor allem für die Anwälte und Gutachter, dann auch einige hunderttausend Euro für Übersetzungs- und Gerichtskosten.(5)

Korrupte Privatbürokratie

Die Schiedsgerichtsexperten agieren als juristische Chamäleons. Sie treten in allen hier möglichen Rollen auf: als Anwälte des Klägers, aber auch als Anwälte eines beklagten Staates und auch als Gutachter für die eine oder die andere Seite – und schließlich noch als Richter. Gaillard zum Beispiel, der für die rumänischen und russischen Oligarchen als Anwalt auftrat, agierte als Mitglied des Schiedsgerichts unter anderem bei Eurogas gegen die Slowakei, als Präsident eines Ad-hoc- Ausschusses des Investors Toto Costruzioni, bei dem es um die Annulierung eines Vertrages mit dem Libanon ging, als Richter bei Sebastian Gold Mines gegen El Salvador und als Mitglied des Schiedsgerichts bei Globex gegen die Ukraine.

Die private Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht nur ein Instrument der rechtsförmig gesteigerten Gewinne privater Investoren, sondern auch ein Selbstbedienungsladen für einen exklusiven Club von wenigen hundert Personen. Sie haben jeweils eigene Teams von ein paar Dutzend Schiedsgerichts-Anwälten, die nicht nur ihr hohes Gehalt beziehen, sondern auch als Partner am Gewinn der Kanzlei beteiligt sind. Die führenden unter ihnen berechnen bis zu 1.000 Dollar pro Stunde und Anwalt, wobei in solchen Streitfällen ein oder zwei Dutzend Anwälte gleichzeitig im Team für den Kläger oder den Staat arbeiten. Auch als Schiedsrichter können sie solche Honorare berechnen. Im Durchschnitt fallen pro Klage 8 Millionen US-Dollar an Honoraren und Gebühren an. Die drei führenden Kanzleien Freshfields, White & Case und King & Spalding waren im Jahr 2011 an 130 Verfahren beteiligt.

Die Top-Schiedsrichter, die zwei Drittel der Verfahren leiten, bilden in dem exklusiven Club noch mal einen kleinen Club von etwa einem guten Dutzend Mitgliedern. Einige wie Gaillard sind Mitinhaber bei führenden Kanzleien, andere haben sich nach langer Karriere bei Freshfields, White & Case, Norton Rose und anderen selbständig gemacht. Einige wenige sind ProfessorInnen, die ihr staatliches Beamtengehalt schon mal während der Dienstzeit vervielfachen. Hinzu kommen politische Karrieristen wie Francisco Vicuna; er steht nach der Zahl der Verfahren an dritter Stelle der meistbeschäftigten Richter – seine Karriere als Minister unter Diktator Pinochet steht dem nicht entgegen. Oder Marc Lalonde, mehrfacher kanadischer Minister und Ex-Vorstandsmitglied bei Citibank und Air France – er steht an vierter Stelle. Auch etwa Dan Price ging durch eine dieser Kapital-Staats-Drehtüren: Er war im US-Handelsministerium tätig, dann Unternehmensberater und Schiedsrichter. Beim ICSID verdienen die Schiedsrichter bis zu einer Million US-Dollar pro Fall, je nach Länge und Komplexität des Verfahrens und der Forderungshöhe des Klägers. Die meisten Richter treten nicht nur als Richter auf, sondern in anderen Fällen auch als Anwälte und Gutachter.

Die überstaatlichen Welt-Kapital-Juristen kungeln untereinander um Aufträge, und sie preisen ihren Sumpf ihren Kunden öffentlich als Qualifikation an. So heißt es auf der Webseite von Shearman & Sterling: „Wir kennen die Mehrheit der Richter, die regelmäßig für die internationale Streitbeilegung ernannt werden, genauso kennen wir das Personal der führenden Schiedsgerichte, und wir kennen genau die Taktiken und Strategien, die von anderen Wirtschaftskanzleien angewandt werden.“

Die Mitglieder des jüngsten Weltgerichts sind Teil der transnationalen kapitalistischen Klasse. Sie hat am (relativen) Wohlergehen einzelner Volkswirtschaften noch weniger Interesse als die früher mehr national eingebundenen Kapitalisten. In diesen Schiedsgerichten ist das Recht des Privateigentums auf die Spitze getrieben, gilt als alleiniges Recht, ohne Demokratie, Menschen- und Arbeitsrechte. Diese Juristen sind „Experten für alles außer Menschenrechte“, urteilt der britische Jurist Sebastian Perry. Verrechtlichtes Unrecht mit Zustimmung „demokratischer“ Staaten ist eine Perversion des Rechts.


 

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(1) Petra Pinzler: Internationale Schiedsgerichte – ungleiche Gegner, Die Zeit 14.11.2014.
(2) Pia Eberhardt / Cecilia Olivet: Profit durch Un-Recht. Wie Kanzleien, SchiedsrichterInnen und Prozessfinanzierer das Geschäft mit dem Investitionsschutz befeuern. Brüssel Amsterdam Berlin 2014, Tabelle „Die 20 gefragtesten Kanzleien im Investitionsrecht“, S. 22 f. Weitere Informationen sind dieser informativen Studie entnommen, ohne dass darauf eigens hingewiesen wird.
(3) Zu den US-geleiteten Putschen in der Nachkriegszeit vgl. Werner Rügemer: Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne, Hintergrund 4/2013, S. 9-15.
(4)www.newyorkconvention58.org.
(5) Markus Balser: Eon und Vattenfall machen gemeinsame Sache bei Atomklage, Süddeutsche Zeitung 26.10.2014

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